Günstiger Grüner Strom, Wunsch oder Wirklichkeit?

Gleich mehrere Experten äußern sich dieser Tage zu dem Thema Strompreise. In der Berliner Zeitung nimmt sich der Umweltökonom Manuel Frondel vom RWI Essen die Rechnungen bzw. Planungen vor.

“Aber auch der darin vorgesehene Bau von zehn Gigawatt an neuen Erdgaskraftwerken würde die Strompreise wohl kaum verringern, denn die Stromerzeugung mit Erdgas ist wegen höherer Brennstoffkosten teurer als mit Kohle – besonders dann, wenn dafür teures, unter hohem Energieaufwand produziertes Flüssigerdgas, oder LNG, eingesetzt werden muss, das per Tanker importiert wird. Noch weitaus teurer wird die Stromproduktion in Gaskraftwerken, wenn einst grüner Wasserstoff statt Erdgas dazu verwendet werden soll, so wie dies die Kraftwerksstrategie ab dem Jahr 2035 vorsieht. Selbst wenn grüner Wasserstoff bis dahin in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen sollte, wäre die Stromerzeugung damit mehr als doppelt so teuer wie der grüne Strom, der zur Wasserstoffherstellung verwendet wird, denn bei der Umwandlung grünen Stroms in Wasserstoff geht über die Hälfte an Energie verloren. Daher gilt es, solche Ineffizienzen möglichst zu vermeiden, indem der grüne Strom unmittelbar verwendet wird, anstatt damit über den Umweg Wasserstoff erneut grünen Strom zu erzeugen. Die Kraftwerksstrategie sieht indessen genau diese Ineffizienz als einen zentralen Baustein der künftigen Stromerzeugung vor.”

In die gleiche Richtung geht die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die eine Studie zu dem Thema verfasst hat. Im Grunde sagt sie, dass der durch die Erneuerbaren Energien benötige Ausbau der Infrastruktur enorme Kosten hervorruft, die letztlich bezahlt werden müssen. Eine Betrachtung nur der Entstehungskosten greift zu kurz. Den Rattenschwanz an Kosten muss man stets mitbedenken.

“Als Fazit zeigt sich, dass in allen dargestellten Szenarien die Kosten deutlich oberhalb der typischerweise diskutierten LCOE Erneuerbarer Energien liegen und die Diskrepanz zwischen LCOE und den durchschnittlichen Stromkosten in Zukunft größer werden dürfte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die üblichen LCOE-Berechnungen die Kosten nicht berücksichtigen, die komplementär zu den erneuerbaren Energien aufgebracht werden müssen. Denn unabhängig von dem realisierten Zubau an Erneuerbaren muss stets Kapazität vorgehalten werden, um die Nachfrage zu befriedigen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Die Berechnungen machen deutlich, dass auch abseits des Ausbaus der Erneuerbaren umfangreiche und auch kostspieliger Handlungsbedarf existiert, der nicht in den Hintergrund treten darf, wenn man die Klimaziele erreichen will. „Die Analyse der Stromkosten lässt zwar keinen direkten Rückschluss auf die Preise zu. Klar ist aber: irgendjemand muss die Kosten tragen. Entweder die Verbraucher über die Strompreise oder die heutigen beziehungsweise zukünftigen Steuerzahler, wenn Teile aus dem Staatshaushalt finanziert werden. Zum Beispiel, wenn man einen großen Teil der notwendigen Gas- und Wasserstoffkraftwerke staatlich fördert oder sie außerhalb des Marktes betreibt“, erläutert Veronika Grimm „Wir haben mit dem Policy Brief versucht, die Zusammenhänge sehr nachvollziehbar zu machen und dafür vereinfacht. Unsere Hoffnung ist es, so die Diskussion über diese wichtigen Aspekte anzustoßen und die Debatte zu versachlichen.“”

Dazu passt inhaltlich ein Artikel in der Tagesschau, ein Jahr nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke in Deutschland. Dieser ist eigenartig unkritisch. Dort kommt Bruno Berger vom Fraunhofer Institut ISE zu Wort, der offenbar wirklich denkt, dass man mit Batterien den Wegfall gesicherter Leistung kompensieren kann. Kosten spielen beim Fraunhofer Forscher Berger demnach keine Rolle, Kapazitäten und Rohstoffe auch nicht. Negative Preise sind ebenfalls kein Thema, dabei werden die mit fortschreitendem Ausbau vermehrt kommen. Sie hören sich so nett an, sind aber das Gegenteil von nett, nämlich sehr böse da sehr teuer. Außer für die Abnehmer des Stroms im Ausland. Die freuen sich und können das Glück kaum fassen, dass die deutsche Energiewende für sie bereithält.

“Ein weiterer Aspekt ist laut Burger der Rückgang der sogenannten gesicherten Kraftwerksleistung. Damit wird die Summe der Stromerzeugung ohne die fluktuierenden erneuerbaren Quellen angegeben. Denn der Wind weht nicht konsistent, die Sonne scheint auch nicht immer gleich viel. Dazu kommt laut Burger die Abschaltung von Kohlekraftwerken im März, die im Zuge der Energiekrise aus der Reserve zurückgeholt worden waren. Diese Frist endete im März. Durch das Abschalten dieser Kohlekraftwerke gehe die gesicherte Kraftwerksleistung zusätzlich zurück, erläutert Burger. “Auf der anderen Seite kommen jetzt zunehmend Batteriespeicher, auch große Batteriespeicher, ins Netz, die dann auch wieder einspringen können, parallel zu den Pumpspeichern, so dass ich jetzt da noch kein Defizit sehe”, ergänzt der Energieexperte. Hauke Hermann, Energieexperte am Öko-Institut, sieht das ähnlich. Er sagt: “Die Stromversorgung hängt nicht an einzelnen Kraftwerken, sondern wird über die Mechanismen des Strommarktes und die bereits vorhandenen Reservekraftwerke sichergestellt.””

Die Diskussion ist momentan sehr schräg. Da werden Großhandelspreise bejubelt, die aber nur einen Teil der Stromkosten ausmachen. Gern vergessen wird auch, dass die EEG-Umlage mittlerweile steuerfinanziert ist, rechte Tasche – linke Tasche also. Optisch sieht das natürlich schick aus, es kostet dennoch viel Geld. Die Frage ist eher, wie sähe die deutsche Situation in Bezug auf den Emissionen aus, wenn Deutschland nicht aus der Kernenergie ausgestiegen wäre? Die Radiant Energy Group hat es simuliert und kommt auf 25% der Emissionen, die Deutschland in 2023 hatte. Das wäre ein echter Fortschritt gewesen, wäre…

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Wahnsinnig spannendes Thema der University of Alberta:

Collaboration between women helps close the gender gap in ice core science

A Perspective article published today in Nature Geoscience tackles the longstanding issue of gender representation in science, focusing on the field of ice core science.

Prior work has shown that despite progress toward gender parity over the past fifty years, women continue to be significantly underrepresented within the discipline of Earth sciences and receive disproportionately fewer opportunities for recognition, such as invited talks, awards, and nominations. This lack of opportunity can have long-term negative impacts on women’s careers.

To help address these persistent gender gaps, the study evaluates patterns related to women’s publication in ice core science over the past fifty years. The study was co-led by Bess Koffman of Colby College, USA, and Matthew Osman of Cambridge University, UK, and co-authored by Alison Criscitiello and Sofia Guest, both of the University of Alberta, Canada.

To assess relationships among gender, publication rate, and impact of coauthor networks, the study evaluates a comprehensive, global dataset of abstracts representing published work in ice core science spanning 1969 to 2021 in this historically male-dominated discipline. The article shows that the inferred gender gap in ice core science has declined from roughly 10:90% women:men in the 1970s to ~30:70% in the past decade. Contrasting with prior work across the sciences, the authors find that women’s and men’s co-author networks have remained similarly sized and been similarly cited through time. This finding may reflect the high degree of international cooperation and the large collaborative teams that are typical of the field of ice core science.

Importantly, the gender makeup of co-authors differs substantially for man vs. woman-led studies. Strikingly, within the past decade, woman-led studies have contained on average 20% more women coauthors than man-led studies, a difference found to be even greater in earlier decades.

Moreover, since the early 2000s, the analysis shows that women have outperformed by about 8% their estimated proportion within the ice core community in terms of publishing first-authored papers. The new analysis by Koffman, Osman, Criscitiello and Guest suggests that senior women in particular catalyze women’s participation in publishing, and that collaboration between women can help close gender gaps in science.

Paper: Bess G. Koffman et al, Collaboration between women helps close the gender gap in ice core science, Nature Geoscience (2023). DOI: 10.1038/s41561-023-01315-y

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