Nach der FDP (wir berichteten) sind nun die CDU, die AfD, die Bild sowie der Springer Konzern an der Reihe beim Kolumnisten Christian Stöcker im Spiegel. Stöcker benutzt dazu reichlich Strohmänner, das sind Aussagen, die der Gegenüber nie gemacht hat, die man aber wunderbar entkräften kann. Einer dieser Aussagen ist, dass Deutschland energieautark sein soll und sich das in Zukunft ändert. Das hat niemand ernsthaft behauptet, dennoch entkräftet Stöcker das gekonnt. Gewarnt wurde vor möglich Stromengpässen, weil sich Deutschland praktisch von einem Stromexportland in ein Importland veränderte, zufälligerweise ziemlich genau ab dem Zeitpunkt als die letzten deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet wurden.
Stöcker merkt offenbar nicht mal, dass er einige Narrative deutscher Energiewendler zerstört. Strom aus dem Ausland einzukaufen wäre nämlich gut, so Stöcker, wenn es den Strom im Ausland günstiger gibt, als wenn man in im Inland erzeugt. Ausgerechtnet Strom aus Kernenergie wurde aber immer als zu teuer in der Produktion betitelt. Und genau dieser Strom wird nun zu guten Teilen importiert, weil er so günstig ist? Dabei wird der Anteil von Strom aus Kernenergie mal eben heruntergespielt, was ist schon ein Drittel? Und wieder Getrickse, per Saldo wurde mehr exportiert als importiert, seit Mai ist es ist der Import aber deutlich gestiegen, weil es ja so billig war. Kein Wort über das sagenhafte Geschäftsmodell Strom in Überfluss-Zeiten mit Geld dazu ins Ausland zu verklappen und dann bei Mangel wieder teuer zu importieren.
“Französischer Atomstrom spielt im ständigen, sinnvollen, nützlichen Austausch auf dem europäischen Strommarkt aus deutscher Sicht eine eher unbedeutende Rolle. Im Monat Mai war laut Agora Energiewende etwa ein Drittel des importierten Stroms Atomstrom . Insgesamt aber hat Deutschland allein 2023 bislang drei Terawattstunden mehr nach Frankreich exportiert als von dort bezogen. Richtig ist: Wir haben im Mai und Juni deutlich mehr Strom importiert als in diesen Monaten im Vorjahr – weil das eben billiger war.”
Am Ende kommt, was kommen muss: die Verschwörung. Der Finanzinvestor KKR stecke hinter allem. Der ist groß im fossilen Bereich investiert und da er ebenfalls Anteile bei Springer hält, muss es so sein, dass die Schlagzeilen direkt von KKR kommen. Das Lied kennt Stöcker, er hat es schon bei der FDP gesunken, denen er attestierte, eine Filiale des Koch-Konzerns aus den USA zu sein. KKR als Investor hat seit 2011 etwa 15 Mrd. Dollar in Erneuerbaren Energien gesteckt. Ein Fakt, den Stöcker offenbar übersehen hat oder ihn besser verschwieg, es hätte die schöne Theorie ja auch gestört.
“Es gibt wirklich einen Weg zu mehr Autonomie
Nicht vergessen: Der Springer-Verlag gehört fast zur Hälfte Investoren, die gewaltige Summen in fossile Brennstoffe investiert haben. Weitere knapp 22 Prozent gehören Mathias Döpfner, der seinen SMS zufolge »sehr für den Klimawandel« ist. Es geht beim Thema Energieversorgung um Geld. Sehr viel Geld.
Es gibt übrigens tatsächlich einen Weg zu mehr, wenn auch nicht zu vollständiger, Energieautonomie: CO₂-neutrale, auf deutschem Staatsgebiet erfolgende Energiegewinnung – erneuerbare Energienalso. Und da sind wir auf einem guten Weg, wenn auch noch lang nicht weit genug. Das wiederum hat maßgeblich die Union zu verantworten. Im Jahr 2023 lag der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bislang bei über 58 Prozent. Im Juli sind es derzeit fast 80 Prozent .”
Gekonnt wird unter den Teppich gekehrt, dass Strom eben nur einen Teil der gesamten Energie ausmacht. Der Anteil dürfte in Zukunft stiegen, aber natürlich klingen 80% viel besser als 15%, die der Strom aus Erneuerbaren Energien am Gesamtanteil ausmacht. Und wie man autonomer wird, wenn man immer mehr Strom importiert, das ist eines der Rätsel in dem Stöcker-Text. Vielleicht stimmt der alte Satz von Robert Gernhardt ja auch hier? Die größten Kritiker der Elche sind selber welche.
Stöcker war doch sehr empört als er von der Welt auf seine Tätigkeit für The New Institut angesprochen wurde. Dieser “Think Tank” wird vom Reeder Erk Rickmers finanziert, der einerseits die Weltmeere mit dem Verbrennen von Schweröl beglückt, andererseits aber in sogenannten Grünen Investments steckt. Wir haben über den Fall geschrieben. Die Welt schrieb damals:
“Unter dem etwas irreführenden Titel „Der Rationalist“ agiert der langjährige Redakteur des Magazins, mittlerweile im Hauptberuf Fachhochschul-Professor für Digitale Kommunikation, als Prediger einer alleinseligmachenden totalen Wende hin zu Erneuerbaren Energien. Wer zu dieser Politik grundsätzliche Fragen hat oder gar Kritik daran übt, wird von Stöcker zu den „Verschwörungsverrückten“ sortiert oder als Teil einer „kleinen, aber lautstarken Minderheit“ ausgegrenzt. Dazu kommt Stöcker mit steilen Thesen, etwa der, dass Klimaschutz trotz Milliardensubventionen „hochrentabel“ sei.
Ein besonderes Faible hat der „Spiegel“-Kolumnist für die Photovoltaik entwickelt, der er in bester PR-Manier eine goldene Zukunft in Deutschland prophezeit, passend zur von Lobby und Regierung ausgerufenen Solaroffensive. Dass Stöcker zugleich eine bezahlte Anstellung als „Media Fellow“ beim stiftungsfinanzierten Hamburger The New Institute bis Ende 2022 hatte und dort in einem Essay die Solarenergie pries („The Sun will set us free“)? Verrät der „Spiegel“ den Lesern der Stöcker-Texte nicht. Wäre aber durchaus relevant: Denn Gründer und Finanzier der Einrichtung ist der vermögende Reeder und Unternehmer Erck Rickmers, der 2019 die Mehrheit des Photovoltaik-Dienstleisters greentech übernommen hatte und somit vom Solar-Boom wirtschaftlich profitiert.”
Dieser Stachel muss tief gesessen haben, anders ist der Artikel von Stöcker kaum zu erklären.
+++
Leserpost von Otto Glinzer:
im Blog vom 29.6.23 haben Sie einen Link auf einen bemerkenswerten Text von Michael Crichton veröffentlicht. Der Text wurde ursprünglich im Dezember 2002/Januar 2003 publiziert und resultiert vermutlich aus Crichtons Beschäftigung mit Klimawandel-Themen im Rahmen der Arbeit am 2004 auf den Markt gekommenen Roman „State of Fear“. Parallel dazu hat Crichton 2004 eine „Author’s Message“ publiziert, die man unter https://michaelcrichto.wpengine.com/works/state-of-fear-authors-message/ lesen kann. Ich habe sie auszugsweise von DeepL übersetzen lassen. Kennen Sie diesen mittlerweile 20 Jahre alten, aber immer noch aktuellen Text?
Michael Crichton (2004) – Botschaft des Autors von „Welt in Angst“
Ein Roman wie „Welt in Angst“ (State of Fear), in dem so viele unterschiedliche Ansichten zum Ausdruck kommen, kann den Leser dazu bringen, sich zu fragen, wo genau der Autor in diesen Fragen steht. Ich habe drei Jahre lang Umwelttexte gelesen, was an sich schon ein gefährliches Unterfangen ist. Aber ich hatte die Gelegenheit, mir viele Daten anzusehen und viele Standpunkte zu berücksichtigen. Meine Schlußfolgerungen (Auszug):
- Wir wissen erstaunlich wenig über jeden Aspekt der Umwelt, von ihrer Geschichte über ihren gegenwärtigen Zustand bis hin zur Frage, wie man sie erhalten und schützen kann. In jeder Debatte übertreiben alle Seiten den Umfang des vorhandenen Wissens und den Grad der Gewissheit.
- Das Kohlendioxid in der Atmosphäre nimmt zu, und der Mensch ist wahrscheinlich die Ursache.
- Außerdem befinden wir uns inmitten eines natürlichen Erwärmungstrends, der um 1850 begann, als wir eine vierhundertjährige Kälteperiode, die so genannte „Kleine Eiszeit“, hinter uns ließen.
- Niemand weiß, inwieweit der gegenwärtige Erwärmungstrend ein natürliches Phänomen sein könnte.
Niemand weiß, wie viel des derzeitigen Erwärmungstrends vom Menschen verursacht sein könnte. - Bevor teure politische Entscheidungen auf der Grundlage von Klimamodellen getroffen werden, halte ich es für vernünftig zu verlangen, dass diese Modelle die künftigen Temperaturen für einen Zeitraum von zehn Jahren genau vorhersagen. Zwanzig wären besser.
- Ich finde es ziemlich seltsam, dass jemand nach zweihundert Jahren solcher Fehlalarme noch immer an eine drohende Ressourcenknappheit glaubt. Ich weiß nicht, ob ein solcher Glaube heute am besten auf Unkenntnis der Geschichte, sklerotischen Dogmatismus, ungesunde Liebe zu Malthus oder schlichte Verbohrtheit zurückzuführen ist, aber er ist offensichtlich eine hartnäckige Größe im menschlichen Kalkül.
- Es gibt viele Gründe, von fossilen Brennstoffen wegzukommen, und wir werden dies im nächsten Jahrhundert auch ohne Gesetze, finanzielle Anreize, Programme zur Kohlenstoffeinsparung oder das endlose Gejammer von Angstmachern tun. Soweit ich weiß, musste niemand zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts den Transport mit Pferden verbieten.
- Die derzeitige fast hysterische Beschäftigung mit der Sicherheit ist bestenfalls eine Verschwendung von Ressourcen und eine Beeinträchtigung des menschlichen Geistes, schlimmstenfalls eine Einladung zum Totalitarismus. Öffentliche Aufklärung ist dringend erforderlich.
- Ich komme zu dem Schluss, dass die meisten Umwelt-„Prinzipien“ (wie die nachhaltige Entwicklung oder das Vorsorgeprinzip) darauf abzielen, die wirtschaftlichen Vorteile des Westens zu erhalten, und somit einen modernen Imperialismus gegenüber den Entwicklungsländern darstellen. Es ist eine nette Art zu sagen: „Wir haben unseren, und wir wollen nicht, dass ihr euren bekommt, weil ihr zu viel Umweltverschmutzung verursachen würdet.
- Das „Vorsorgeprinzip“, richtig angewandt, verbietet das Vorsorgeprinzip. Es ist selbstwidersprüchlich. Das Vorsorgeprinzip darf also nicht zu hart formuliert werden.
- Ich glaube, dass die Menschen gute Absichten haben. Aber ich habe großen Respekt vor dem zersetzenden Einfluss von Voreingenommenheit, systematischen Denkverzerrungen, der Macht von Rationalisierungen, dem Deckmantel des Eigeninteresses und der Unvermeidlichkeit unbeabsichtigter Folgen.
- Ich habe mehr Respekt vor Menschen, die ihre Ansichten ändern, nachdem sie neue Informationen erhalten haben, als vor denen, die an Ansichten festhalten, die sie vor dreißig Jahren hatten. Die Welt verändert sich. Ideologen und Eiferer tun das nicht.
- Wir brauchen dringend einen unparteiischen, verblindeten Finanzierungsmechanismus für die Durchführung von Forschungsarbeiten, um eine angemessene Politik zu bestimmen. Wissenschaftler sind sich nur zu bewusst, für wen sie arbeiten. Diejenigen, die die Forschung finanzieren – sei es ein Arzneimittelhersteller, eine Regierungsbehörde oder eine Umweltorganisation – haben immer ein bestimmtes Ergebnis im Auge. Die Forschungsfinanzierung ist fast nie unbefristet oder unvoreingenommen. Wissenschaftler wissen, dass die Fortsetzung der Finanzierung davon abhängt, dass sie die von den Geldgebern gewünschten Ergebnisse liefern. Folglich sind die „Studien“ von Umweltorganisationen genauso voreingenommen und verdächtig wie die „Studien“ der Industrie. Die „Studien“ von Regierungen sind ähnlich voreingenommen, je nachdem, wer gerade die Abteilung oder Verwaltung leitet. Keine Fraktion sollte einen Freifahrtschein erhalten.
- Ich bin mir sicher, dass es zu viel Gewissheit auf der Welt gibt.