Von Frank Bosse
Wir hatten vor einigen Tagen über den Stand der Schmelzsaison des arktischen Meereises im Jahre 2025 berichtet, ebenfalls über den Kontext der letzten 40 Jahre. Es fiel sofort auf, dass sich seit mindestens 18 Jahren die Eisausdehnung zum Minimum im September praktisch nicht geändert hat. Wir berichteten auch, dass eine Arbeit sich dieser Sache annahm und ebenfalls keine endgültige Antwort nach dem „Warum“ liefern konnte.
Nun erschien eine weitere zum Thema: England et al. (2025) versucht des Rätsels Lösung. Sie stellt zunächst fest, dass der oben beschriebene „Stillstand“ der Eisausdehnung statistisch bis zurück nach 2005 nachzuweisen ist und dass daraus eine überraschende Schlussfolgerung zu ziehen ist:
„The key point, we emphasize, is that these trends are not statistically significantly different from zero at a 95% confidence level.“
Die Autoren beziehen sich auf 20-Jahrestrends, der letzte also von 2005-2024, der nicht signifikant nach unten weist. Ein Blick auf die bisherige Saison 2025 bei der Eisausdehnung lässt erkennen: Wir sprechen inzwischen über 21 Jahre, denn auch heurig werden wir keine geringere Ausdehnung sehen als im Rekordjahr 2012, womöglich sogar höher als die von 2007. Die aktuelle Schätzung ist 4,3+-0,16 Mio. km², das bedeutet: Es wird wohl mehr Eis werden als damals, es waren mit täglichen Daten 4,15 Mio. km²!
Auch diese Studie stellt die Frage nach dem warum. Die Autoren haben sich zur Beantwortung bei Klimamodellen bedient. Sie finden:
„Consistent with previous studies … we find that nearly all models can simulate reductions in September Arctic Sea ice area smaller than observed during the period 2005–2024.“
Nur Modelle mit unrealistisch hoher Empfindlichkeit gegenüber Antrieben können das nicht, fallen also beim arktischen Eis durch, da nicht konsistent zu den Tatsachen.
Wie das? Wir sahen doch noch im Dezember 2024 eine Studie, die mit den gleichen Modellen eine „eisfreie September Arktis“ bereits im Jahre 2027 „zauberte“? Über die Probleme damit hatten wir ebenfalls unterrichtet.
Auch diese Arbeit (damals medial „natürlich“ sehr beachtet) verwendete die gleichen Klimamodelle wie die aktuelle, die den so langen Stillstand des Eises erklären will. Allerdings suchte sie gerade Modelle aus (z.B. das Kanadische mit nahezu „astronomischer“ Empfindlichkeit), die besonders viel Wärme produzierten und die England et al. (2025) ausschließen musste.
Man kann also, so die Lehre, immer Modelle finden, die alle möglichen, auch scheinbar diametralen Thesen bestätigen: Einmal besonders viel Schmelzen, das eine eisfreie Arktis schon in 2 Jahren nicht ausschließt, ein anderes Mal über mehr als 20 Jahre gar keinen Eisverlust!
„Ob vielleicht das Instrumentarium „Klimamodelle“ ungeeignet ist für den Zweck?“
Das wäre eine Frage, die sich der unbefangene Beobachter stellen könnte.
England et al. (2025) jedenfalls folgern mit genau diesem Instrumentarium:
„If model simulations are accurate, the recent pause may plausibly continue for an additional five to 10 years. However, this pause also heightens the risk of a more rapid decline in sea ice cover in the coming years.
Nearly all models analyzed suggest an important role for internal climate variability in slowing the anthropogenically-forced sea ice loss.”
Aha! Es ist schlicht interne Variabilität! Das ist etwas, womit Modelle IMMER ihre Schwierigkeiten haben. Ihre innere Struktur versucht stets, die Wirkung der Antriebe auf Klimaparameter zu antizipieren, die interne Variabilität bleibt immer eine grobe Schätzung. Dabei subsummiert der Begriff “interne Variabilität” ALLE Einflüsse, die NICHT auf die bekannten Klima-Antriebe zurückzuführen sind, also z.B. Ozeanströmungen, Wolken-Variationen (nicht als Antwort auf Antriebe) usw. Die reale, aber kurze Antwort auf des “Warum” beim Stillstand des arktischen Meereises in England et al. 2025 also frei präpariert: Achselzucken! So viele Studien-Seiten dafür?
Wenn diese Variabilität auch beim arktischen Meereis solch eine große Rolle spielt, dann wären die bisher verwendeten Klimamodelle schlicht ungeeignet für den Job.
Das bestätigt eine sehr lesenswerte aktuelle Studie vom März 2025, die sich mit historischen Aspekten der Eisbedeckung in der Arktis beschäftigt. Dabei vergleicht sie “Proxy-Daten” (gewissermaßen “kalibrierter Beobachtungen-Ersatz”) mit modernen Klimamodellen. Sie stößt dabei auf große Widersprüche bei kürzeren Zeiträumen (wie es nun mal im historischen Kontext ein Zeitraum von bis zu 30 Jahren Länge ist wie der von 1995-2025) und empfiehlt am Ende:
“Therefore, studying sea-ice history of a particular region should ideally be based on several sea-ice proxy-based reconstructions.”
Auch die mittelalterliche Wärmeperiode (besonders im hohen Norden gekennzeichnet durch eine markante Erwärmung) zeichnet sich KAUM in der arktischen Eisbedeckung ab wie sie aus Proxys rekonstruiert werden kann. Demgegenüber finden Modelle da schon einen deutlichen Rückgang, sie transformieren schlicht einen Antrieb durch damals leicht andere Erdbahnparameter. Vorsicht also vor zu viel “Modellglauben” in der Arktis!
Das findet auch eine Studie aus 2025, die mit Bezug auf die Arktis das Modellverhalten als „right from the wrong reasons“ charakterisiert. Also sinngemäß: Da fehlt es an Substanz.
Schlussfolgerung: Alle Arbeiten, die mit Klimamodellen und ihrer hohen Abhängigkeit der Ergebnisse von Antrieben wie CO2 und Aerosole irgendetwas „finden“ beim Meereis sind so ziemlich sinnlos, wenn man auf Erhellung bei relativ kurzen betrachteten Zeiträumen hofft.
Man ahnte es schon irgendwie. Wie viel Mittel der Förderung, Zeit und Mühe sind in die unzähligen veröffentlichten Arktiseis- Studien unter tätiger Mithilfe von Klimamodellen geflossen und in die Modelle selbst? Gute Frage!