Einen Bock zum Gärtner machen ist ein geflügeltes Wort im Deutschen. Es bedeutet den denkbar ungeeignetsten Kandidaten mit einer Aufgabe betrauen. Das ukrainische Energie-Unternehmen Ukrenergo beruft den wegen einer Filzaffäre in Deutschland geschassten Patrick Graichen in den Aufsichtsrat. Eine Kampagne für die Anonymen Alkoholiker mit Harald Juhnke als Testimonial wäre in etwa genauso überraschend gewesen. Graichen gilt als Hasser der Kernenergie und er soll nun ein Unternehmen beaufsichtigen, das stark auf die Kernenergie setzt? Soll Graichen nun auch die Ukraine ins Energie-Abseits führen? Oder ist das ein Versorgungsposten? Aus der übersetzten Pressemeldung:
Das Ministerkabinett genehmigte die Kandidaturen von vier neuen Mitgliedern des Aufsichtsrats des NEC „Ukrenergo“. Sie waren Patrick Roland Graichen, Luigi de Francisco, Jeppe Sebastian Kofod und Jan Henrik Montell, der Pressedienst des Energieunternehmens berichtete am 27. November. „Wir begrüßen den schnellen Abschluss der Auswahl der unabhängigen Mitglieder des Aufsichtsrats von NEC Ukrenergo. Das Niveau der internationalen Unterstützung, das für Energieingenieure äußerst notwendig ist, um Restaurierungsarbeiten durchzuführen, Schutz von Umspannwerken unter Kriegsbedingungen und die ständige Gefahr von Beschuss zu bauen, hängt davon ab“, sagte Oleksiy Brecht, amtierender Vorstandsvorsitzender von NEC „Ukrenergo“. Es wird darauf hingewiesen, dass die Suche nach Kandidaten von der internationalen Firma Korn Ferry durchgeführt wurde. Das Unternehmen sagte, dass der Aufsichtsrat insbesondere Folgendes umfassen wird: Patrick Roland Graichen ist ein europäischer Experte für Klima und Energie. Zuvor war er als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz tätig, wo er eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung nationaler Energiestrategien spielte…
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Wir haben kürzlich auf das Buch von Professor Ganteför hingewiesen. Zu seinem Buch erstellte Professor Ganteför Videos. Eines beschäftigt sich mit dem prognostizierten Klima der Zukunft. Im Zuge des Videos hat er sich dazu auch die sogenannten Burning Ember Stripes angesehen. Das sind farblich Balken, die Szenarien für verschiedene Bereiche beschreiben. Rechts eine Skala mit bestimmten Erwärmungen und dann für jeden Bereich die Auswirkungen. Niedriges Risiko ist gelb, hohes Risiko violett. Ein Beispiel:
Ganteför schaute sich zwei Bereiche an: Baumsterblichkeit und Korallensterblichkeit. Er staunte nicht schlecht, was die Stripes den beiden Thema prognostizierte. Sowohl die Bäume als auch die Korallen sollen demnach verschwinden, und das bereits bei einem Temperaturanstieg von 2 Grad. Das allerdings passt nicht zu Korallenfunden aus der Jurazeit, als es 8 Grad wärmer auf der Erde war. Vor 90 Millionen Jahren wuchsen bei der höhere Temperatur Bäume in der Antarktis.
Wo kommen also die Erkenntnisse für die Ember-Stripes her? Die verblüffende Antwort: Es gibt keinen genauen Ursprung dafür, also keine Studien oder ähnliches. Irgendwie habe sie es aber dennoch in die Zusammenfassung für Entscheidungsträger geschafft. Sie entsprechen einer subjektiven Einschätzung von Forschern. Welche das sind und was die Basis der Einschätzung war, bleibt unklar.
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Auch das ist eine Leistung. Das ZDF-Magazin Aspekte widmet dem Klima eine ganze Sendung. Nun gut, wir gönnen dem Moderator und seinem Team einen Trip nach Baku, weil nur dort kann man Interviews führen, da lohnt sich der weiteste Weg und auch die Emissionen durch den Flug. Aber die Auswahl der Interviewten ist interessant.
Es startet mit dem ZDF-Meteorologen Özden Terli, dann kommt die Schriftstellerin und Klima-Aktivistin Stefanie di Velasco, die bezeichnenderweise in einem ziemlich heruntergekommenen Haus lebt, bis hin zu Aktivisten in Baku, dazu gehört die Sprecherin der Deutschen Klima-Allianz Christiane Averbeck. Aber auch die (Noch)-Staatssekretärin Morgan und Christian Stöcker kommen zu Wort.
Vorher werden noch Fluggäste befragt, in der Hoffnung denen ein schlechtes Gewissen zu verpassen, was aber irgendwie nicht geklappt hat.
Das Ganze hat doch eine erhebliche Schlagseite, aber es sollte vermutlich auch gar nicht um Ausgewogenheit gehen. Die Botschaft ist eine andere: Begreift es doch endlich, wir sind dem Untergang geweiht, hört auch Fleisch zu essen und fliegt nicht mehr so oft. Wo sich dann der Kreis zu Baku schließt. Die Sendung ist noch bis zum 29.11.2025 in der ZDF-Mediathek zu sehen.
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Auch die Leipziger Zeitung verweigert das Denken. Sie übernimmt das Narrativ, dass Wälder Kohlenstoff-Emittenten sind.
Wir hatten einen Artikel zu einer dubiosen Studie Anfang November 2024.Die Studienersteller hatten es tatsächlich geschafft aus einer Reihe vom fluktuierenden Datenpunkt sind zwei Datenpunkte herauszusuchen und Rückschlüsse daraus zu ziehen.
Dennoch gibt es auch Lichtblicke: Laut der Bundeswaldinventur hat die Strukturvielfalt der Wälder zugenommen. Mischwälder machen inzwischen 79 Prozent der Fläche aus, und 77 Prozent der Waldflächen sind mehrschichtig aufgebaut.
Auch Sachsens Waldzustandsbericht vom 8. Oktober gibt Anlass zur Hoffnung. „Sachsens Wälder sind auf einem guten Weg. Beim Waldumbau kommen wir gut voran; unsere Wälder werden immer vielfältiger und ökologisch wertvoller. Dabei haben wir in den letzten Jahren nochmal eine Schippe draufgelegt“, kommentierte Forstminister Wolfram Günther (Bündnis 9 /Die Grünen) die Ergebnisse.
Die Frage, ob und wann der Wald wieder zur Kohlenstoffsenke werden könnte, bleibt aber weiterhin offen.
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Harrison Tasoff, University of California – Santa Barbara:
Historic iceberg surges offer insights on modern climate change
A great armada entered the North Atlantic, launched from the cold shores of North America. But rather than ships off to war, this force was a fleet of icebergs, and the havoc it wrought was on the ocean current itself.
This scene describes a Heinrich Event, or a period of rapid iceberg discharge from the Laurentide Ice Sheet during the last glacial maximum. These episodes greatly weakened the system of ocean currents that circulates water within the Atlantic Ocean. The Atlantic Meridional Overturning Circulation, or AMOC for short, brings warm surface water north and cold deep water south. This oceanic conveyor belt is a major component of the global climate system, influencing marine ecosystems, weather patterns and temperatures.
It’s also regarded as a potential tipping element of the Earth’s climate, meaning that a tiny perturbation could push the system to a point of no return.
„That’s why a lot of people are worried about a potential collapse of the AMOC,“ said Yuxin Zhou, a postdoctoral researcher in UC Santa Barbara’s Department of Earth Science. A weakened AMOC would have a global impact, dropping temperatures in the northern hemisphere and raising them in the south. We’d see dramatic cooling in western Europe and eastern North America, and changes in the tropical rain belt that impact the Amazon and central Africa.
Zhou compared the rate of icebergs coming from the Greenland Ice Sheet to ice flux during Heinrich Events, the last time the AMOC collapsed. He found that as Greenland’s ice sheet retreats inland, its iceberg calving will likely not persist long enough to completely derail the Atlantic circulation. That said, increased freshwater runoff and continued global warming remain threats to the circulation’s stability.
The results appear in the journal Science.
„I think that sometimes people are in such despair about the future of the climate that they just give up,“ Zhou said. „This study is saying that there is still hope, and we should act with that in mind.“
The North Atlantic is the lynchpin of the AMOC. This is where surface water chills and sinks to the deep ocean, driving this marine conveyor belt, which is a component of the global current system. Adding cold freshwater to the North Atlantic can disrupt this process, a frightening prospect for human society.
Scientists have a number of ways to predict how the AMOC will evolve in the future, including modern observations, statistical analyses and computational models. But the ocean is vast and complex, making it difficult to capture many of its nuances in studies.
Zhou went back in history to study the most recent period when the AMOC was severely weakened—from 68,000 to 16,000 years ago, during the last glacial period. During cooler periods there is more water locked up in ice sheets, creating a reservoir for quickly flushing the ocean with freshwater in the form of icebergs or runoff. Scientists called these episodes Heinrich Events when they came from the Laurentide Ice Sheet.
„Today it does not exist. But it used to cover northern North America and was kilometers thick in New York City,“ Zhou said.
Comparing these Heinrich Events to current melting in Greenland enabled Zhou to predict how current trends might change the AMOC in the future. Icebergs bring larger sediment out to sea than water or wind, a signature that geologist Hartmut Heinrich noticed in seafloor cores in the North Atlantic.
To estimate how much ice each Heinrich Event released, Yuxin analyzed the amount of thorium-230 found in these sediments. This radioactive element is formed from the decay of naturally occurring uranium in seawater. Unlike uranium, thorium doesn’t dissolve well in water, so it precipitates on particles in the water column. Because thorium-230 is produced at a steady rate, more sediment flux dilutes its concentration. Working in reverse: Less thorium means more sediment raining down, carried by more icebergs.
While this technique has been used before, Zhou is the first to compare the melting rate of icebergs during Heinrich Events to current trends and projections for Greenland’s ice sheet. Zhou discovered that Greenland’s predicted ice outflow is on par with a mid-range Heinrich Event. And what are the effects of a mid-range Heinrich Event?
„Dramatic,“ Zhou replied. „It can be bad.“
„This is surprising, and people should be worried. But—and this is a big ‚but’—during Heinrich Events, the AMOC was already moderately weakened before all the icebergs came in,“ he said. „In contrast, the circulation is very vigorous right now.“ This difference in initial state is cause for some relief.
Heinrich Events also lasted for tens to hundreds of years. In contrast, the industrial revolution only began around the late 18th century, with carbon emissions ramping up much later. „It is possible that we simply haven’t screwed up badly enough for long enough for it to really mess up the AMOC,“ Zhou remarked.
There’s another nuance to the story. Not all melting has the same effect on the Atlantic circulation. Freshwater released as icebergs has a much larger impact on the AMOC than runoff, which is released after melting on land. Icebergs can cool the surrounding seawater, causing it to freeze into sea ice. Ironically, this ice layer acts as a blanket, keeping the ocean surface warm and preventing it from plunging down to the depths and driving the Atlantic circulation. What’s more, icebergs travel much farther out to sea than runoff, delivering freshwater to the regions where this deepwater formation occurs.
Scientists on the Intergovernmental Panel on Climate Change predict that the AMOC will weaken moderately over the 21st century, a trend similar to the effects of a Heinrich Event. However, Greenland’s ice discharge is projected to dwindle by that time as its ice sheet melts. This will cause its glaciers to recede inland, meaning they melt on land and release freshwater runoff rather than icebergs.
„This presents a tug of war between these two factors: the more disruptive but decreasing ice discharge and the less effective but accelerating runoff,“ Zhou explained. „It’s going to be a competition, and the interplay between the two will determine the future of the AMOC.“
Zhou hopes to study the factors that caused Heinrich Events in the future. Some research suggests that each episode was preceded by ice discharge in the Pacific Ocean from the smaller Cordilleran Ice Sheet. Although this ice sheet hasn’t left any remnants, Zhou believes studying these Siku Events, as the latter are known, could provide more insight into global ocean circulation.
He’s also interested in the sediments around Antarctica. While Greenland’s location causes it to dominate the AMOC, the southern ice sheet is much larger, meaning it could have a greater influence on global sea level and salinity. Further, the West Antarctic Ice Sheet is marine based, making it more susceptible to a feedback loop that could induce runaway melting. Zhou believes that applying the methodologies in this study to the Antarctic ice sheets could provide a better understanding of their future evolution and impacts.
„We have a lot of anxiety about how fast climate change is happening and how dramatic the changes could be,“ Zhou said. „But this is a piece of good climate news that hopefully will dissuade people from climate doomism, and give people hope, because we do need hope to fight the climate crisis.“
Paper: Yuxin Zhou et al, Heinrich event ice discharge and the fate of the Atlantic Meridional Overturning Circulation, Science (2024). DOI: 10.1126/science.adh8369.