Tote Pferde leben länger

Es ist noch nicht lange her, da bezeichnete der deutsche Kanzler Scholz die Kernenergie als totes Pferd. Gemeint hat er damit Deutschland, wo das Pferd nämlich zum Abdecker gebracht wurde. Kein Wunder, dass es tot ist. Andere Länder sehen es offenbar anders mit den Pferden. Frankreich wird den Bereich ausbauen und nun hat auch das Vereinigte Königreich erklärt, wie die Pläne bis 2050 sind. Auch dort soll laut Guardian ein Ausbau stattfinden. Ein Viertel des Stroms soll aus Kernenergie gewonnen werden bis 2050. 

“Ministers published a roadmap on Friday that recommits the government to building a fleet of nuclear reactors capable of producing 24GW by 2050 – enough to meet a quarter of the national electricity demand. Approval will be given for one or two new reactors every five years from 2030 to 2044, and backing given to another large-scale reactor in addition to Hinkley Point C and the planned Sizewell C , even as the projects face uncertainty over their costs and timescale. The roadmap echoes plans put forward by the then prime minister, Boris Johnson, in 2022 to “build a new [reactor] every year” to wean Britain off fossil fuel. […] Sunak said the government’s latest support for the nuclear industry was “the next step in our commitment to nuclear power, which puts us on course to achieve net zero by 2050 in a measured and sustainable way”.” 

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Wasserkraft gilt als sanfte Energie bei der Stromgewinnung. Ist sie das tatsächlich? Ein Vortrag von Prof. Klement Tockner klärt auf, was Wasserkraftprojekte anrichten in der Natur. Eigentlich startet Tockner mit dem Thema Biodiversität, er kommt aber später auf Wasser und seine Bedeutung. Die 25 Minuten sind absolut sehenswert. 

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Die Energiewende braucht u. a. auch Mangan. Norwegen plant den Abbau von Mangan am Meeresgrund, wie die Tagesschau berichtet. 

“Das skandinavische Königreich könnte damit nun zu einem der ersten Länder gehören, die den Meeresboden nach Bodenschätzen absuchen. Juristen vermuten, dass sich Norwegen gleich auf mehrere internationale Rechtsverfahren einstellen müsste, wenn mit dem Abbau tatsächlich begonnen würde. Denn das Land hat diverse internationale Verträge unterschrieben, deren Kernanliegen durch die Folgen des Tiefseebergbaus konterkariert werden könnten. 

Allerdings führt die die Mitte-Links-Regierung in diesem Zusammenhang immer wieder den enormen Bedarf an Mineralien und Seltenerdmaterialien an: Diese würden für die grüne Energiewende dringend benötigt. Kaja Lønne Fjærtoft, Expertin für Meeresfragen vom WWF Norwegen, hält diese Argumentation für fragwürdig. “Man handelt hier entgegen der Meinung der europäischen Spitzenforschung, die geschlossen sagt, dass es Greenwashing ist, zu behaupten, dass diese Mineralien für die grüne Umstellung nötig sind”, sagt sie.” 

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Noch ein totes Pferd, das sich bester Gesundheit erfreut: Die Kohle in Deutschland. Nach einem Artikel in der Berliner Zeitung könnte sie ein längeres Leben in Deutschland haben als gedacht. 

“In einem Entwurf für die aktuelle Arbeitsplanung der SPD-Bundestagsfraktion für das erste Halbjahr 2024, das, datiert auf den 4. Januar, der Berliner Zeitung vorliegt, fehlt die Kraftwerksstrategie völlig. Diese Arbeitsplanung bildet die Pläne auch des von Habeck geführten Wirtschaftsministerium ab. Im Vorgängerdokument für 2023 war sie mit dem Vermerk, dass der Zeitplan „offen“ sei, hingegen immerhin noch enthalten. Stattdessen ist in dem aktuellen SPD-Dokument die Rede von einer Erhöhung des Einsatzes von Netzreserve-Kraftwerken. Das klingt für den Laien unverfänglich. Nun sind Reservekraftwerke aber wesentlich Kohlekraftwerke. Genauer sind es alte Kraftwerke, die gut und gerne 40 Jahre und mehr auf dem Buckel haben und deren Stromerzeugung mit Braun- oder Steinkohle befeuert wird. Es handelt sich um Kraftwerke, die eigentlich längst ausgemustert werden sollten, denen aber, um Versorgungssicherheit und Stromnetzstabilität zu gewährleisten, seitens der Bundesnetzagentur, geführt vom grünen Präsidenten Klaus Müller, eine Stilllegung untersagt wurde.” 

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China hat Pläne Uran aus Meerwasser zu gewinnen. Nuklearforum

“Gemäss «Red Book» der Kernenergieagentur NEA der OECD und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) reichen die derzeit weltweit erfassten Uranvorkommen für mehr als 130 Jahre, um den Jahresbedarf des heutigen kommerziellen Reaktorparks zu decken. Hinsichtlich eines weltweiten Ausbaus der klimafreundlichen Kernenergie macht auch die Erschliessung unkonventioneller Uranressourcen Sinn, wie z.B. die Gewinnung von Uran aus Meerwasser. Gemäss World Nuclear Association (WNA) besitzt Meerwasser eine Konzentration von typischerweise 0,003 parts per million (ppm) Uran. Kontinentale Erdkruste enthält im Vergleich dazu rund 2,8 ppm Uran und Uranerze 20’000 ppm Uran und mehr. Im Meerwasser gibt es aber die riesige Menge von insgesamt rund 4,5 Milliarden Tonnen natürliches Uran, wodurch sich die Entwicklung kostengünstiger Urangewinnungsmethoden aus Meerwasser anbietet.” 

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Der Bundesverband der Energiewirtschaft wird langsam ungeduldig in Sachen Kraftwerksbau. Was hier als Investitionssicherheit umschrieben wird, ist der Ruf nach Subventionen, denn Teilzeitkraftwerke lassen sich nur schwer wirtschaftlich betreiben. Warum sollte ein Unternehmen sie daher bauen? 

“Die Energiewirtschaft hat die Bundesregierung zu Jahresbeginn aufgefordert, die Haushaltskrise schnell zu überwinden und künftig geordnete Planungssicherheit zu gewährleisten. „Die Bundesregierung muss jetzt Nägel mit Köpfen machen: Wir brauchen die Kraftwerksstrategie mit klaren Rahmenbedingungen, um den Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken anzureizen und Investitionssicherheit zu schaffen. Die Zeit drängt: Bis zum Jahr 2030 werden mindestens 15 Gigawatt (GW) an neuer gesicherter Erzeugungsleistung in Deutschland benötigt. Grundsätzlich gilt: Die zügige Realisierung der Kraftwerkskapazitäten braucht Investitionssicherheit. Dies muss auch durch eine kluge Verzahnung der Ausschreibungen mit einem zukünftigen Marktdesign, wie einem Kapazitätsmarkt, gewährleistet werden. Um Komplexität und Kosten deutlich zu senken, sollte unbedingt der Umfang der beiden EEG-Elemente der Kraftwerksstrategie (Wasserstoff-Sprinter und Wasserstoff-Hybrid-Kraftwerke) insgesamt überprüft werden. Es handelt sich insbesondere bei den Wasserstoff-Hybrid -Kraftwerken um teure, aber für die System- und Versorgungssicherheit nur sehr begrenzt relevante Komponenten. Der Schwerpunkt der Kraftwerksstrategie muss bei den systemrelevanten H2-ready-Kraftwerken liegen.“” 

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Martin Schlumpf berichtet am 8. Januar 2024 im Nebelspalter: 

Die unbequeme Wahrheit zu den Kosten von Solar- und Windstrom – Schlumpfs Grafik 95

Energiewende-Befürworter behaupten immer wieder, Solar- und Windstrom seien billiger als Strom aus Kernkraftwerken. So hat etwa SP-Nationalrätin Martina Munz am Avenir Suisse-Forum «Energiepolitik unter Strom» im letzten Dezember Folgendes gesagt: «AKW-Strom ist der teuerste Strom, den wir überhaupt haben können.» (siehe hier) Dass diese Einschätzung falsch ist, zeigt eine Studie, die zum ersten Mal die Kosten verschiedener Stromerzeuger so berechnet, dass konventionelle Kraftwerke mit den neuen Erneuerbaren direkt vergleichbar sind.

Was wichtig ist:

– Die gesamten Systemkosten von Solarstrom liegen nach dieser Studie in Deutschland 14-mal höher als bei Strom aus Kernkraftwerken.

– Selbst wenn die Kosten von Speichertechnologien um 95 Prozent fallen sollten, sind Solar und Wind nicht konkurrenzfähig mit Kernkraftwerken.

– Auch eine Kombination von Wind- und Solarstrom ist immer noch viermal teurer als nuklearer Strom.

Ich habe hier schon mehrfach begründet, warum Nuklearstrom in der Schweiz günstiger ist als Solarstrom (siehe hier und hier). Das wichtigste Argument dabei war: Weil die Einspeisung aus Solaranlagen unzuverlässig und nicht steuerbar ist, müssen auch die Kosten für die Speicherung dazu gerechnet werden, mit der die entsprechenden Stromlücken gedeckt werden können. Genau diesen Ansatz verfolgt die Studie «Levelized Full System Costs of Electricity», die Robert Idel Ende 2022 in «Energy» publiziert hat (siehe hier). Der Ökonom Idel war bisher an der Rice University in Houston tätig und arbeitet nun als Auktionsspezialist für das Unternehmen Tripadvisor.

Weiterlesen im Nebelspalter. Auch verfügbar auf schlumpf-argumente.ch.

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