Von Frank Bosse
„Der vermutete Express- Rückgang des arktischen Meereises nach 2007 hatte nie eine physikalische Basis!“- und die Weissagung von Stefan Rahmstorf aus dem Jahre 2011.
Sie erinnern sich gewiss noch an unseren Beitrag zur Minimalausdehnung des arktischen Meereises in diesem Jahr. Wir hatten anhand der Daten gezeigt, dass da die letzten 21 Jahre kein (signifikanter) Trend zu erkennen ist.
Mit gewissen Fehl-Prognosen dazu setzte sich in der Zwischenzeit auch Gavin Schmidt auf dem Blog „Real Climate“ auseinander. Er stellt da zurecht fest, dass „wilde Voraussagen“ von 2007-2014 nie eine physikalische Grundlage hatten. Es waren in der Tat völlig unwissenschaftliche Kurvenextrapolationen wie diese von ihm gezeigte:

Danach hätte das Eis der Arktis im Sommer bereits im Jahre 2015 verschwunden (< 1000 km³ Volumen) sein müssen.
Grundlage der Graphik ist auch eine Prognose von Peter Wadhams, der nicht müde wurde, das schnelle und katastrophale Meereis- Schrumpfen anzukündigen.
Auch im “Spiegel” erhob er die Stimme in 2012:
“Das System kollabiert”.
Mit ihm hatte Gavin Schmidt auch eine handfeste Auseinandersetzung im Jahre 2014 (also noch recht früh) um ein wissenschaftliches Herangehen an das Problem. Nun, da offensichtlich ist, was da schieflief, wertete er die „falschen Prognosen“ aus.
Auch ein Autor auf dem Blog „Real Climate“ ist Stefan Rahmstorf vom PIK Potsdam.
Was hatte er beizutragen zu den „unphysikalischen Prognosen“?
Er schrieb im Jahre 2011 diesen Aufsatz, der wurde auch in „Welt“ gedruckt.
Einige Passagen daraus in Deutsch:
„Das Drama – oder besser gesagt: eine Tragödie –, das sich im Norden abspielt, ist das rapide Verschwinden der polaren Eiskappe, dem prägenden Merkmal des Arktischen Ozeans…
Es ist nun klar, dass wir nicht nur einen stetigen Rückgang der Meereisbedeckung erleben, sondern einen rapiden beschleunigten Rückgang…
Setzt sich der Abwärtstrend der letzten 20 Jahre unverändert fort, wird in 10 bis 15 Jahren praktisch kein Eis mehr vorhanden sein.“
Woran machte er das fest? Er meinte damals, dass sowohl Eisausdehnung als auch die Dicke (oder das Volumen insgesamt) zurückgehen und das hätte eine rapide Beschleunigung des Schmelzens zur Folge.
Ab 2011 sahen wir jedoch real das hier:

Die Daten für die Ausdehnung („Extent“) in schwarz vom NSIDC und das Volumen (rot) von PIOMAS.
Beide Reihen zeigen keine Beschleunigung, sondern das Gegenteil: Ein Bremsen des schnellen Rückganges 2000-2011, in der fraglichen Zeit nach 2011 einen faktischen Null-Trend.
So sind wir wohl nicht unberechtigt optimistisch, dass auch 2026 (dann wäre die Obergrenze der Rahmstorf‘schen „10-15 Jahre-Nullvorhersage“ erreicht) nicht das Arktiseis schlagartig die untere Diagrammgrenze erreichen wird.
Rahmstorf kündigte stattdessen 2011 eine „Kernschmelze“ an:
„Deshalb ignorieren wir die stille Kernschmelze im Norden auf eigene Gefahr.“
Nun sind Prognosen natürlich immer schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Das wusste schon Mark Twain.
Wir sind heute schlauer und können zurückblicken. Gavin Schmidt jedoch ärgert sich völlig zurecht, dass solche „Weissagungen“ damals überhaupt in die Welt gesetzt werden konnten und die Urheber nun damit konfrontiert werden können.
Von Al Gore über Peter Wadhams bis zu seinem Mit-Autor auf dem Blog, Stefan Rahmstorf. Vermutlich wusste er das nicht oder hatte es vergessen.
Gavin Schmidt merkt zurecht an, dass diese „wilden Vorhersagen“ NIE eine wissenschaftlich-methodische Grundlage hatten. Also ist auch Rahmstorf unter den unwissenschaftlichen Propheten?
Der Schluss ist zwingend. Er wendete ebenso die unwissenschaftliche “Methodik” einer bloßen Verlängerung eines damals viel zu kurzen Trends an: “Setzt sich der Trend fort, dann…”.
Ein no go als Grundlage für die ganze lange Abhandlung im Jahre 2011!
Er schreibt auf “Real Climate” oft zum Thema AMOC (oder die „Atlantische Umwälzzirkulation“).
Auch hier ist es sehr oft bei Licht besehen ein „Blick in die Glaskugel“. Daten sind spärlich und auch wir hatten von vielen Widersprüchen in der Forschung berichtet. Viele Fachleute sehen die „Endzeitprognosen“ des AMOC-Kollapses sehr kritisch und verweisen auf Mängel an handfesten Daten. Vielmehr wurden die praktisch ausnahmslos aus „Modellmassagen“ gewonnen, wir zeigte hier wie das gemacht wird.
Auch da ist Stefan Rahmstorf ganz vorne dabei. Die Situation ist heute sehr ähnlich zu seiner Fehlprognose im Jahre 2011, damals das arktische Meereis betreffend: Wildes Extrapolieren ohne wissenschaftlich ausreichende empirische Basis, wie sein Kollege Gavin Schmidt nun herleitete.
Bleibt nur zu wünschen, dass solch Wissenschafts-Kriterien endlich wieder auch an heutige “Vorahnungen” angelegt werden. Es wäre ein großer Fortschritt für die Klimawissenschaft, wenn solche Stimmen ruhiger und weniger Öffentlichkeit bekämen.
Zu viel Beachtung führt auch zu solchen medialen Auswüchsen einer “Wissenschaftskommunikatorin”. Das war schon 2011 so, nur hoffen wir auch auf Lernfortschritte. Sie sind bitter notwendig, um den Ruf der ganzen Innung nicht noch weiter zu ruinieren.