Muss sich Minister Habeck jetzt entschuldigen?

Von Dr. Ernst-Jürgen Niemann

Den Vorschlag der FDP, die EEG-Förderung für die Erneuerbaren zu stoppen, kommentierte Herr Habeck am 07.11.2024 bei Markus Lanz mit:

Wir haben jetzt in diesen Tagen keine besonders gute Windlage. Das passiert immer wieder mal im November, das ist quasi normal und schon gehen die Strompreise hoch, weil die Erneuerbaren nicht da sind. Wenn die Erneuerbaren wieder da sind, gehen sie runter. Stoppen wir den Ausbau werden tendenziell die Strompreise höher.

Diese irrationale Sichtweise von Minister Habeck wurde in den Klimanachrichten vom 09.11.2024 unter dem Titel „Der verstellte Blick“ bereits thematisiert. Nachfolgend ein paar weitere Ausführungen zu dem Thema.

Der Strommarkt in den ersten Novembertagen ist in nachfolgender Grafik dargestellt (Quelle SMARD,  Bundesnetzagentur). Am 6. und 7. November wurde fast keine Windenergie eingespeist (durchschnittlich weniger als 500 MW, also weniger als 1% der Gesamtlast:). Zu abendlicher Spitzenlastzeit des 6.11.2024 17:00-19:00 war der Strommix bei etwa 63000 MW Gesamtlast im Netz (Deutschland / Luxemburg), der sich zusammensetzte aus Konventionelle 57,5%  (davon Gas 24,2 %; Braunkohle 18,7 % und Steinkohle 11,8%), Biomasse und Wasserkraft 11%, Windkraft  0,2% und Stromimport 31,5%. Der Börsenpreis lag bei 82 ct/kWh, also fast 10 x so hoch, wie der durchschnittliche Preis.

Diese Konstellation, die auch laut Habeck immer mal wieder im November zu erwarten ist, zeigt genau die Problematik der derzeitig einseitigen Ausrichtung auf einen extremen Ausbau von Windkraft und Solar auf. Solar liefert im Winter kaum einen Beitrag und, wenn dann auch noch der Wind einschläft und die Windkraftinvestitionen keinen Beitrag zur Erzeugung liefern, dann ergeben sich solche Notsituationen, die mit teurem Hochfahren von Kohlekraftwerken und notwendigem Import von fast einem Drittel des Strombedarfs zu Spitzenbörsenpreisen von bis zu 82 ct/kWh verbunden sind. Parallelstrukturen müssen vorgehalten werden und kosten natürlich auch im Standby Betrieb.

Den FDP Vorschlag, den Ausbau der Erneuerbaren Wind und Solar zu überdenken, bei Markus Lanz einfach weg zu moderieren, indem man suggeriert, dass bei weiterem Ausbau der Windenergie dieses Problem entfällt, ist absurd. Was würde denn z.B. eine Verdoppelung der installierten Windkraft in Deutschland (Investitionskosten etwa 100 Mrd. €) in solchen Situationen bringen. Eine vernachlässigbare Steigerung des Windkraftanteils von 1 auf 2 %! Eine Verdoppelung von Windkraft würde aber im Sommerhalbjahr wegen der großen Überkapazitäten zu noch größeren Verwerfungen führen. Das führt wegen zusätzlich notwendiger Abregelungen zu höheren Netzgebühren für die Verbraucher und/oder wegen den Preisgarantien bei dann niedrigen oder negativen Börsenpreisen zu einer massiven Steigerung der vom Staat übernommenen EEG Umlage aus dem Steueraufkommen (siehe auch Klimanachrichten vom 21.05.2024).

Der Strommarkt wie jetzt im November, der ja lt. Habeck immer mal wieder vorkommt, lässt Fragen aufkommen, wie z. B.:

  • Wie weit ist Deutschland inzwischen von Stromimporten abhängig, für die wir ggf. sehr hohe Preise bezahlen müssen?
  • Wie wird beim geplanten vorgezogenen Kohleausstieg 2030 z.B. in solchen Zeiträumen mit kaum Windenergie die jetzt benutzte Kohlekraftwerkskapazität (30% vom Lastbedarf) und der Stromimport (31%) ersetzt?  Schalten wir mal wieder etwas ab, bevor Ersatz verfügbar ist? Oder verfehlen wir die Klimaziele?
  • Wo ist ein realistisches durchgerechnetes Gesamtkonzept für die Energiewende mit realistischer technischer Planung, Zeitplänen und Kosten (volkswirtschaftliche und private Kosten).

Das sind Fragen, die vom Ministerium beantwortet werden müssten. Es wird immer mehr klar, dass die verfolgte pauschale Politik „je mehr Wind- und Solarenergie, desto besser und billiger“ immer mehr aus dem Ruder läuft und zu immer höheren laufenden systemischen Kosten der Stromversorgung führt. Der pauschale Ansatz „Koste es was es wolle!“ denn, „wenn wir das heute nicht machen, dann wird es später noch viel teurer“ ist nicht substantiiert und unverantwortlich. Nicht nur die FDP, auch die Regierung sollte zu einer Energiepolitik umsteuern, die technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechend allgemein anerkannter Kriterien und in realistischem Zeitrahmen in den Vordergrund stellt. Irgendwann wird auch die Allgemeinheit begreifen, dass die Energiewende so nicht funktioniert. Eine Entschuldigung von Minister Habeck nach bekanntem Muster, wird dann allerdings, angesichts der vielen ausgegebenen Milliarden, vermutlich nicht reichen.

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