Der Harz im Klimawandel – Folge 2

von Dr. Hans-Joachim Dammschneider

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Auch wenn wir der These eines langfristigen Klimawandels zustimmen (wie weitgehend auch immer er verlaufen könnte), so ist auch Tatsache, dass Zyklen (deren Perioden unserer menschlichen Lebenszeit übrigens oft verblüffend ähnlich sind) zumindest modifizierend einwirken … ob bei den Temperaturen oder den Niederschlägen. What´s going up must come down?

Wird es also auch im Harzgebirge zwar insgesamt wärmer, aber geschieht dies wirklich kontinuierlich durchlaufend?

Die Antwort ist klar: Das können wir ausschliessen! Sämtliche zur Verfügung stehenden Daten des DWD zeigen, dass es „Toleranz im System“ gibt. Wir dürfen sogar davon ausgehen, dass ´Einbrüche´ in den europäischen Lufttemperaturen stattfinden, die zumindest vorübergehend den befürchteten Negativtrend („es wird immer heisser“) aufhalten könnten:

Unter dem Einfluss des kommenden (tendenziell absinkenden, siehe Folge 5) Verlaufes der AMO-Zyklizität (Atlantische Muktidekaden Oszillation) ist es für Braunlage/den Oberharz vorstellbar, dass die Temperaturen des Sommermonats Juli ab 2040 i.M von rd. 16,3 Grad C (Zeitraum 2000-2030) auf rd. 15,0 Grad C (Zeitraum 2050 bis rd. 2070) absinken werden (Abb. 5 unten).

Die Temperaturentwicklungen ab jetzt sind natürlich zunächst spekulativ bzw. stellen im ersten Ansatz nur Wahrscheinlichkeiten dar, die sich aus den bisherigen Verläufen unter Berücksichtigung der AMO erwarten lassen! Dieses statement ist, das sei klar gesagt, nicht provokativ gemeint … es ergibt sich allein aus den offiziellen Daten des DWD (Deutscher Wetterdienst) und einer Gesamtinterpretation von Kurvenberechnungen (polynomische Trends).

Aber dies steht wiederum auch als wissenschaftlich begründbare „Alternative“ zu einer postulierten Klimakatastrophe im Raum, die von denkbaren +2Grad Celsius in den nächsten Jahrzehnten spricht. Deren pessimistische Kalkulation, basierend allein auf numerischen Modellen, ist in keiner Weise seriöser als eine (wie hier vorgenommene) umfassende Interpretation der Folgen und Abläufe bekannter und dabei natürlich ´schwingender´ physikalischer Prozesse im Raum zwischen dem zentralem Atlantik und Europa.

Neben den Lufttemperaturen, so zeigt es Abb. 5, nimmt auch die Sonnenscheindauer in Braunlage offenbar einen tendenziell gleichartigen Weg (zur AMO) und sinkt augenscheinlich bereits seit rd. 2000 deutlich ab. Bei der Sonnenscheindauer sprechen wir übrigens primär von der Dichte der Wolkenbedeckung. Man darf annehmen, dass sich auch dies (sozusagen ´vor Ort´) in den mittleren Lufttemperaturen quantitativ niederschlägt … „mehr Schatten macht kühler“.

Die grundsätzliche Dynamik des Einflusses der „multidekadischen Schwingung“ ist klimawissenschaftlich peer-reviewed publiziert (unter Beteiligung führender Mitarbeitern des AWI, des GEOMAR und der Uni Bergen, siehe OMRANI 2022 in Abb. 5 Mitte), allerdings bisher nicht wirklich in die öffentliche Wahrnehmung gelangt. Die Übereinstimmung der Schwingung/Periodizität mit den tatsächlichen Entwicklungen im Harz (Braunlage) ist tendenziell überraschend eng.

Interessant ist allerdings, dass der tatsächliche ´link´ zwischen der AMO und den Klimaveränderungen (hier Braunlage) dann doch nicht ganz der Theorie, wie sie OMRANI et al (2022) darstellt, folgt: „Berg“ und „Tal“ der Verlaufskurven sind in der Praxis, also in den wirklichen Messwerten der Sonnenscheindauer (oben in Abb. 5) und der Lufttemperatur (unten in Abb. 5), verschoben.

Das schmälert nicht die Beobachtung an sich, zeigt allerdings, dass zwischen dem zeitlichen Verlauf der AMO und deren potentiellen Auswirkungen auf das europäische Klima Zeitverzüge auftreten können. LÜDECKE et al (2020) gehen von sogenannten ´lags´ aus, die dazu führen, dass zwischen einem Ereignis (hier der AMO) und dem Eintritt einer klimatischen Veränderung (Niederschlag etc. in Europa) eine ´Spanne´ liegt. In welcher Grössenordnung allerdings diese nacheilenden Reaktionen im Wetter- und Klimaablauf eintreten, ist z.Zt. noch nicht wirklich zu beurteilen.

Abb. 5 : Multidekadische Schwingung (AMO) und der zeitliche Verlauf von Sonnenscheindauer und Temperaturen im Harz (Station Braunlage), nach Werten der NOAA, Daten des DWD und  OMRANI (2022)

Literatur:

DAMMSCHNEIDER, H.-J. (2023): Zeitlich-räumliche Muster der nordatlantischen SST und die Zyklizität der AMO. In: Schriftenreihe des Inst.f.Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften, Bd. 15, 2023

LÜDECKE, CINA, DAMMSCHNEIDER und LÜNING (2020): Decadal and multidecadal natural variability in European temperature. In: Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 205, 2020

OMRANI, NOUR-EDDINE et al (2022): Coupled stratosphere-troposphere-Atlantic multidecadal oscillation and its importance for near-future climate projection. In: Climate and Atmospheric Science (2022), 59

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Mit dem Verlauf des AMO-Index (Atlantische Multidekaden Oszillation) scheint für Braunlage/ für den Oberharz nicht nur im Sommer (Juli) eine Art ´prägende´ Wirkung auf Klimafaktoren verbunden zu sein. Auch im Winter findet sich ein markanter Trend, welcher in starker Übereinstimmung zur AMO-Schwingung steht (siehe Abb. 7).

Obwohl gemäss LUEDECKE, CINA, DAMMSCHNEIDER und LÜNING (2020) die dort für gesamt Deutschland (!) ermittelten AMO-Korrelationen in einigen Monaten geringer als z.B. im Juli ausfallen, ist dies am konkreten Ort `Braunlage` offenbar keineswegs so: Die Verlaufskurve (3. Polynominal) der “Schwingung” ist für die Niederschläge (die aber im Winter im Unterschied zum Sommer über die Gesamtzeit noch zunehmen) und die Windstärken im Winter sogar ausgeprägter als im Sommer (siehe Abb. 6 links).

Abb. 6 : Schwingungsverlauf der AMO seit 1855 (rechts) und Korrelation der AMO zu den Lufttemperaturen europäischer Länder in den Monaten Januar und Juli (links). Aus LÜDECKE et al (2020) und Daten der NOAA, Darstellung des Verfassers

Alle Darstellungen sind auf Basis gesicherter Daten des DWD und der NOAA erstellt und im Trend seriös gerechnet.

Wichtigster Punkt ist, dass eine lineare Verlängerung der bisherigen Entwicklungen (also einem Anstieg) mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht zulässig ist. Bei allen Überlegungen zu zukünftigen Tourismus-Konzepten sollte dies unbedingt bedacht werden … Projekte, die ja immer mit einem höheren finanziellen Aufwand/Investment einhergehen, müssen sich über die Zeit `rechnen`. Dass das funktioniert, hängt vor allem auch davon ab, ob die Randbedingungen, unter denen alle Planungen vorgenommen wurden, gesichert zuverlässig bzw. zukunftsfähig sind. Ob also die Vorhaben nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der erwartbaren klimatischen Einflüsse nachhaltig betrieben werden können. Denn es macht einen grossen Unterschied aus, ob man mittelfristig z.B. von tendenziell zunehmenden Windstärken ausgehen muss … oder eben auch nicht?! Und wenn, welche Zeiträume müssen/ können für eine “Klima“-Amortisation angesetzt werden?

Abb. 7 : Niederschlag, Windstärke und Sonnenscheindauer im Monat Januar im Harz (Station Braunlage) seit 1947 (nach Daten des DWD). Eingetragen je die lineare Trendgerade und der polynomische (Kurven-) Verlauf, Darstellungen des Verfassers

Mit dem Verlauf der AMO (Atlantische Multidekaden Oszillation) ist für Braunlage/Oberharz statistisch vorstellbar, dass die Temperaturen i.M des

  1. Wintermonat Januar von rd. +0,5 Grad C des Zeitraums 2000-2030 auf rd. -1,0 Grad C (2040-2070) absinken werden
  2. Sommermonat Juli von rd. 16,5 Grad C des Zeitraums 2000-2030 auf rd. 15,0 Grad C (2040-2070) absinken werden.

Die grundsätzliche Dynamik der Temperaturschwingungen ist spätestens seit 2022 klimawissenschaftlich peer-reviewed publiziert (OMRANI et al 2022, unter Beteiligung führender Mitarbeitern des AWI, des GEOMAR und der Uni Bergen, siehe Folge 4), allerdings bisher nicht wirklich in die öffentliche Wahrnehmung gelangt.

Weiterhin und trotz inzwischen zahlreicher Gegenargumente aus weiten Bereichen der Klimawissenschaft bleibt das IPCC als politischer Kopf derzeit aber noch immer bei seiner Einschätzung von weiter ansteigenden globalen (!) Lufttemperaturen. In diesem Sinne betont auch OMRANI (absichernd), dass die Veröffentlichung aus 2022 keineswegs bedeuten solle, dass nicht doch zukünftig die Klima-`Katastrophe` wieder auftauchen könnte.

Abb. 8 : Lufttemperatur im Harz (Station Braunlage) seit 1947, Monat Januar (oben) und Juli (unten), nach Daten des DWD, polynomischer Trend eingerechnet, Darstellungen des Verfassers

Machen wir doch einmal ein Spiel und spekulieren wir: Eine Wintertemperatur (Januar) von -1,0 0 C in den 2040er Jahren würde bedeuten, dass wir dann nicht weit von jenem entfernt liegen, was es in einigen Jahren der 60-70er des letzten Jahrhunderts gab … ´richtige´ Winter!

Sollte es darauf auch nur annähernd wieder hinauslaufen, käme der Wintersport im Harz durchaus zu neuen Höhen bzw. und vor allem zu einer intensiveren Saison. NATÜRLICH können diese hier angestellten Überlegungen noch keine Basis für entsprechende touristische Investitionen liefern, aber es lohnt vielleicht schon, „die Sache im Blick“ zu behalten … .

Bedenklicher wäre es in diesem ´Spiel´ dann aber, dass auch die Juli-Temperaturen wieder auf einem Niveau landen könnten, zu dem Rudi Carel 1975 sang „Wann wird´s mal wieder richtig Sommer“. Wir erkennen hieran: Egal wie´s kommen wird (was wir alle nicht wissen können, auch nicht die Prognostiker der angeblichen Klimakatastrophe), von dem aber eines ganz gewiss ist … gerade das Klima ist eine stark ´relativ´ geprägte Erscheinung. Meint, wenn uns gestern (im Jahr 2020) der Sommer und der Winter als zu warm erschienen, dann mag uns der Zustand des Januar/des Juli von morgen (im Jahr 2050) vielleicht schon wieder als recht ungemütlich vorkommen?

Eine Spanne von i.M. 1,5 Grad C ist im gefühlten (!) Leben, sommers wie winters, ein wirklich markanter Temperaturunterschied. Schau´n wir mal wie´s kommt (*).

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Der Verfasser ist Vorsitzender des Instituts für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK). Die Schriftenreihe mit frei herunterladbaren pdf-Dateien finden Sie hier.

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