„Nordatlantisches Wärmeloch“: ein untrügliches Zeichen für ein Erlahmen der „Atlantischen Umwälzzirkulation“ (AMOC)?

Von Frank Bosse

Immer wieder Wirbel um die AMOC! Der verschreckte Leser erfuhr aus einem Deutschen “Wissensmagazin“ („scienexx“) wieder Neues:  

Es gibt da ein Gebiet im Atlantik (südlich Grönlands), das sich nicht erwärmt, obwohl das der Rest des Meeres sehr wohl mit dem Klimawandel seit ca. 1980 recht deutlich tut.  

Die Meeresoberflächentemperatur- Anomalien des extratropischen Nordatlantiks 1900-2024.  
Die Abbildung wurde mit dem KNMI Climate Explorer generiert.  

Schon frühzeitig wurde das als Indiz für eine nachlassende AMOC gewertet, vor allem Stefan Rahmstorf (PIK Potsdam) ist Verfechter dieses „Fingerprint“. Andere Forscher sind da kritisch.  
Nun also eine neue Arbeit die das so „bestätigt“ schon in der Überschrift:

„Schwächere AMOC ist der Grund für das historische Nordatlantische Wärmeloch“ 

Sinexx widmet ihr viel Raum.  

„Dieses Rätsel des „kalten Flecks“ haben Klimaforscher nun gelöst.“ 

Der semantisch empfindliche Leser wird jedoch schon beim ersten Satz hellhörig: 

„Durch den Klimawandel heizen sich auch die Meere immer weiter auf.“ 

Das mag als Wording in einer Tageszeitung noch durchgehen, da man sich (leider) an gewisse Sprach-Verabredungen schon gewöhnt hat, in einem Wissensmagazin erwartet man jedoch den Ausdruck „Aufheizen“ statt der physikalisch korrekten Phrase „Erwärmen“ nicht unbedingt.  

Was hat die Arbeit tatsächlich gefunden und wie? 

Das ist recht schnell beschrieben: Man nahm Klimamodelle der letzten Generationen („CMIP5“ und „CMIP6“) zu Hilfe. Dann untersuchte man sie, ob die eine schwächer werdende AMOC simulieren.  

„Leider nichts einheitliches“ ist diesem Satz der Arbeit zu entnehmen: 

„We find that the majority of CMIP5 models (29 out of 41) simulate AMOC weakening trends between 1900 and 2005, whereas the majority of CMIP6 models (31 out of 53) simulate AMOC strengthening trends during the same period.”  

Das war schon aus früheren Modellarbeiten bekannt, damit wäre der Gegenstand der neuen Studie zerronnen. Die Autoren warfen die Flinte jedoch nicht ins Korn und bedienten sich weiter im „Laden“ der vielen einzelnen Modelle.

Sehr interessant ist an dem Satz auch, dass unter den „fortgeschrittenen“ CMIP6-Modellen eine deutliche Mehrheit (61%) eher eine Stärkung der AMOC ermitteln, das Gegenteil des Zieles. Man sortierte daher auch noch zusätzlich die älteren CMIP5-Modelle in welche, die eine AMOC-Schwächung (“AMOC-”) erzeugten und welche, die (im Gegenteil) eine AMOC-Stärkung (AMOC+) ermitteln.
Sodann benutzte man nur die ersteren, obwohl die Anzahl in den beiden Gruppen sich kaum unterschied (51:43). Deren Modellmittel zeigte nun tatsächlich eine gewisse Abkühlung, jedoch deutlich weniger als tatsächlich beobachtet und statistisch nicht signifikant.  

Das wäre wieder ein „Flinte ins Korn Wurf“- Moment gewesen? Resultat dann:

 

“Die beobachtete leichte Abkühlung wird auch vom Mittel der “AMOC- Modelle” so nicht einer schwächeren AMOC zugeordnet.”

Nicht so für Autoren, die ein vorgegebenes Ergebnis im Kopf haben und das unbedingt auch erzielen möchten. Die finden:  

…yet the cooling is statistically significant in certain individual models, with amplitude akin to observations“

So, so: in 94 verschiedenen Modellen gibt es tatsächlich “in bestimmten einzelnen” (in der Mehrzahl älteren) welche, die die Beobachtungen (dort und nur dort!) bestätigen. Wie wäre es mit einem Würfelbecher mit 91 Würfeln und der unbändigen Freude, dass einige tatsächlich eine 6 zeigen?? 

Am Ende kommen die Autoren damit zu weitreichenden Schlüssen. Der aufmerksame Leser wird sich vielleicht erinnern: Der Salzgehalt spielt für die AMOC eine entscheidende Rolle. Sinkt er oberflächlich in ihrem nördlichen Gebiet, so könnte das ein Anzeichen für ihre Schwächung sein. So untersucht die Arbeit, ob das so ist …und Potzblitz: In Abb. 1a der Arbeit findet sich auch so etwas:  

Es ist die beobachtete Salinität und da ist tatsächlich eine Abnahme. Ein Beweis?  

Der untersuchte Zeitraum ist mit 1900-2005 angegeben. In den frühen Jahren werden die Salzgehalt-Messungen wohl eher dünn gesät sein und mit großen Unsicherheiten behaftet. Außerdem war bis ca. 1980 der Klimaantrieb eher gering, er betrug bis dahin nur ca. ¼ dessen, was heute verzeichnet wird. Das wirkt sich natürlich auf die Temperaturen da aus, vgl. das erste Bild.  

Da laut „sinexx“ die Klimaerwärmung (der vor allem anthropogene Anteil durch Antriebe wie Treibhausgase) die Ursache des „Warming Hole“ sei:  

 

„Paradoxerweise verursacht demnach die Klimaerwärmung auch die Abkühlung des Meeres vor der Südspitze von Grönland – über ihren Einfluss auf die AMOC.“ 

sollte dann auch der Salzgehalt im „Warming hole“ sich seit 1980 deutlich verringert haben.  

Ein Check mit realen Beobachtungen für diesen Zeitraum der verstärkten Erwärmung:  

Die Abbildung der Salzgehalt-Anomalien wurde mit dem „KNMI Climate Explorer“ generiert. 

Er zeigt nichts dergleichen. Was da an natürlicher Variabilität (Messfehler, Inhomogenitäten…) vor 1980 auch immer im Spiel war: Der „Klimawandel“ kann nicht der „Hauptschuldige“ an der „Versüßung“ im Nordatlantik sein.  

Zu der bewussten Arbeit: Da wurden Klimamodelle so lange „gesiebt“, bis einige wenige ein „Warming Hole“ an der richtigen Stelle produzierten (die allermeisten nicht!) und daraus wurde schon in der Überschrift auf die reale Welt gefolgert. So etwas hätte schon bei einem halbwegs genauen Review durchfallen müssen, dass dann ein „Wissensmagazin“ auf den „Schmarrn“ hereinfiel und wohl eine Pressemitteilung 1:1 übernahm, kann leider nicht mehr verwundern.  

Dabei hatten doch unlängst erst Shaw und Stevens (MPI-M) vor lokalen Modellprojektionen (wie die AMOC eine ist!) gewarnt und sie einer „Krise in der Klimaforschung“ zugeordnet, wir berichteten.  

Daher hier nochmals eine Abbildung, die zeigt, welch wenig lokale Übereinstimmung das Modellmittel der neuesten Klimamodell-Generation (CMIP 6) schon mit den “real World” Temperaturbeobachtungen aufweist:  

Die Abbildung wurde mit dem KNMI-Climate Explorer generiert.  

Riesen Flächen (Südlicher Ozean, Antarktis, Ost-Pazifik, Nordamerika, Zentralasien, auch das “Warming Hole” im Nordatlantik usw.)  verhalten sich allein schon bei den Temperaturen kaum so, wie die Klimamodelle es annehmen, zeigen keine oder kaum eine Korrelation mit denen. 

Dass es „im Mittel“ ungefähr stimmt, ist kein Argument dafür, die Ergebnisse von Modellarbeiten für lokale Phänomene wie es die AMOC ist, für bare Münze zu nehmen. Schade um die Zeit und Mühe (von Geld ganz zu schweigen), um ein vorher definiertes Ziel zu erreichen. Also eher das Gegenteil von Wissenschaft.       

  

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