Auf der Suche nach der Erwärmung in 2023

Von Fritz Vahrenholt und Frank Bosse

Es geht durch die Medien: Im September 2023 ist ein Wärmerekord erreicht. Viele spekulieren über die Ursachen. Selbst der Leiter des europäischen Klimadienstes „Copernicus“ spricht von „unfassbaren Werten“. Wir wollen uns die Zahlen anschauen seit dem letzten starken ElNino 2015.

Abb.1. Die „Global Mean Surface Temperatures” (GMST) seit Januar 2015. Daten. Gestrichelt: der lineare Trend.

Tatsächlich ist der globale Mittelwert im September 2023 um 0,66 °C höher als im September 2015. Interessant ist, dass der Temperaturtrend von 2015 bis zum August 2023 nahe null war, nach den Erkenntnissen mehrerer Arbeiten (u.a. Lewis 2022, Spencer et al 2023) zur Sensitivität des Klimas mit den neuesten Daten zu den Klimaantrieben durch Treibhausgase, Aerosole etc. um 0,2°C hätten erhöhen sollen. Das ergibt sich aus der ermittelten „Transient Climate Response“ (TCR, die Empfindlichkeit des Klimasystems auf eine Verdopplung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre, die mit ca. 1,5°C / 3,9W / m² beobachtet wird) und dem angenommenen Zuwachs der Antriebe im Zeitraum seit 2015 um ca. 0,5W/m².  Hier ist auch berücksichtigt, dass der solare Zyklus 25 in 2023 nahe am Aktivitätsmaximum ist. Offensichtlich vermochte es die natürliche Variabilität des Klimas (u.a. mehrere lange LaNina-Phasen seit 2015) diesen, erst auf deutlich längere Zeiträume sicher bestimmbaren Wert, zu kompensieren. Womit ein Teil der Temperaturzunahme im September schon geklärt ist, nämlich diese 0,2°C.

Eine zusätzliche wärmende „Zutat“ wurde im vorigen Jahr ins Klimasystem eingetragen: Die Eruption des Unterwasser Vulkans  Hunga-Tonga-Hunga, die große Mengen Wasserdampf in die Stratosphäre eintrug, die dort erwärmend wirken im Unterschied zu Land-Eruptionen, die vor allem durch Schwefeldioxid abkühlend wirken. Man schätzt die Wirkung auf ca. +0,05°C global. Damit schrumpft die zu erklärende Lücke des Vergleichs 2023 vs. 2015 auf ca. 0,4°C.

Wir haben uns die Meeresoberflächentemperaturen in drei gleich großen Erdgebieten angeschaut: die südlichen Extratropen 90°S – 20°S, die Tropen 20°S-20°N und die nördlichen Extratropen 20°N-90°N. Sie reagieren träger auf Änderungen als die Landtemperaturen, die in den GMST für 30% der Erdoberfläche enthalten sind.

Abb.2: Sie Meeresoberflächentemperaturen (SST) von drei zonalen Bändern der Erde von Januar 2015 bis September 2023. Der lineare Trend der Tropen ist fallend durch die LaNina- Ereignisse seit 2015, die nördlichen Extratropen (um +1°C verschoben dargestellt) erwärmten sich deutlich, die südlichen Extratropen (um -1°C verschoben dargestellt) nur etwa halb so stark.

Der auffällige Anstieg im August/September 2023 ist im Norden besonders ausgeprägt. Sollten da die fehlenden 0,4°C „stecken“? Wir schauten uns daher die Muster der Wärmeverteilung im September 2023 global an.

Abb. 3: Die globale SST-Verteilung (in °C Abweichung) im September 2015 (oben) und im September 2023 (unten). Die Abbildung wurde mit dem KNMI Climate Explorer erzeugt.

Tatsächlich unterscheiden sich die Meeresoberflächentemperaturen (SST) im Süden wenig, auch in den Tropen erkennen wir eine recht ähnliche Verteilung, typisch für einen sich entwickelnden ElNino. Im Norden sehen wir einen im Vergleich wärmeren Atlantik, den Vogel schießt jedoch ein großes Seegebiet im westlichen Nordpazifik (östlich Asiens) ab im Gebiet 25°N-60°N; 120° Ost- 170° Ost.

Schlägt da etwa der stetige Klimawandel besonders zu und sorgt durch „unsere Emissionen“ da für Höllenglut, bisher unbemerkt von der Wissenschaft?

Abb.4: Die Entwicklung der SST im fraglichen Seegebiet des Pazifiks seit 2015.

Von Mai bis September 2023 (im letzten Monat allein um rund 1,2°C) sind die Meeresoberflächentemperaturen da um über 2°C, vorher um ca. 0,6 °C in 85 Monaten angestiegen, mit typischen Monatsänderungen von nur 0,2°C! Es ist ein Wasservolumen von ca. 200.000 km³ Wasser der oberen ca.  20 m („Mixed Layer“ im Sommer dort), das da in so kurzer Zeit erwärmt wurde.

Das ist nicht durch sich langsam steigernde kumulative Antriebe wie Treibhausgase zu erklären. Mögliche Lösungen wären Änderungen im Wetter und/oder kurzfristige Steigerung der Sonneinstrahlung durch reduzierte Wolkenbedeckung in niedrigen Höhen, wie hier schon analysiert. Oder ein Datenfehler?

Klima ist immer Langzeitwirkung und -beobachtung. Ein einzelner Monat, ein einzelnes Jahr sortieren sich stets in einen Langfristzusammenhang. Wenn also bestimmte Medien einen Hype lostreten mit „unfassbaren Werten“ so spielen sie mit dem Wetter und kurzen Ausschlägen, die in aller Regel eine natürliche Ursache haben. Das Maß für die Klimaempfindlichkeit „TCR“, aus verlässlichen Langzeituntersuchungen abgeleitet, führt dazu, dass wir auch mit dem realistischsten Emissions-Szenario SSP 245 das 2°C Ziel für 2100 nicht dramatisch verfehlen werden.

2°C ist keine Katastrophe, aller geschürten Panik zum Trotz.      

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