von Hans-Rolf Dübal
Wenn im Hochsommer die Sonne „knallt“ und sich dann eine Wolke vor die Sonne schiebt, so spürt man sofort eine erfrischende Abkühlung. Dies ist eine alltägliche, banale Erfahrung. Wolken beschatten und tragen zur Temperaturabsenkung an Sommertagen bei. Dies ist anders im Winter, wenn die diffuse Sonnenstrahlung einen größeren Anteil hat. Kalte Winternächte gehen stets einher mit klarem Himmel, während eine Wolkendecke wärmt. Insgesamt ist die Bewölkung ein mächtiger Klimafaktor, der zumindest in den letzten 20-25 Jahren den Treibhauseffekt des Kohlendioxids im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten gestellt hat, wie aus mehreren Satellitenstudien (https://doi.org/10.3390/cli11090179) hervorging.
In diesem Artikel soll der statistische Zusammenhang der deutschen Sommertemperaturen mit der solaren Einstrahlung und der Bewölkung behandelt werden. Dafür stehen mehrere Datensätze zur Verfügung, von denen hier folgende verwendet wurden:
- die monatlichen Durchschnittstemperaturen vom Deutschen Wetterdienst (DWD), zurückreichend bis in das Jahr 1881 (https://opendata.dwd.de/climate_environment/CDC/regional_averages_DE/monthly/air_temperature_mean/regional_averages_tm_09.txt),
- die monatlichen Sonnenstunden (DWD), zurückreichend bis in das Jahr 1951
(https://opendata.dwd.de/climate_environment/CDC/regional_averages_DE/monthly/sunshine_duration/), - und die monatlichen Satellitendaten (CERES) für die eingehende Solarstrahlung, die ins All zurückgeworfene kurzwellige Strahlung (SW out) und die „cloud area fraction“, also der Bewölkungsflächenanteil, jeweils zurückreichend bis in den März 2000 und alles für TOA („top of atmosphere“, d.h. 20 km, https://ceres.larc.nasa.gov/data/).
Dabei wurden die CERES-Daten für den Bereich 6°-15° östlicher Länge und 47°-55° nördlicher Breite ausgewertet, was recht gut der Fläche Deutschlands entspricht, mit geringen Überschneidungen in den Randzonen der Nachbarländer sowie der Nord- und Ostsee. Der kurzwellige Bereich („short wave“, SW) ist beim CERES-System mit 0.3-5 µm Wellenlänge festgelegt, umfasst also auch Bereiche des nahen UV und des nahen IR. Nichtsdestoweniger wird im Wesentlichen der sichtbare Spektralbereich 0.38-0.78 µm und damit das Sonnenlicht erfasst.
Als erstes ist bemerkenswert, wie genau die TOA-CERES-Daten mit den terrestrischen DWD-Sonnenstunden korreliert, obwohl die Messgrößen nicht genau übereinstimmen und die Messverfahren sich sehr stark unterscheiden. Dies ist in Abb. 1 für die 24 Juli-Monate seit dem Jahr 2000 dargestellt. Der Korrelationskoeffizient beträgt R² = 0.98. Nimmt man alle 286 verfügbaren Monate, also inklusive der dunkleren Jahreszeit, so erreicht man immer noch R² = 0.88. Dieser etwas geringere Wert ist vermutlich auf den steigenden Anteil diffuser Strahlung in den dunkleren Monaten zurückzuführen. „SW in“ ist hier die Differenz der einfallenden Solarstrahlung und der ins All zurückgeworfenen kurzwelligen Strahlung SW out.
Bei CERES wird die Bewölkung per Bildanalyse aus den Satellitenaufnahmen bestimmt. Angegeben wird ein Prozentwert der Flächenparzellen, die mit Wolken bedeckt sind. Im Zeitraum 03/2000 bis 12/2023 betrug der Mittelwert über Deutschland 70.2 %. Betrachtet man nur die Juli-Monate, so erhält man 65.9 %. Abb.2 zeigt den Zusammenhang zwischen Bewölkung, Sonnenstunden bzw. die einfallende kurzwellige Einstrahlung „SW in“ und die mittlere monatliche Temperatur.
In Abb. 2 sind vier Datensätze, jeweils für den Monat Juli, zusammengestellt: ganz oben die Bewölkung, in der Mitte die gut korrelierten Sonnenstunden des DWD und die CERES „SW in“ Daten und ganz unten die Durchschnittstemperaturen aller Julimonate von 2000 bis 2023 in Deutschland. Man erkennt in den Jahren 2006 und 2018 (A und B) den bislang wärmsten Juli (A) und den Juli des extremen Dürresommers 2018 (B), die beide starke Bewölkungseinbrüche aufwiesen, einhergehend mit Maximalwerten bei der solaren Einstrahlung.
Insgesamt folgt die Julitemperatur der Bewölkung. Dies ist aus Abb. 3-5 zu ersehen, in der die Temperatur gegen die solaren Einfalldaten bzw. die Bewölkung aufgetragen ist. Dabei sind die solaren Korrelationen etwas besser, vermutlich, weil sie die Temperatur direkter beeinflussen. Jedoch ist ebenso die Korrelation mit der Bewölkung sehr hoch. In diesem Zusammenhang ist auch die Korrelation mit dem CO2-Gehalt von Interesse. Abb.6 zeigt, dass hier kaum ein signifikanter statistischer Zusammenhang nachweisbar ist (R² = 0.069).
Die bisher gezeigten Zeitreihen sind noch recht kurz, da die CERES-Daten erst seit März 2000 verfügbar sind. Der DWD berichtet jedoch ab 1951 die Sonnenstunden, die sehr gut mit den CERES-Daten korrelieren (siehe Abb. 1). In Abb. 7 sind Juli-Sonnenstunden und Julitemperaturen als Korrelation abgebildet und ergeben ein R² von immerhin 0.74, womit die Dominanz der Bewölkung auch längerfristig untermauert wird.
Schließlich stellt sich die Frage nach den anderen Sommermonaten. Abb. 8 zeigt die Korrelation der Durchschnittstemperatur Juni-Juli-August seit 1951 und diese besitzt immer noch einen Korrelationskoeffizienten von 0.65 zu den Sonnenstunden dieser drei Monate. Insgesamt zeigen diese Daten, dass die deutschen (und wohl auch die mitteleuropäischen) Sommertemperaturen in erster Linie durch die Bewölkung gesteuert werden. Eine hohe Bewölkung ergibt einen kühlen Sommer, wenige Wolken geben heiße und meist trockene Sommer. Die spannende Frage lautet: „Was aber steuert die Bewölkung?“
Hier gibt es eine ganze Reihe von Denkansätzen. Es könnte sich einfach um einen natürlichen Zyklus handeln. Die AMO (Atlantische Multidekadenoszillation) korreliert auffällig und invers mit der Bewölkung. Leider sind bei einer Periode von ca. 60 Jahren die Beobachtungszeiträume zu kurz, um dieses zu untermauern. Sonnenzyklen bleiben ein heißer Kandidat und könnten über indirekte Effekte, wie z.B. den Svensmark-Effekt, auf die Bewölkung einwirken. Zurückgehende Luftverschmutzung und die damit einhergehende Abnahme von Aerosolen könnte eine Rolle spielen.
Die Protagonisten des „menschgemachten Klimawandels“ sind schnell mit einer Erklärung zur Hand. Sie führen den Wolkenschwund auf die globale Erwärmung zurück. Diese Erklärung greift jedoch zu kurz, denn mit der Erwärmung verdampft mehr Wasser, das irgendwann Wolken bildet. Außerdem ist die Temperatur im Verhältnis zum Taupunkt für die Wolkenbildung nur ein Parameter von mehreren. CCNs (“cloud condensation nuclei“) und die relative Luftfeuchte sind wichtig und lediglich 100 m Höhe kompensiert bereits 0.6 °C an Erwärmung. Luftströmungen beeinflussen die Wolkenbildung und die Sonne vermag es, Wolken im Entstehen zu verdampfen. Wolken besitzen eine langwellige Ausstrahlung und können sich gegenseitig beeinflussen.
Ferner hat die „Bewölkung“ als pauschaler Faktor nur eine begrenzte Aussagekraft. Die klimatologische Wirkung von Cirrus, Stratus und Cumulus kann sehr verschieden sein. Es kommt aber nicht nur auf den Wolkentyp an, sondern auch auf die geografische Lage, ihre Höhe, ihre Beschaffenheit (Eis, flüssig, Mischphase, Partikelgröße, Volumen usw.) und die Jahreszeit. Selbst die Tageszeit ist dabei von Bedeutung. Angesichts dieser Komplexität sind hohe Korrelationen zur Temperatur, wie hier gezeigt, alles andere als selbstverständlich. Dass sie dennoch existieren, könnte darauf hinweisen, dass die Verhältnisse Jahr für Jahr ähnlich sind.
Die Wolkenbildung gehört zu den bisher nur wenig verstandenen Klimaphänomenen. Wolken sind sehr potente Klimafaktoren, die über ihre Albedo den globalen Strahlungshaushalt und damit einen riesigen Hebel bewegen. Ihr Verständnis gehört sicherlich zu den Schlüsselfragen der Klimatologie und es mag noch viel Zeit ins Land gehen, bis darüber Klarheit herrscht.
So muss der Autor diesen Artikel schließen, ohne die Frage nach den diesjährigen Sommertemperaturen zu beantworten. Diese Antwort bleibt vorerst dem Wirken der Natur vorbehalten und wir werden sie erst kennen, wenn der Sommer gekommen sein wird.