Und täglich grüßt das Klima-Murmeltier 

Von Frank Bosse 

Der Filmklassiker lässt seinen Protagonisten lange in einer „Zeitschleife“ von einem Tag Dauer verharren: seine Umwelt verhält sich täglich gleich, nur er bemerkt den Kreislauf ohne Entwicklung. Was hat das mit Klima zu tun? Nun, hier ist es anders und doch ähnlich: Die Ereignisse ändern sich, die mediale Reaktion ist jedoch immer dieselbe: Alles, was da an Ereignissen passiert, hat die Ursache in der Klimaerwärmung.  

Ab Mitte Dezember 2023 bauten sich große Regenmengen vor allem im Nordwesten Deutschlands auf, das führte zu Überflutungen in Niedersachsen und Teilen Sachsen- Anhalts. Der Grund war zunächst meteorologisch: Ende November 2023 stellte sich die Großwetterlage so ein, dass der Atlantik im Wettergeschehen blockiert war, dann wird es kälter hierzulande, da wir dann mehr unter den Einfluss einer meridionalen (tendenziell Nord-Süd) Strömung geraten. Das stellte sich Mitte Dezember um, es ging weiter mit Westströmungen (zonal) und der Atlantik wurde beherrschend. Dann wird es eher mild und nass im Winter.  

Diesmal wurde es sehr nass, ein Tief nach dem anderen zog heran und regnete sich ab.  
Das kommt immer wieder mal vor, wie man u.a. hier nachlesen kann. Diesmal jedoch wurde wieder die Klimaerwärmung bemüht. Exemplarisch steht dieser „Focus“ Artikel. Darin steht eine Reihe von Aussagen, die wir mit Fakten und Daten prüfen wollen.  

Zunächst kommt Fred Hattermann vom PIK Potsdam zu Worte. Er hebt die Rolle der Meeresoberflächentemperaturen des (Nord) Atlantiks hervor, je höher, desto mehr Verdunstung, desto mehr Feuchtigkeit in der Luft, desto mehr Regen, so die recht logisch klingende Indizienkette: 

„Bestimmend für die Niederschläge über Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sei die Verdunstung aus dem Atlantik, der im vergangenen Jahr neue Wärmerekorde erreichte.“  

Er spricht in der Vergangenheitsform aus gutem Grund. Im Sommer 2023 wurde der Atlantik deutlich wärmer als erwartet. Nur ist das für den Regen im Dezember ohne Belang, denn die Luftmassen haben kein „Gedächtnis“ für die Meeresoberflächentemperaturen (SST für Sea Surface Temperatures) des Sommers, hier zählen die Tage im Dezember. Vergleichen wir also die SST des Gebietes im Juli und im Dezember 2023: 

Die SST des Nordatlantiks im Juli 2023 (unten) und im Dezember 2023 (oben). Im Mittel des Gebiets war es im Dezember 4,4 °C kühler als im Juli, die Abweichung vom langjährigen Mittel (gezeigt im Bild) ging um 0,74 °C von 1,41°C im Juli auf 0,67°C im Dezember zurück für das gesamte Gebietsmittel, halbierte sich also etwa. Die Juli-Wärme der riesigen Wasserfläche vor Neufundland war im Dezember verschwunden. Die Abbildung wurde mit dem KNMI Climate Explorer generiert.  

Im Dezember 2023 waren die SST nicht wärmer als 2017, 2020 und 2021. Als Erklärung für die Überschwemmungen taugen die SST kaum, wenngleich immerhin fast 0,7°C wärmer als im Mittel der Jahre 1980-2010. Das bedeutet auch höhere Verdunstung, sie nimmt nach dem Gesetz von Clausius- Clapeyron pro Grad C um 7% zu. Also ca. 5% mehr Verdunstung im Dezember 2023 als im Mittel der Dezember der Jahre 1980-2010. Das ist eher sehr bescheiden, wenn man sich vergegenwärtigt, welche anderen mächtigen dynamischen Faktoren, wie Atmosphärenströmungen, Wolkenformationen u. ä. nicht thermodynamische Komponenten in das konkrete Niederschlagsereignis eingehen.  

Weiter im Text des „Focus“ Artikels, in Zusammenarbeit mit „Table Media“, einem Verlag für „Professional Briefings“ entstanden. Dort wird eine Bestätigung der „immer nasseren Winter durch die Klimaerwärmung“ gefunden: 

„Seit den Jahren 1881/82 haben die Winterniederschläge in ganz Deutschland um etwa 25 Prozent zugenommen, in manchen Regionen wie dem Nordwesten noch mehr.“     

Das wollen wir uns auch näher ansehen. Der DWD stellt diese Graphik zur Verfügung, auch die Daten.  

Die Niederschlagsanomalie für Deutschland im Winter. Der lineare Trend 1882-2023 ist gestrichelt gezeichnet und er steigt offenkundig an.  

Als aufmerksamer Leser werden Sie feststellen, dass in den frühen Jahren (1882 bis ca. 1940) deutlich weniger Regen fiel bei praktisch nicht stattfindender Erwärmung im Winter als etwa nach 1950, die Abweichungen vom Mittel nach unten dominieren. Halt! Alle sind sich einig, dass der „moderne menschgemachte Klimawandel“ ca. 1975, in Deutschland eher 1980, begann und sich die Winter-Temperaturen seitdem um 2,5 °C erhöhten. Dann ist wenig Regen davor kein Zeichen dafür, dass die klimabedingt steigenden Temperaturen danach zu mehr Regen führten. Der steigende Trend kommt zuvorderst von den geringen Regenmengen vor 1940 ohne Temperaturunterschied davor. Eine Kausalitätsverletzung!  

Wir werfen einen Blick auf die (Klima) entscheidende Periode zwischen 1975 und 2023: 

Von einem gesicherten Trend kann keine Rede sein bei so viel Variabilität, wer genau hinschaut wird sogar eine leichtfallende gestrichelte Linie ausmachen. Die Klimaerwärmung seit 1975 führte also bisher NICHT zu mehr Winterregen in Deutschland. Im „Focus Artikel“ findet sich auch ein zarter Hinweis:  

„Wir wissen schon lange, dass der Klimawandel zu mehr und stärkeren Niederschlägen in den Wintermonaten führt, mit denen dann auch immer wieder Hochwasser verbunden sein können”, sagt die Meteorologin Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS)…“  

Wissen kann das keiner, denn die Daten geben das nicht her. Eher „weiß“ man es aus Modellen, in denen das ab ca. 2010 gerechnet wird. Nur ist es so eben nicht zu beobachten. Die natürliche Variabilität ist gerade beim Niederschlag viel zu groß, als dass man so ferne schwache Einflüsse wie 5% mehr Verdunstung über dem Atlantik im realen Wettergeschehen detektieren kann. Solche Ereignisse sind vielleicht (bei sehr viel gutem Willen!) ein klein wenig wahrscheinlicher geworden, als Erklärung taugt so etwas nicht, wie ein Blick auf die Realitäten zeigt. So ist denn auch die knallige Überschrift im „Focus“ Artikel:  

Der Klimawandel kommt schneller, als Deutschland Deiche bauen kann” 

völlig daneben. Keines der da ins Feld geführten Begründungen rechtfertigt sie. Das reflexartige Zurückführen allen Wetters, hier das Hochwasser zum Jahreswechsel in Niedersachsen, auf die Klimaerwärmung ist tatsächlich ein „Murmeltiererlebnis“. Nur kommt man in der „Zeitschleife“ des Films nicht weiter und das Happy End da entsteht auch nur dadurch, dass Bill Murray ihr entkommt. 

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