Geht lieber in den Wald und klebt Euch an die Bäume

Von Uli Weber

Ein radikalisiertes Jungvolk produziert man, indem man über einen Zeitraum von Jahren oder Jahrzehnten das öffentlich verbreitete Meinungsspektrum soweit einschränkt, dass in den Medien nur noch die gewünschte alternativlose Einheitsmeinung übrig bleibt. Eine Jugend, die mit dieser einzig wahren Wahrheit aufwächst, hat also wenig denkbare Alternativen, aber viele ideologische Feinde in der altvorderen Generation. Ganz anders ist das nämlich bei den alten Männern und Frauen, die schon deshalb für Ideologen jeglicher Couleur höchst verdächtig sind, weil sie selbst noch die tatsächlichen Alternativen kennengelernt haben. Denn einzig unser überkommenes technisches und ökonomisches Wissen steht dem gesellschaftlichen Traum von einem kostenlosen klimaneutralen Paradies noch entgegen, Zitat:

Die Betrachtungsperspektive für gesellschaftliche Veränderungen in unserem Land hat sich diametral verändert. Der aktuelle gesellschaftliche Wandel wird nämlich nicht etwa aus einer wertekonservativen gesellschaftlichen Mitte heraus kommentiert, wie wir das bei unserer sogenannten 68‐er Studentenrevolution erlebt hatten, sondern vielmehr ist heute diese wertekonservative gesellschaftliche Mitte selbst, vorgeblich als ‚alte weiße Globalisierungsverlierer‘, das Subjekt einer vernichtenden öffentlichen Kritik.“

So gesehen ist es für uns Alte also überlebenswichtig, dass es bei den jugendlichen Adepten der hysterischen Endzeitreligion von einer Klimaapokalypse nicht auch noch zu einer jakobinischen Selbstradikali­sierung kommt:

Also geht lieber in den Wald, klebt Euch an die durch Windmühlen gefährdeten Bäume und fliegt dann zur Erholung nach Bali!

Dieser alte weiße Mann hier ist einst in einer Zeit aufgewachsen, in der alle, die mitgemacht hatten, von nichts gewusst haben wollen, während Kriegsinvaliden und Ruinen ein alltäglicher Anblick im öffentlichen Raum waren. Seit etwa einem Jahrzehnt engt sich das gesellschafts­politisch erwünschte Meinungsspektrum auf einen vorgegebenen hochmoralischen Einheitsbrei ein, weil ja konträre Meinungen unsere freie demokratische Gesellschaft spalten würden; und kein Einheitsmedialer mag in diejenige Hand beißen, die ihn gerade satt macht. Auch wenn der Wähler das wohl nicht wirklich honorieren wird und weiterhin lieber die Originale wählt, versuchen inzwischen die liberal-konservativen Kräfte in diesem Lande panisch, sich unter Zurücklassung ihrer Wertvorstellungen und Grundsatzprogramme auf das als zukunftsträchtig geltende linksgrüne Ufer zu retten. Und wer sich anmaßt dabei nicht mitzumachen, wird von der eigenen Führungsriege unbarmherzig ausgemerzt. Die Mitglieder der Zivi-Partei, vor nicht allzu langer Zeit noch überzeugte Friedens- und Klimaschützer, haben unter dem Druck der Regierungsver­ant­wortung plötzlich bemerkt, dass man das fossile Licht nicht einfach ausknipsen kann, wenn nicht genug helle Kerzen zur Verfügung stehen. Dafür werden wir fast täglich mit Meldungen über realitätsbefreite CO2-freie Wundertechniken belästigt, die weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig sind und zudem noch perspektivisch untereinander kollidieren. In Summe werden all diese MINT–fernen Phantasien vielmehr in einer ökologischen und ökonomischen Katastrophe kumulieren, und damit genau das bewirken, was man eigentlich vermeiden wollte. Was von unserem ganzen Klimaalarm am Ende einzig übrig bleiben wird ist das 2-Erden-Modell:

Bei Net Zero werden wir zwei Erden brauchen, um die gesamte Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen überhaupt ernähren zu können.

Die indoktrinierten Klimakinder nehmen das „klimaneutrale“ CO2-Geschäftsmodell inzwischen religiös so ernst, dass sie sich auf Straßen und an Gemälden festkleben, um mit dem deutschen 2%-CO2-Skonto das Weltklima zu retten – denn „deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu übertreiben“ (Anonymus). Und während ihre Klimaeltern noch Angst vor dem Klimarealis­mus der alten weißen Männer*Innen haben, zweifeln deren Kinder schon lange nicht mehr an ihren Glaubensformeln für die klimatische Weltrevolution. Längst vergessen sind die Zeiten, in denen das Schwimmen in Rhein und Elbe lebensgefährlich war und der Gestank von Braunkohlehausbrand und Zweitaktabgasen die östlichen Bundesländer verpestete. Schließlich sind genau diese alten weißen Männer*Innen Schuld an allem Schlechten auf dieser Welt, insbesondere aber an der globalen Klimakatastrophe. Sowohl die regierenden als auch die medialen Klimaeltern legen nun eine auffällige Beißhemmung gegenüber ihren Klima­sprösslingen an den Tag. Es gibt nämlich erstaunlich wenig Aufregung bei den paralegalen Aktionen sogenannter Klimaaktivisten, deren Proteste politisch und medial mit einem verständ­nisvollen Wohlwollen kommentiert werden, weil diese ja hoch moralische Ziele verfolgen und üblicherweise nur ganz vereinzelt Molotov-Cocktails gegen polizeiliche Einsatzkräfte schleudern. 

Die Klimasekte der auserwählten Davosianer aus den Schweizer Bergen, deren Mitgliedschaft einen eigenen Privatjet voraussetzt, hat uns einen gesellschaftlichen Umbruch von der Größenordnung der Neolithischen und der Industriellen Revolution geweissagt. Beide Umbrüche hatten jeweils zu etwa einer Verdreifachung der verfügbaren menschlichen Energieressourcen geführt. Da es diesmal aber um die strikte Verhinderung der Nutzung billiger fossiler Energieträger als Basis unserer industriellen Kultur geht, ist gar nicht mal so sicher, in welche Richtung der Faktor „3“ diesmal ausschlagen wird. Denn umgekehrt steht dieser Faktor „3“ ja auch zwischen uns und der vorindustriellen, bäuerlich geprägten Neuzeit. Man munkelt übrigens, die Davosianer würden im Erfolgsfall sogar freiwillig auf das Flugmodell von Otto Lilienthal umsteigen…

Vor einigen Jahren hatte ich den FfF-Klimakindern noch vorgehalten, sie würden gerade ihre Zukunft abwickeln und gefragt, wovon sie denn nach 2038 eigentlich leben wollen. Dieses Datum hat sich zwischenzeitlich zerschlagen. Im öffentlich-medialen Druck der sogenannten Zivilgesellschaft wurde der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen auf 2030 vorverlegt. Spätestens in sieben Jahren prallen dort also die hoch moralischen Jünger des klimatischen Fegefeuers und die unbarmherzigen Gesetze der real existierenden Thermodynamik aufeinander. Und wenn wir nicht alle im gleichen Boot sitzen würden, dann wäre das vorhersehbare Ergebnis sicherlich eine wünschenswerte und sehr interessante intellektuelle Bereicherung für alle diese Klimakreuzzügler-Innen. Aber die Frucht ihrer falschen Erkenntnis wird schließlich uns alle ohne Ansehen der Person aus unserem fossil betriebenen industriellen Paradies vertreiben. Denn unsere globale 2%-Vorreiter-Rolle bei der Vernichtung der eigenen industriellen Basis, und damit unserer gegenwärtigen Lebensgrundlage, macht uns niemand auf dieser Welt streitig. Und diese Vorreiterrolle wird wohl eher mit einer „3“ unter dem Bruchstrich für die durchschnittlich verfügbare Energie pro Einwohner unseres Landes enden.

Es gibt aber durchaus auch noch Lichtblicke: Auf der Internetpräsenz der Berliner Zeitung konnte man am 24.01.2023 unter der Überschrift, „‚Das Klima geht kaputt‘: Schülervollversammlung an der Sophie-Scholl-Schule“ lesen, Zitat:

„‚Ein Schüler, vielleicht zwölf Jahre alt, greift zum Mikrofon, und als es still ist, stellt er seine Frage: ‚Woher weiß man denn, dass das Klima kaputt ist?‘ Manche im Publikum lachen, die Veranstalter aber erklären in wenigen Sätzen, dass Studien belegen, dass der Planet Erde sich durch den menschengemachten Klimawandel verändert und zunehmend unbewohnbar wird. Danach betonen sie, doch bitte ‚nur noch wichtige Fragen‘ zu stellen. Die Zeit ist knapp bei der Präsentation an der Sophie-Scholl-Schule.“

Diese Episode lässt immerhin hoffen, dass doch noch nicht unsere gesamte Jugend klimageschädigt ist; viel­leicht brauchen wir in Zukunft ja viel weniger Künstliche Intelligenz als befürchtet. Und um keinen Zweifel an meiner Einschätzung auf­kom­men zu lassen:

Ich meine damit weder die Veranstalter noch diejenigen, die dort gelacht haben!

+++

Foto zu diesem Beitrag: „Der Aufstand der Letzten Generation blockiert Straße am Hauptbahnhof Berlin“ von Stefan Müller, Lizenz CC BY 2.0 (nachbearbeitet)

Teilen: