Von Frank Bosse
Ein guter Freund war offenbar elektrisiert: Er fragte bei mir noch spät abends an, was es mit dieser ganz aktuellen Nachricht bei n-tv auf sich hätte:
„Was in Deutschland passiert, wenn der Golfstrom versiegt“
Ganz schnelle Beruhigung war zur Stelle: „Der Golfstrom ist sicher, solange die Erde sich dreht und der Wind weht.“ So nannte der Ozeanologe Carl Wunsch einen Kommentar in „Nature“ schon im Jahre 2004. Darin macht er klar, dass der Golfstrom an sich windgetrieben ist durch den stetigen Passatwind und das wird auch so bleiben, bis es keinen Wind mehr gibt. Etwas völlig anders Angetriebenes (“thermohalin”) könnte jedoch in der Tat versiegen: Die Atlantische Umwälzzirkulation, kurz AMOC. Offensichtlich ist die Überschrift des n-tv Artikels falsch. Der verantwortliche Redakteur Oliver Scheel lag daneben. Er ist sehr wahrscheinlich Aktivist, nach eigener Auskunft radelte er zu Klimakonferenzen und „rettet mit anderen gemeinsam den Planeten“.
Zu ergänzen wäre: er erklärt auch nach eigener Anschauung:
„Persönlich ist es mir wichtig, über die Vorgänge auf diesem Planeten und in der Atmosphäre aufzuklären.“
Das ging erstmal schief mit der Überschrift. Wird es besser?
Zur Ehrenrettung sei erwähnt, dass es im folgenden Text nie mehr um „Den Golfstrom“ ging, sondern ausschließlich um die AMOC. Offensichtlich kannte Scheel den gewaltigen Unterschied nicht und machte einen journalistischen Anfängerfehler: Die Überschrift passt nicht zum Inhalt. Das kommt immer wieder vor, auch weil die Begriffe von Vertretern der Theorie des „Versiegens der AMOC“ immer wieder gern vermischt werden, wohl um “volkstümlicher” herüberzukommen.
Lesern dieses Blogs kann so etwas nicht passieren, wir hatten schon länger auf die Unterschiede aufmerksam gemacht, z. B. hier. Der Artikel aus dem Januar 2025 ist nach wie vor aktuell, auch was die Differenzen angeht bei dem, was in der Öffentlichkeit ankommt und dem, was echte Fachleute sagen. Oliver Scheel als Autor des n-tv Artikels trägt leider nicht zur Erhellung bei, sondern findet mit „Planetenretter-Instinkt“ eine Stimme, die das „Versiegen“ der AMOC promotet, die von Stefan Rahmstorf. Der hatte beim aktuellen „Extremwetterkongress“ in Hamburg die Arbeit vorgestellt, die mit (gewissen, aber unrealistischen) Modellen einen Shutdown nach 2100 prophezeite, er ist Mitautor. Wir hatten uns unlängst mit ihr beschäftigt und gefunden:
„Es sind nur sehr wenige Modelle am Werkeln, in der übergroßen Mehrheit eine Welt beschreibend, die nicht die reale ist. Hinzu kommen grobe handwerkliche Fehler. Damit irgendeine Aussage über „das Kippen“ der AMOC auf der realen Erde zu machen, grenzt mehr an ein Stück aus dem Tollhaus, denn stellt es eine seriöse Publikation in einem namhaften Journal dar.“
Wie verkauft nun der Autor von n-tv die Ergebnisse? Da ist zu lesen:
„Was spielt sich da gerade ab im Atlantik? Vereinfacht gesagt ist es so, dass die enorme Gletscherschmelze vor allem vom grönländischen Eisschild riesige Mengen an Süßwasser ins Meer trägt, wodurch sich der Salzgehalt des Meerwassers verändert.“
Der Salzgehalt im Nordatlantik geht also an der Oberfläche zurück mit dem Klimawandel seit 1980? Ein Blick auf die Daten:

Die Trends des Salzgehalts im Nordatlantik ab 1980. Die Abbildung wurde mit dem KNMI-Climate Explorer generiert.
Des Absinkgebiet, das im n-tv Text angesprochen wird:
„Das Absinken des kalten Tiefenwassers wird gestört, die Zirkulation des Wassers gerät ins Stocken.“
befindet sich östlich von Grönland. Dort wird die See jedoch salzreicher seit 1980 und nicht -ärmer.
Der Absatz im n-tv Artikel ist schlicht falsch, er postuliert etwas, dem Daten diametral widersprechen.
Nun kommt Rahmstorf zu Worte:
„Die AMOC sei jetzt schon schwächer als „jemals in den letzten 1000 Jahren“, sagte Rahmstorf.“
Er repetiert damit eine Arbeit seiner Schülerin Caesar und ihm aus dem Jahre 2021. Er unterließ es jedoch zu erwähnen, dass bereits in 2022 eine andere Arbeit die Ergebnisse schwer erschütterte, sie warf den Autoren um Caesar eine gezielte Proxy-Auswahl vor, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Das konnte nie entkräftet werden. Benutzt man mehr Proxys, kommen ganz andere Ergebnisse zu Tage. Nix da mit „schwächste AMOC des Jahrtausends“!
Es gibt in der Frage „AMOC-Kollaps heute möglich, ja, nein“ sehr, sehr viel Unsicherheit in der Klimawissenschaft, wir informierten. Das hindert viele Deutsche Medien nicht, das Kollabieren immer wieder an die Wand zu malen mit völlig übertriebener Sicherheit, weil halt vorrangig „Kollabierer“ wie Rahmstorf zu Worte kommen:
„Dann dauert es noch 50 bis 100 Jahre, bis die AMOC völlig versiegt ist“, erläutert Rahmstorf“
Nach dem unvermeidlichen Vergleich zu dem Sci-Fi Film „The day after tomorrow“ (den benutzt Rahmstorf in fast jedem Interview zum Thema, unser Rat an jeden Journalisten: wenn der kommt… Interviewabbruch, Science-Fiction ist nicht der Punkt!) sucht Rahmstorf nach heutigen Hinweisen für eine sich deutlich abschwächende AMOC und findet: Das Wärmeloch im Nordatlantik. Mit den Problemen mit diesem „Fingerprint“ hatten wir uns hier näher beschäftigt und fanden für diesbezügliche Modellarbeiten:
„Da wurden Klimamodelle so lange „gesiebt“, bis einige wenige ein „Warming Hole“ an der richtigen Stelle produzierten (die allermeisten nicht!) und daraus wurde schon in der Überschrift auf die reale Welt gefolgert. So etwas hätte schon bei einem halbwegs genauen Review durchfallen müssen“
Nun jedoch geht Rahmstorf noch ein Stück weiter und verlautbart:
„…dass die Hitzesommer mit besonders kalten Temperaturen draußen im Atlantik korrelieren.“
Das macht neugierig und wir schauen, ob das Daten wirklich hergeben.
Dazu vergleichen wir die Maximaltemperaturen im Sommer an Land in Europa mit den Meeresoberflächentemperaturen des Nordatlantiks von 1982 bis 2022:

Da ist keine Korrelation zum „Wärmeloch“, sie wäre negativ, also bläulich! Bild: Climate Explorer
Dass die Sommer-Maximaltemperaturen positiv (rötliche Farben) mit den Meerestemperaturen um Europa herum korrelieren, kann nun wirklich nicht verwundern. Zu der positiven Korrelation zum Westatlantik hatten wir schon hier informiert. Es ging im Mai 2025 um eine Vorhersage eines „Hitzesommers 2025“, daraus wurde wie bekannt auch nichts. Wir hatten es schon vermutet.
Der nun von Rahmstorf hergestellte Zusammenhang „Sommerhitze und kühlerer Atlantik“ hält einer Prüfung ebenso nicht stand.
Das soll zur Prüfung der Aussagen (Durchgefallen!) von Rahmstorf genügen. Es kommt im n-tv Artikel noch ein Vortragender beim „Extremwetterkongress“ zu Worte: Dr. Schenk. Auch er spricht von Hitzewellen im Sommer:
„Das sieht Schenk, der in Stockholm forscht, ähnlich: „Während der Hitzewellen gab es immer wieder den Zusammenhang zwischen den kalten Meerestemperaturen im Atlantik und den Hitzewellen. Wenn dieser Cold Blob sich ausdehnt oder öfter kommt, gibt es mehr Hitzewellen im Sommer.“
Das mit „ähnlichsehen“ ist jedoch eine sehr weit hergeholte Auslegung. In seinem Vortrag beim Extremwetterkongress machte Schenk sehr deutlich, dass er das Klima paleontologisch nach einem real erfolgten AMOC-Zusammenbruch untersuchte. Im Video seines Auftritts ab 7:19 h erklärt er das explizit und erwähnte, dass das stets in Verbindung mit dem Ende von Eiszeiten einher ging. Der Mechanismus ist dann auch tatsächlich logisch: eine massive Versüßung im Absinkgebiet der AMOC durch sehr viel Schmelzwasser im Nordatlantik von den tauenden Eismassen. Und genau das Gegenteil sehen wir real heute, wie im ersten Bild gezeigt. So sind die Hinweise von Dr. Schenk zwar interessant, jedoch für heutige reale Verhältnisse so nicht übertragbar. Davor hat er selbst zu Beginn seines Vortrages gewarnt.
Das betrifft auch seinen Hinweis:
„Man kann sich sicher sein, dass die Stürme zunehmen werden.“
Wie verhält es sich heute mit der Windgeschwindigkeit und Klimawandel und „Warming hole“?
Die Trends in Europa seit 1980 laut ERA-5:

Bild: Climate Explorer
In weiten Gebieten von Großbritannien im Westen bis Polen im Osten nimmt der Wind seit 1980 ab, nicht zu.
Auch dieses Detail zeigt, dass alle „Atlantic Warming- Hole-AMOC-Collapse soon“ Thesen auf ganz tönernen Füßen stehen.
Welche Kriterien man auch bemüht und sie mit Beobachtungen überprüft: nirgends ein wirklich realer Fingerzeig eher das Gegenteil!
So ist der n-tv Artikel ein weiteres abschreckendes Beispiel dafür, wie aus buchstäblich Nichts Ängste geschürt werden. Vielleicht sollten die Verantwortlichen bei dem TV-Sender darüber nachdenken, ob sie als Redakteur für solche diffizilen Klimafragen nicht eher einen im Feld und der Literatur dazu beschlagenen berufen, statt eines Aktivisten, der zu Klimakonferenzen nach Glasgow (!) und Sharm El -Sheikh (!) radelte um “die Welt zu retten”? Einer sachkundigen und objektiveren Berichterstattung täte das wohl gut.