Die zwei Sichtweisen auf Gerichte

Wir dürfen dieser Tage die zwei Auffassungen kennenlernen, was Gerichte angeht. Gerichte werden bejubelt, wenn sie wie vor Kurzem Schweizer Senioren das Recht auf Klimaschutz zusprechen. Das Urteil ist insofern bemerkenswert, weil die Beklagte kaum eine Möglichkeit hat, ihm zu folgen. Weder Emissionen noch Wärme oder Feuchtigkeit machen an Landesgrenzen halt. Er erinnert an die Taktik der Deutschen Umwelthilfe DUH, die für Dieselfahrverbote kämpfte und Urteile erstritt. Kaum waren die da, sanken die Schadstoffe in der Luft leider nicht. Der Grund: Ab dem Herbst wurden die Kamine mit Holz befeuert. Etwas, was die DUH aktiv fördert unter dem Label Clean Energy.

Es ist also eine Art Gelddruckmaschine, gerichtlich bestätigt und die betreffenden Städte haben im Grunde keine Chance. Sie dürfen brav zahlen, der Closed Shop DUH fleißig kassieren und munter durch die Welt fliegen. Gerichte, die Politik betreiben, sind also etwas Gutes, auch wenn das nach dem Prinzip der Gewaltenteilung eigentlich gar nicht deren Aufgabe ist. Axel Bojanowski kommentiert in der Welt solche Gerichtsurteile in einem Bezahlartikel.

“Übertragen auf Deutschland bedeutete das Urteil, dass unser CO2-Budget bereits verbraucht wäre. Laut dem Verfassungsgerichtsurteil blieb Deutschland gemessen an aktuellen Emissionen immerhin noch eine Frist von rund zehn Jahren, um auf null CO2-Ausstoß zu kommen – ein Ziel, das jeden Realitätssinn vermissen lässt. Solch radikale Umstellung der Energieversorgung, des Verkehrs, der Industrie, der Landwirtschaft würde jedes Land heillos überfordern. Sechs Billionen Euro wären nötig, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, rechnete McKinsey 2021 aus, pro Jahr also 240 Milliarden Euro. Dem Verlust an Wohlstand steht dabei kein direkter Gewinn gegenüber, denn Klimaschutz einzelner Länder verändert das Klima nicht messbar. Dafür schwindet mit dem Wohlstand aber der Einfluss, den Klimawandel zu bremsen: Nur wohlstandsfördernde Energiepolitik würde international Nachahmer finden.”

Kommen Gerichte allerdings ihrer eigentlichen Aufgabe nach, werden sie verspottet. So geschehen in Frankfurt als angeklagte Klimaaktivisten wie zum Karneval verkleidet vor Gericht erschienen. FAZ:

“Als der Angeklagte den Saal betritt, ist klar, mit welcher Haltung er an diesem Prozess teilnehmen wird. In ei­nem Ganzkörper-Giraffenkostüm nimmt der 32 Jahre alte Aktivist Platz. In seiner Einlassung nennt er den Prozess kurz darauf einen „Gewitz­termin“. In den voll besetzten Zuschauerreihen sitzt eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Schoß, die einen Luftballon in ihren Haaren festgebunden hat. Ne­ben ihr stillt eine andere Frau während der Verhandlung ihr Baby. Andere tragen Glitzerhut, übergroße Fliege und pinkfarbene Plastikbrille. Die Zuhörer, bis auf ein paar Journalisten sind es Unterstützer des Angeklagten, packen Essen aus und teilen es untereinander, als wären sie beim Picknick und nicht bei einer Gerichtsverhandlung.”

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Aktivisten haben es ohnehin schwer dieser Tage. Einige haben sogar ein Burnout, wie die Frankfurter Rundschau berichtet.

“Seit fünf Jahren ist Luca Barakat bei Fridays for Future aktiv, ist also fast von Anfang an dabei gewesen. Fridays for Future wurde 2023 fünf Jahre alt. Der 18-Jährige hatte schon immer einen Drang, mitzugestalten. Dass das nicht einfach nur so dahergesagt ist, wird auch an dem beträchtlichen Arbeitspensum deutlich, dass Barakat zusätzlich zum Beruf – und früher zur Schule – bewältigt. Seiner eigenen Schätzung nach investiert er pro Woche etwa 60 Stunden in seinen Aktivismus. Das ist mehr als ein Vollzeitjob.”

Warum der Zeitung nicht einfiel die Zahl von 60 Stunden (neben Beruf und Schule) einfach einmal zu hinterfragen, bleibt rätselhaft. Es sind bei 7 Tage täglich mehr als 8 Stunden. Oder wurde der Aktivist finanziert und hat es im Vollberuf gemacht?

Dazu passt eine Meldung der SZ. Klimaaktivisten haben demnach nicht viel geändert, anders ist lediglich, dass kein Klebstoff mehr verwendet wird. Die Polizei in Berlin scheint aber gelernt zu haben.

“Mehrere Aktivisten der Letzten Generation haben am Samstagvormittag versucht, die Frankfurter Allee in Berlin zu blockieren. Einsatzkräfte der Polizei verhinderten eine Blockade durch “wegschieben und wegdrücken” der etwa 40 Aktivisten, wie eine Polizeisprecherin am Samstag mitteilte. Die Letzte Generation sprach in einer Mitteilung von “Gewalt und Repression” vonseiten der Polizei.”

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Moore können ein wichtiger Faktor als Kohlenstoffsenke sein. Die Tagesschau thematisiert das Spannungsfeld von Wiedervernässung und Landwirtschaft.

“Gegen die Wiedervernässung gibt es aber Widerstände von Landwirten. Hermann Buhrmester aus Hille hat direkt neben dem Großen Torfmoor einige trockengelegte Wiesen, auf denen er Gras für seine rund 250 Rinder anbaut. Der Landkreis Minden-Lübbecke würde gerne auch seine Flächen unter Wasser setzen.

“Das würde bedeuten, dass ich diese Flächen wahrscheinlich nicht mehr für meine Milchviehherde nutzen könnte”, sagt Landwirt Buhrmester. Die Gräser, die dann im nassen Moor wachsen würden, seien minderwertig. Außerdem könne er das Gebiet wohl kaum mehr mit seinen Maschinen befahren und die Wiese damit auch nicht mähen, so Buhrmester. Sollte er seine Flächen verlieren, müsste er das Futter für seine Kühe teuer einkaufen. Dann stünde sogar die Zukunft seines Hofes auf dem Spiel.

Dem Klimaschutz wolle er überhaupt nicht entgegenstehen, sagt Buhrmester. Er dürfe als Landwirt aber nicht damit alleine gelassen werden: “Wenn die Gesellschaft will, dass wir Moore wiedervernässen, dann muss die Gesellschaft das auch finanziell unterstützen.” Als Ausgleich brauche er entweder Geld oder Ersatzflächen.

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Radikale Ideen gesucht, so titelt die Zeit. Es geht um Geoengineering, nachdem der Artikel vorher schon das Klima in dunkelsten Farben gezeichnet hat.

“Geoengineering heißt das Schlagwort, gemeint sind radikale Eingriffe in das Klima der Erde. Riesige Spiegel im Weltraum zum Beispiel, die das Sonnenlicht reflektieren. Massenhaft künstliche Bäume, die mehr Treibhausgase aus der Luft filtern können als echte. Eine “Düngung” der Ozeane mit Eisen, um das Algenwachstum zu stimulieren und Kohlendioxid im Meer zu versenken. Schwefelpartikel, die in die Stratosphäre geballert werden, um Sonnenstrahlung zu absorbieren.

Was, wenn Nordkorea mit dem Klima zu spielen beginnt?

Keine dieser Ideen ist neu. 2006 durfte ich als Praktikantin im Wissenschaftsressort des Spiegels meinen ersten Artikel über den Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen schreiben, der davon träumte, Tausende Ballons mit Schwefelteilchen in die Stratosphäre aufsteigen zu lassen. Crutzens Kollegen reagierten damals mehrheitlich entsetzt – denn die Folgen solcher Eingriffe können, je nach Technologie, potenziell die ganze Welt treffen.”

Zum gleichen Thema gibt es einen Artikel bei der New York Times. Es geht um Versuche in den USA, Wolken aufzuhellen, damit diese Sonnenstrahlen reflektieren und die Temperaturen auf der Erde senken.

“It was the first outdoor test in the United States of technology designed to brighten clouds and bounce some of the sun’s rays back into space, a way of temporarily cooling a planet that is now dangerously overheating. The scientists wanted to see whether the machine that took years to create could consistently spray the right size salt aerosols through the open air, outside of a lab.

If it works, the next stage would be to aim at the heavens and try to change the composition of clouds above the Earth’s oceans.

As humans continue to burn fossil fuels and pump increasing amounts of carbon dioxide into the atmosphere, the goal of holding global warming to a relatively safe level, 1.5 degrees Celsius compared with preindustrial times, is slipping away. That has pushed the idea of deliberately intervening in climate systems closer to reality.”

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