Einen der besten Artikel der letzten Zeit zum Thema Strompreise in Deutschland liefert Peter Seppelfricke bei Captital.de. Er zeigt sehr schön auf, wo die Argumentation in Sachen Energiewende hakt, wie sie falsch liegt, was sie besser ausblendet und welche Kosten uns wirklich erwarten.
“Aufgrund der hohen Volatilität müssen permanent flexible Back-up Strukturen bereitgestellt werden. Nach Berechnungen von Eventure werden 68 Gigawatt zusätzliche Kapazitäten benötigt, was Investitionen in neue Kraftwerke in Höhe von etwa 170 Mrd. Euro erfordert. Die Speicherung des Stroms mithilfe von Batterien ist derzeit noch keine Alternative, da sie im großen Stil noch nicht möglich ist und betriebswirtschaftlich höchstens eine Speicherung über einige Stunden sinnvoll erscheint. Überschlagsmäßig kann man kalkulieren, dass sich bei einer Verstetigung der Stromversorgung die Gestehungskosten des erneuerbaren Stroms in etwa verdoppeln”.
Das Fazit, das Seppelfricke zieht ist alles andere optimistisch. Er warnt vor Wohlstandsverlusten:
“Die deutsche Energiepolitik lügt sich deshalb in die Tasche, wenn man sinkende Börsenpreise (bzw. sinkende variable Kosten) als Maßstab für den Erfolg ansieht. Eine Teilkostenbetrachtung auf Basis von variablen Kosten ist Augenwischerei, da sie nur einen Bruchteil (circa 30 Prozent) der gesamten volkswirtschaftlichen Kosten ausmachen. Die übrigen Kosten müssen die Steuerzahler, die Konsumenten, die Eigentümer von Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt übernehmen. Die Regierung macht zudem den Fehler, dass sie als oberstes Ziel die Klimaneutralität ausgerufen hat. Mit der Optimierung eines Teilziels der Umweltverträglichkeit kommen andere Ziele (niedrige Kosten, Versorgungssicherheit, Schutz von Flora und Fauna etc.) beständig zu kurz. Diese einseitige Politik führt zu Wohlfahrtsverlusten.”
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Die ostdeutschen Regierungschef warnen vor Wasserstoff als Alternative zu Kohle. Montelnews:
“Woidke hinterfragte jedoch die Ansätze zum Thema Wasserstoff. Ein Großteil der bisherigen Investitionen scheine sich auf den Import zu konzentrieren und nicht genug auf die Unterstützung der lokalen Industrie, merkte er an. Auch die Auswirkungen auf die Kohleindustrie seien nicht zu übersehen. Die ostdeutschen Länderchefs warnten weiter davor, dass sie nicht bereit seien, den Forderungen der Regierung für 2030 nachzugeben. Dies geschehe nicht aus ideologischer Opposition, sondern weil Deutschland auch nach 2030 auf Kohle als Brennstoff angewiesen sei, hieß es. „2030 können wir streichen“, so Haseloff. „Das ist energiepolitisch völliger Nonsens. Es sei denn, wir fahren diese Volkswirtschaft an die Wand.“ Das Problem sei, dass die Kohleausstiegspläne wirtschaftlich nicht sinnvoll seien, sagte Woidke.”
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Das Streikrecht in Deutschland ist verbrieft. Allerdings auch, für welche Ziele gestreikt werden darf. Bei der Kooperation zwischen Fridays For Future (FFF) und der Gewerkschaft Verdi könnte es zu einer Situation gekommen sein, die vom Streikrecht nicht mehr gedeckt ist. Klimaschutz ist ein abstraktes Ziel und kein konkretes Anliegen wie mehr Gehalt oder weniger Arbeitszeit. Die NZZ zu dem Thema und dem Aberwitz, dass ein Streik des ÖPNV zu mehr Autos auf den Straßen führt und damit auch zu mehr Emissionen.
“Es ist schon schwer mit der Aufmerksamkeitsökonomie. In dieser ist Aufmerksamkeit bekanntlich ein knappes Gut und hart umkämpft. Themen, die gerade noch Konjunktur hatten, etwa der allgegenwärtige Klimawandel, erhalten angesichts einer drohenden Eskalation mit Russland weniger Interesse, als es sich so manch eine Aktivistin wünschen würde. Das ist möglicherweise der Grund, weshalb die Galionsfigur der deutschen Klimabewegung, Luisa Neubauer, auf einmal gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi zum Warnstreik aufruft. Die Anliegen der streikenden Gewerkschaft sind eindeutig: neue Tarifverträge, bessere Arbeitsbedingungen. Doch die von Neubauer sind ungleich schwammiger. Nach eigener Aussage geht es der «Fridays for Future»-Wortführerin dabei um die «Verkehrswende». Die ist in Berlin bereits am Donnerstag zu beobachten: Die Strassen sind wegen nicht fahrender Busse und Bahnen voll – mit Autos. Geht es hier wirklich um die von Neubauer stets beschworene «Klimakrise»?
Naheliegender ist dann doch, dass Neubauer ein anderes Thema bewirtschaftet als die möglichst emissionsreduzierte Mobilität: den Hype um ihre eigene Person.”
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Klima-Aktivisten der “Letzten Generation” wollen sich nicht mehr festkleben. Von Beschmieren haben sie aber nichts gesagt. Jetzt war das Kanzleramt dran. RBB:
“Nach Angaben der Aktivisten malten mehrere Menschen den Schriftzug „HILFE – Eure Kinder“ an die Wand. Man fordere die Bundesregierung auf, sich der Verantwortung, die sie für die junge Generation haben würden, bewusst zu werden und ihr endlich nachzukommen, hieß es in einer Mitteilung.
Nicht die erste Farbaktion
Die „Letzte Generation“ hatte schon mehrfach mit orangener Farbe Gebäude und Denkmäler attackiert. Im September besprühten Aktivisten das Brandenburger Tor, nach einer aufwändigen Reinigung verklagte die Stadt Berlin die Gruppe auf rund 142.000 Euro Schadenersatz.
Im Mai wurde das Grundgesetz-Denkmal im Berliner Regierungsviertel ebenfalls mit Farbe beschmiert.”
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Levy et al. auf The Conversation:
We can still prevent the collapse of the West Antarctic ice sheet – if we act fast to keep future warming in check
Projecting when and how fast the West Antarctic Ice Sheet will lose mass due to current and future global ocean warming – and the likely impact on sea level rise and coastal communities – is a priority for climate science.
We know deep water flowing towards and around Antarctica is warming, and the fringes of the West Antarctic Ice Sheet (WAIS) are increasingly vulnerable to ocean-driven melting.
Submerged continental shelves along large portions of West Antarctica, including offshore Pine Island and Thwaites glaciers in the Amundsen Sea, are already bathed by upwelling arms of this relatively warm water.
Ice shelves in this region – massive floating slabs of ice that flow out from the coast – are already losing mass. Because ice shelves float, their melting doesn’t affect sea levels. But they hold back land-based ice, which does.
Recent research suggests increasing flow of warm deep water in this area will speed up the melting of the WAIS over the coming decades, regardless of future anthropogenic greenhouse gas emissions.
This would mean global net-zero emissions targets cannot limit the amount of future sea-level rise caused by the melting of the WAIS. This poses significant challenges for coastal communities in low-lying regions as they plan for and adapt to unavoidable change.
Our project, an ambitious international collaboration known as the “Sensitivity of the WAIS to 2°C” (SWAIS2C), aims to retrieve sediments from the seafloor beneath the Ross Ice Shelf to explore how West Antarctica responded to warmer periods in Earth’s past – and what might happen in a warming future.
We may have (some) time
While it may appear too late to slow or stop the retreat of the WAIS in areas where the ocean cavities beneath ice shelves are already “warm”, the inevitable demise of the entire WAIS is not so certain. There are also regions where ice shelf cavities are currently “cold”.
The Ross and Ronne-Filchner are Earth’s largest ice shelves and currently buttress and stabilise large regions of ice in the West Antarctic interior. The ocean cavity that lies beneath the Ross Ice Shelf is cold, generally characterised by temperatures at or below minus 1.8°C.
A recent ice sheet modelling study shows these large ice shelves and the WAIS will remain largely intact under low-emissions pathways which aim to keep warming close to or below 2°C above pre-industrial values.
Modelling experiments indicate an emissions pathway in line with the goals of the Paris agreement can still limit the total contribution to sea level rise coming from the Antarctic ice sheet to 0.12–0.44 metres by 2100 (0.45–1.57 metres by 2300).
Importantly, these experiments also show that spatial patterns of ice thinning and retreat in the Amundsen Sea region are similar for 2100 compared to 2015 (see figure below) under both low and high emissions.
The clearest contrasts between the scenarios occur in the Ross Sea sector, where the grounding line of the ice shelf advances in low-emissions (“sustainable”) scenarios but the shelf ice thins or even collapses in high-emissions (“fossil fuel intensive”) scenarios.
Observation gaps from key Antarctic regions
Global surface temperature is likely to exceed 1.5°C above pre-industrial values by the early 2030s. It may warm by as much as 4.4°C by the end of this century.
Our current global policy and action trajectory will yield 2.7°C of warming by the end of century, but more ambitious pledges and targets could keep global warming to 2.0°C. We need to know how sensitive the large, cold-cavity ice shelves are to these increases in global temperature.
Ice sheet modelling suggests rapid cuts in emissions can still limit WAIS melt, but we lack direct observations to support these findings. Collecting new data from locations around the WAIS margin will offer insights into present-day changes and a possible future response to warming.
Significant effort to address data gaps has been made in the Amundsen Sea around the Thwaites Glacier region, but observations beneath the Ross Ice Shelf, especially near the point where the WAIS begins to float, are limited. The SWAIS2C project aims to address this knowledge gap.
Tapping the geological record
SWAIS2C is an international collaboration involving scientists, drillers, engineers and science communicators. Our team will travel to the Siple coast, close to the centre of West Antarctica, to melt holes through the ice shelf at two sites.
Oceanographic measurements and geophysical observations at each site will improve our understanding of current ocean mechanics and ice sheet dynamics. But to understand the potential future contribution to sea-level rise from melting of the WAIS, we will need to turn to the geological record.
Seafloor sediments from beneath the Ross Ice Shelf represent an archive of climate information from warmer periods in Earth’s history and offer a means to “see” how the ice shelf and ice sheet responded to past warmth.
We will drill up to 200 metres below the seafloor to recover a geological record of changing rock types that reflect environmental conditions at the time they formed.
These data will allow us to identify previous episodes when the ice shelf thinned and disintegrated, driving retreat of the WAIS interior. Environmental data from these intervals will identify the regional climatic conditions that drove this retreat and help determine the sensitivity of the system to increases in global mean temperature.