Der 20-Jahres-Plan der Ampel

Von Prof. Dr. Wolfgang Dreybrodt

Der 20-Jahre-Plan der Ampel: Energiewende zur Klima-Neutralität
Das sollte man wissen über Wind, PV und grünen Wasserstoff

Hinweis: Dies ist eine korrigierte Fassung (Stand: 20.12.2023, 18:20 Uhr). Der Autor dankt allen Kommentatoren für ihre Korrekturhinweise.

Die Bundesregierung verspricht, dass Deutschland eine führende Rolle zur Klima-Neutralität einnehmen könne und dass diese zu wachsendem Wohlstand führt. Hier einige Grundlagen zur Beurteilung der Nationalen Wasserstoff Strategie.

Zusammenfassung

Installierte Leistung von fossilen Kraftwerken, Windkraft und Photovoltaik (PV) sind nicht vergleichbar. 1 GW eines Braunkohlekraftwerkes erzeugt im Jahr so viele kWh Strom wie

7,6 GW PV oder 3 GW Windkraft.

Um den gegenwärtigen Bedarf an Wärme durch Heizung für Haushalt, Industrie und Gewerbe, Verkehr und Strom allein durch Wind- Energie zu decken, braucht man 184000 Windräder mit 5,5 MW installierter Leistung. Verwendet man nur PV braucht man eine Fläche von 11000 km2Solarmodule. Das ist ein Quadrat von 104 km x 104km.

Um den heutigen Wasserstoffbedarf für Industrie, Verkehr (LKW, Binnenschifffahrt, Binnen Flüge) und grünen Stahl zu decken, sind Elektrolyseure mit eine Installierten Leistung von

152 GW zu bauen.

Mit den heute bestehenden Kavernenspeichern für Erdgas können nur 5 % des jährlichen Wasserstoffbedarfes gespeichert werden.

Vorbemerkung

Die Leistung eines Kraftwerkes wird in Kilowatt (kW) angeben. Kohlekraftwerke erreichen im Schnitt Leistungen zwischen 100 Tausend kW (Tausend kW = MW, Megawatt) und 1 Millionen kW (1 Millionen kW = Gigawatt, GW).  Ein mittleres Atomkraftwerk hat eine Nennleistung von etwa 1,4 GW. Diese Kraftwerke können Energie ohne Unterbrechung über lange Zeit liefern (Grundlast). Sie lassen sich nur langsam regeln. Um die Stabilität des Netzes zu erhalten, dienen schnell regelbare Gaskraftwerke mit Leistungen bis zu 340 MW und ebenso Wasserkraftwerke.

Vergleichbarkeit von installierten Leistungen konventionell, Wind und PV.

Die installierte Leistung von Stromerzeugern ist die größte Leistung, die unter idealen Betriebsbedingungen erreicht wird. Ein Braunkohlekraftwerk erfüllt diese Bedingungen eine lange Zeit (6600 Volllaststunden, VLS, in einem Jahr). Eine Photovoltaik-Anlage arbeitet ideal nur bei vollem Sonnenschein. Dies entspricht 910 Volllaststunden im Jahr. Für Windräder sind es 2200 VLS im Jahr (hier).

Diese Zahlen ermittelt man durch Messung der pro Jahr abgegebenen Energie EREAL (GWstunden/Jahr oder GWh/Jahr). Die Volllaststunden geben die Zeit, die das Kraftwerk unter idealen Bedingungen laufen muss, um EREAL zu erzeugen. Weil die mit einer Leistung L (kW) in der Zeit T (Stunden) abgegebene Energie E= T∙L kWh ist, gilt EREAL = VLS∙IL. Also VLS = EREAL/IL.

Die maximal mögliche Energie berechnet man aus der installierten Leistung IL, wenn das Kraftwerk das ganze Jahr ohne Unterbrechung auf voller Leistung läuft, als EMAX = IL∙8760. 8760 ist die Stundenzahl eines Jahres.

Die Effizienz eines Kraftwerks ist EFF = EREAL/EMAX = VLS/8760.

Für Braunkohle ist EFFK = 0,76. Für Wind EFFW = 0,25 und für Photovoltaik gilt EFFP = 0,10.

Eine installierte Braunkohlen-Leistung ILK = 1 GW produziert deshalb EREALK = 0,76 GWh. Eine installierte Wind-Leistung ILW = 1 GW erzeugt EREALW = 0,25 GWh und 1 GW installierte Photovoltaik (PV) produziert EREALPV = 0,10 GWh. Um also eine installierte Leistung ILK = 1 GW Braunkohle durch Wind zu ersetzen, muss man ILW = 3 GW oder für PV ILP = 7,6 GW installieren.

Fazit: Die übliche Angabe installierter Leistung ist irreführend!

Wieviel Windräder oder Photovoltaik-Module brauchen wir?

Der Verbrauch an Wärme durch Heizung beträgt für Haushalt, Industrie und Gewerbe 638 TWh. Mit Wärmepumpen sind 65 % erneuerbar. Man braucht daher nur ein Drittel, also 213 TWh Elektrizität.

Für Warmwasser benötigt man 132 TWh und für Prozesswärme 510 TWh (hier). Der Verkehr (Straße, Wasser, Luft) benötigt 872 TWh.  (hier). Der Stromverbrauch 2022 ist 484 TWh, davon 48,3 %´erneuerbar und 51,3 % konventionell. (hier)

Insgesamt sind dies 2211 TWh. Die Zahl der Windräder mit der pro Jahr erzeugten Energie E, die man braucht, um eine benötigte jährliche Energie B zu erhalten ist Z = B/L.  

Ein 5,5 MW Windrad erzeugt 12 GWh = 0,012 TWh pro Jahr. Um 2211 TWh durch Wind zu bekommen, benötigt man 2211/0,012 = 184000 Windräder mit 5,5 MW installierter Leistung.

Insgesamt ist das eine installierte Leistung von 1000 GW. 2023 sind 66 GW installiert.

Um den gesamten Bedarf durch Photovoltaik zu decken, gelten die folgenden Überlegungen. Die Zahl der PV-Module mit der pro Jahr erzeugten Energie E, die man braucht, um eine benötigte jährliche Energie B zu erhalten ist Z = B/l.

Eine PV-Anlage mit einer installierten Leistung von 1 kW hat einen Ertrag von 1000 kWh im Jahr. Aktuelle Solarmodule liefern bei einer Größe von 1,7 m2   0,350 kW installierte Leistung einen Ertrag von 350 kWh.  Um unseren Energiebedarf von 2211 TWh durch PV zu decken, brauchen wir 2211 TWh/350 kWh = 6,3 Milliarden Module. Das ist eine Fläche von 11 Milliarden m2 oder11000 km2 mit installierter Leistung von 2200 GW. Aktuell sind 71 GW installiert.

Das Beratungsunternehmen Ecofys hat in einer für Deutschland angelegten Untersuchung berechnet, dass hierzulande rund 2344 km2 an Dachfläche für eine solare Nutzung geeignet sind. Das ist etwa ¼ der benötigten Fläche. (hier)

Dies alles gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass Wind und PV den Strom gleichmäßig über das ganze Jahr ins Netz einspeisen. Da dies nicht der Fall ist, braucht man Speicher.

Grüner Wasserstoff

Durch Elektrolyseure wird Strom in Wasserstoff (H2) mit einem Wirkungsgrad von 0,7 verwandelt. Für eine 1 MW-Anlage ist das eine jährliche Wasserstoffproduktion von

0,7 MW × 4300 h = 3000 MWh. Weil der Energieinhalt von 1 kg H2 33 kWh beträgt, liefert ein Elektrolyseur mit der installierten Leistung von 1MW bei 4300 VLS 91000 kg H2 im Jahr (hier). Um eine benötigte jährliche Menge M an Wasserstoff mit Elektrolyseuren des jährlichen Ertrages E zu erzeugen, braucht man Z = M/E Elektrolyseure.

Im Jahr 2021 wurden 420 Millionen kg grauer Wasserstoff produziert. 2023 lag die Erzeugung von grünem Wasserstoff bei 7,28 Millionen kg.

Um den grauen Wasserstoff durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, braucht man in Deutschland 4600 Elektrolyseure mit 1MW installierter Leistung (hier) und (hier).

Zur Erzeugung grünen Stahls braucht man 55 kg H2 pro Tonne Stahl. Bei der Stahlproduktion von 29 Millionen Tonnen im Jahr durch Hüttenwerke braucht man 29 Millionen ∙ 55 = 1,6 Milliarden kg H2 und damit 17600 Elektrolyseure (hier).

Der Verkehr (Lastverkehr Straße, Binnenschiff, Binnenluftverkehr, Schiene) braucht 428 TWh.  (hier) Weil der Energieinhalt von 1 kg H2 33 kWh beträgt, entspricht dies 13 Milliarden kg H2/Jahr entsprechend   154000 1-MW-Elektrolyseure.  Insgesamt sind das 174 GW installierte Leistung. Dies entspricht der Zielvorgabe der Nationalen Wasserstoff Strategie für 2045: Ausbau auf 50 GW und Import von 70% des Bedarfes. 2023 sind in Deutschland erst 70 MW installierte Leistung verfügbar. (hier)

Wasserstoffspeicher

Die geringere Energiedichte und ein anderes Kompressionsverhalten von Wasserstoff führen dazu, dass bei gleichem Speichervolumen nur 20 % des Energiegehalts von Erdgas gespeichert werden. Das maximale Potenzial bei Umrüstung aller Kavernen in Deutschland beträgt demnach 33 TWh (hier). Dies sind 1 Milliarde kg H2. Der Bedarf ist aber 13 Milliarden kg. Außerdem tritt bei Salzkavernen durch Kriechbewegungen des Salzes eine Hohlraumverringerung von etwa 1 % pro Jahr auf.  Dies ist 2045 ein Speichervolumen von etwa 26 TWh.

Bei einem Bedarf von insgesamt 498 TWh und einem Speicherbedarf von 24%

ergibt das Speicher von 120 TWh, etwa das Vierfache der aktuellen Kapazität in Übereinstimmung mit dem 500 TWh-Szenario von NRW.Energy4Climate. (hier)

Ausblick

Aktuell setzen sich erneuerbare Energien wie folgt zusammen. (hie) 50% Wind, 25% PV und 25% Biomasse, Hausmüll und. Wasserkraft. Dann brauchen wir nur rund 100000 Windräder und eine Fläche von 25000 km2 für PV. Bis 2045 müssen daher ca. 5000 MW Windräder pro Jahr gebaut werden. 2022 wurden aber nur 551 Windräder gebaut (hier). Die Energiewende kann man strategisch planen. Sie umzusetzen ist weit schwieriger.

Es würde aber reichen, wenn wir den CO2 Ausstoß auf die Hälfte des aktuellen Wertes reduzierten. Geschieht dies global, dann bliebe der CO2 Wert konstant.

Dies zeigen wenig kaum beachtete Modellrechnungen der Weltklimarades (hier).

Um das Klima zu retten, ist Netto-Null nicht nötig. Mit der Hälfte des heutigen CO2-Austoßes erreichen wir Klimaneutralität. Dies gibt genügend Zeit, die Wirtschaft auf Netto-Null umzubauen.

Bremen, Dezember 2023             Prof. Dr. Wolfgang Dreybrodt, Physiker

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