Vielleicht sollten wir mit der Energiewende noch warten, bis ein Pferd* Minister ist

Von Uli Weber

Witze können schlüpfrig, diskriminierend oder sonst wie geartet daherkommen. Aber es gibt auch Witze, die vergeblich Erfahrungswissen zu vermitteln suchen, nachfolgend ein Beispiel:

Die Mönchlein betrachteten froh die heranreifende neue Apfelernte und pinkelten auf die traurigen Reste der vorjährigen. Dann kam ein schweres Gewitter und zerstörte die neue Ernte mit Hagelschlag.
Preisfrage: Was für Äpfel haben die Mönchlein im folgenden Winter wohl gegessen?

Das mag soweit ganz lustig sein, aber stellen Sie sich einmal vor, es ginge hier nicht um Äpfel, sondern um die sichere Stromversorgung einer führenden Industrienation, die von Atom- und Kohleausstieg gekennzeichnet ist und voll auf volatile Energieerzeugung vertraut. Und mangels Speichermöglichkeiten für überschüssige „grüne“ Energiemengen verbreitet man den festen Glauben an eine H2-Wundertechnologie mit etwa 30% Wirkungsgrad, für die man die 3-fache Energiemenge benötigt und bereit ist, die natürliche Umwelt und die Artenvielfalt hier und anderswo schwer zu schädigen.

Wikipedia mit Hervorhebungen:

In Westdeutschland begann der Atomausstieg unter der ersten rot-grünen Bundesregierung (Kabinett Schröder I) mit der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000“. 2002 wurde der Vertrag („Atomkonsens“) durch Novellierung des Atomgesetzes rechtlich abgesichert. In der Folge wurden am 14. November 2003 das Kernkraftwerk Stade (640 MW) und am 11. Mai 2005 das Kernkraftwerk Obrigheim (340 MW) endgültig abgeschaltet. Für alle anderen Atomkraftwerke wurden Reststrommengen vereinbart, nach deren Erzeugung die Kraftwerke abgeschaltet werden sollten. Feste Abschalttermine wurden nicht vereinbart, die Strommengen waren so bemessen, dass ein Betrieb der letzten Kraftwerke etwa bis in die Jahre 2015–2020 möglich gewesen wäre.

Später hatte der Vorstandsvorsitzende von RWE, Jürgen Großmann, in einer öffentlichen Kampagne eine Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke durchgesetzt, sodass die vor 1980 in Betrieb gegangenen sieben KKWs durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 28. Oktober 2010 zusätzliche acht Betriebsjahre erhielten und die übrigen zehn Kernreaktoren zusätzliche 14 Jahre.

Wikipedia mit Hervorhebungen:

Am 11. März [2011] begann die Nuklearkatastrophe von Fukushima. Bundeskanzlerin Merkel reagierte am 14. März mit einem dreimonatigen Atom-Moratorium für die sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke. Die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) sollte vom 15. März bis zum 15. Juni 2011 die Sicherheit aller 17 deutschen Kernkraftwerke nach neuen Standards überprüfen.

Die am 22. März 2011 eingesetzte Ethikkommission sollte die technischen Risiken der Kernenergie, die die RSK feststellte, ethisch und gesellschaftlich bewerten und mit den Risiken eines früheren Atomausstiegs und den Risiken und Nebenwirkungen anderer Energieformen abwägen. Damit sollte sie zu dem erwünschten „gesellschaftlichen Konsens“ beitragen.

Merkel formulierte als Fragestellung:

„Wie kann ich den Ausstieg mit Augenmaß so vollziehen, dass der Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien ein praktikabler, ein vernünftiger ist, und wie kann ich vermeiden, dass zum Beispiel durch den Import von Kernenergie nach Deutschland Risiken eingegangen werden, die vielleicht höher zu bewerten sind als die Risiken bei der Produktion von Kernenergie-Strom im Lande?“

Die Kommission solle „eine weitergehende Betrachtungsweise des Umgangs mit Risiken“ ermöglichen als eine rein technische Sicherheitsprüfung. Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen begründete dies damit, „dass Sicherheit eben nicht ausrechenbar ist, sondern am Ende eine gesellschaftlich-politische Wertung ist“.

Merkel betonte, dass die Kommission die Diskussion mit allen gesellschaftlichen Gruppen nicht ersetzen solle, die nach Abschluss und Bekanntgabe ihrer Ergebnisse zu führen sei.

Vor dem ersten Treffen ergänzte sie ihre Erwartung an die Kommission, eine „in sich schlüssige Energiewende“ zu erneuerbaren Energien zu erkunden, ohne „mögliche Zielkonflikte etwa im Bereich des Klimaschutzes“ zu ignorieren. Die RSK solle bis etwa zum 16. Mai, die Ethikkommission bis zum 27. Mai 2011 je einen Bericht vorlegen. Auf deren Basis werde die Bundesregierung dann über Stilllegung und Laufzeiten der 17 Atomkraftwerke entscheiden.

In meinem Buch „Klimahysterie gefährdet die Freiheit“ hatte ich zu Fukushima geschrieben, Zitat von den Seiten 118/119 mit Hervorhebungen:

Aber offenbar sind an Fukoshima dann einfach 50 Jahre neuere Tsunami-Forschung ohne ausreichende Konsequenzen für den Schutz dieses Kraftwerkes vorübergegangen! Ein paar Jahre vor der Katastrophe in Fukoshima gab es sogar eine ausdrückliche Warnung von Seiten eines japanischen Geowissenschaftlers [60], der damit offenbar selbst bei der japanischen Atomaufsicht kein Gehör gefunden hatte.

Was hier ganz besonders ärgerlich machen kann, ist die Vermeidbarkeit dieser Katastrophe. Die Reaktorblöcke hatten dem Beben standgehalten, die Notabschaltung hatte funktioniert, die Notstromdiesel waren angesprungen, und dann kam der Tsunami …

Und selbst danach hatte, bis auf die Notstromdiesel, noch alles richtig funktioniert: Die  Brennelemente wurden noch so lange ausreichen gekühlt, wie die Batterien elektrischen Strom für den Betrieb der Kühlwasserpumpen liefern konnten – eine Katastrophe mit Ansage also, die man in den Nachrichten sehr schmerzlich mitverfolgen konnte. Nach Fukoshima stellt sich deshalb die Frage nach der Sicherheit von Atomkraftwerken weltweit und grundsätzlich neu: Sind seit der Fertigstellung des betreffenden Atomkraftwerkes die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus allen relevanten Fachdisziplinen in ausreichender Form in die technische Überprüfung des betreffenden Kraftwerkes eingeflossen und sind diese Erkenntnisse dann auch baulich in ausreichender Weise umgesetzt worden? Hat man das Kraftwerk also ständig „aktualisiert“ oder fährt man es immer noch auf dem Stand seiner Erbauung?  Und nach Fukoshima bekommt auch der Begriff „Redundanz“ [der Notstromversorgung] ein ganz neues Gewicht.“

Und hier nun schlug die Stunde einer „Ethikkommission“, die zwischen dem 11. März und 27. Mai 2011 die Grablegung der deutschen Kernkraftwerke einleitete. Laut Wikipedia bestand diese 17-köpfige Ethikkommission aus:

Leitung:

  • Klaus Töpfer (CDU), ehemaliger deutscher Bundesumweltminister und ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP)
  • Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Als weitere Mitglieder berief Merkel

  • Ulrich Beck, ehemaliger Soziologieprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Klaus von Dohnanyi (SPD), früherer Bundesbildungsminister
  • Ulrich Fischer, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden
  • Alois Glück (CSU), Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken
  • Jörg Hacker, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
  • Jürgen Hambrecht, Vorstandsvorsitzender der BASF
  • Volker Hauff (SPD), ehemaliger Bundesminister für Forschung und Technologie
  • Walter Hirche (FDP), Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission
  • Reinhard Hüttl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam und Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften
  • Weyma Lübbe, Philosophin, Mitglied im Deutschen Ethikrat
  • Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising
  • Lucia Reisch, Wirtschaftswissenschaftlerin, Professorin an der Copenhagen Business School, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)
  • Ortwin Renn, Risikoforscher, Soziologieprofessor an der Universität Stuttgart, Vorsitzender des Nachhaltigkeitsbeirats von Baden-Württemberg
  • Miranda Schreurs, US-amerikanische Politikwissenschaftlerin, Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin
  • Michael Vassiliadis (SPD), Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie

Angeblich ohne das dafür notwendige Genehmigungsverfahren sollen bei endgültig abgeschalteten Druckwasserreaktoren übrigens als Erstes die Elemente des Primärkreises mit Säure „gereinigt“ und damit unwiederanschaltbar zerstört worden sein. Die im Strommix aus Gründen des Ausstiegs aus der CO2-freien Kernenergie zwangsläufig  erhöhten CO2-Emissionen müssen nun logischerweise wiederum durch einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohle kompensiert werden, was zu einer beschleunigten Zerstörung der elektrischen Grundlasterzeugung in unserem Lande führt, wie die nachstehende Grafik beweist:

Abbildung 1: Energiemix in Deutschland: Bruttostromerzeugung % nach Energieträgern 1990-2020. Autor: Tkarcher – Lizenz CC BY-SA 3.0

Wir können in dieser Grafik ganz deutlich die Ausgangssituation Anfang der 1990-er Jahre Erkennen, als die Grundlasterzeugung durch Braunkohle, Steinkohle sowie Kernkraft sichergestellt wurde und Gas den Spitzenbedarf gedeckt hatte. Zum Ende dieses Jahrzehnts kamen dann die sogenannten „erneuerbaren Energien“ hinzu und verdrängten sukzessive die bisherigen Grundlastträger, während Gas vermehrt zur Erhaltung von Grundlast und Netzstabilität eingesetzt werden musste:

Abbildung 2: Installierte Erzeugungsleistungin Deutschland (Quelle: SMARD)

Die installierte Erzeugungsleistung gibt an, wie viel Strom eine Anlage maximal produzieren kann.“

Alle grundlastfähigen Energieträger zusammen haben zusammen im Jahre 2023 also eine Nennleistung von etwa 80 GW, was in etwa dem durchschnittlichen Stromverbrauch von 80 GWh in Deutschland entspricht. Allerdings ist der Anteil von Erdgas bei der Stromerzeugung auf fast die Hälfte der Grundlast angestiegen und treibt als teuerster Grundlasterzeuger über die sogenannte „Merit-Order“ den von den Verbrauchern zu bezahlen Verbrauch in ungekannte Höhen:

Abbildung 3: Merit-Order des deutschen konventionellen Kraftwerkparks im Jahr 2008 aus Wikipedia. Quelle: Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. – Lizenz CC BY-SA 3.0

Wir sehen hier also eine Aufstellung der Erzeugungskosten nach Mengen und Grenzkosten aus dem Jahr 2008. Schon damals rentierte sich jegliche Stromerzeugung, solange sie günstiger als Gas (oder Heizöl?) war. Heute mach Gas also knapp 50% der Grundlasterzeugung aus, während die Erzeugung durch Kernkraft und Kohle deutlich reduziert worden ist. Die Nennleistung der sogenannten „Erneuerbaren“ liegt dagegen bereits bei etwa 140 GW, also fast beim Doppelten des durchschnittlichen Verbrauchs. Man lasse sich diese Zahlen auf der Zunge zergehen:

Mit einer nahezu doppelten Nennleistung gegenüber dem durchschnittlichen Verbrauch können die sogenannten „Erneuerbaren“ die Versorgungssicherheit mit elektrischem Strom in Deutschland also noch immer nicht sicherstellen und benötigen ein fossiles Backup für die Grundlast. Und trotzdem ist mit diesem Unsinn noch lange nicht Schluss, Zitat vom BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND KLIMASCHUTZ zum „Ausbau Wind auf See“:

Die Ausbauziele wurden auf mindestens 30 Gigawatt bis zum Jahr 2030, mindestens 40 Gigawatt bis zum Jahr 2035 und mindestens 70 Gigawatt bis zum Jahr 2045 erheblich gesteigert und im WindSeeG verankert.“

Allein bei der Erzeugung von elektrischem Strom durch Windkraft auf See will man bis 2045 noch einmal fast eine komplette Nennleistung installieren, die allein fast dem aktuellen durchschnittlichen Stromverbrauch entspricht, allerdings ohne jeden Einfluss auf die Sicherstellung der Grundlast. Ein dazu passendes Zitat von Bertolt Brecht:

Und sie sägten an den Ästen, auf denen sie saßen und schrien sich ihre Erfahrungen zu, wie man besser sägen könne. Und fuhren mit Krachen in die Tiefe. Und die ihnen zusahen beim Sägen schüttelten die Köpfe und sägten kräftig weiter.

Durch diese planwirtschaftlichen Entwicklung verwandelt sich also eine ursprünglich „verbrauchsabhängige Stromversorgung“ (einer Industrienation) in eine „angebotsbasierte Stromversorgung“ (der Dritten Welt), wie MINT-ferne Gestalten jubelnd glauben öffentlich verbreiten zu müssen. Sicher, solange man dem Kinderglauben anhängt, der Strom käme aus der Steckdose, ist noch alles in Ordnung. Wenn man allerdings schon einmal in der grundlastfreien Dritten Welt unterwegs war, dann weiß man mittags und abends ein Notstromaggregat zu schätzen, wenn nämlich der Stromverbrauch die „angebotsbasierte“ elektrische Einspeisung sicher übersteigt. Und damit die grundlastbefreite Große Transformation nun auch wirklich bei uns stattfindet, nahm am 6. Juni 2018 die sogenannte Kohlekommission, oder kurz „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, ihre Arbeit auf, um den Kohleausstieg aus der Erzeugung elektrischer Energie zu rechtfertigen und zu beschleunigen. Dieser Kommission gehörten laut Wikipedia 28 stimmberechtigte Mitglieder an:

Vorsitzende:    

  • Matthias Platzeck (SPD), ehemaliger Ministerpräsident von Brandenburg
  • Ronald Pofalla (CDU), Vorstandsmitglied der Deutsche Bahn AG
  • Barbara Praetorius, Volkswirtin, Politikwissenschaftlerin und frühere Vizedirektorin der ökologischen Denkfabrik Agora Energiewende
  • Stanislaw Tillich (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen

Stimmberechtigte Mitglieder:

  • Jutta Allmendinger, SPD-Mitglied, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
  • Antje Grothus, Bürgerinitiative Buirer für Buir und Koordinatorin Kohlepolitik NRW bei der Klima-Allianz Deutschland
  • Gerda Hasselfeldt, CSU-Mitglied, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) e.V.
  • Christine Herntier, parteilos, Bürgermeisterin von Spremberg, Sprecherin für die Brandenburger Kommunen der Lausitzrunde
  • Martin Kaiser, Geschäftsführer Kampagnen bei Greenpeace Deutschland e.V.
  • Steffen Kampeter, CDU-Mitglied, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
  • Stefan Kapferer, FDP-Mitglied, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) e.V.
  •  Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) e.V.
  • Stefan Körzell, SPD-Mitglied, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
  • Michael Kreuzberg, CDU-Mitglied, Landrat des Rhein-Erft-Kreises
  • Felix Matthes, Forschungskoordinator Energie und Klimapolitik des Ökoinstituts e.V.
  • Claudia Nemat, Mitglied des Vorstands der Deutschen Telekom AG
  • Kai Niebert, Leiter des Lehrstuhls Didaktik der Naturwissenschaften und der Nachhaltigkeitsforscher an der Universität Zürich sowie Gastprofessor an der Fakultät Nachhaltigkeit der Leuphana Universität Lüneburg
  • Annekatrin Niebuhr, Professorin für Arbeitsmarkt- und Regionalforschung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und wissenschaftliche Mitarbeiterin im IAB Nord
  • Reiner Priggen, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW e.V.
  • Katherina Reiche, CDU-Mitglied, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) e.V.
  • Gunda Röstel, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden GmbH und Prokuristin der Gelsenwasser AG
  • Andreas Scheidt, SPD-Mitglied, Mitglied im Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di
  • Hans Joachim Schellnhuber, ehemaliger Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK)
  • Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)
  • Michael Vassiliadis, SPD-Mitglied, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE)
  • Ralf B. Wehrspohn, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS)
  • Hubert Weiger, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V.
  • Hannelore Wodtke, Vorsitzende der Wählergruppe „Grüne Zukunft Welzow“

Am 22. Mai 2019 wurden auf Grundlage des Abschlussberichts der Kohlekommission die Eckpunkte zur Umsetzung der strukturpolitischen Empfehlungen der KWSB vom Bundeskabinett festgelegt. Das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ wurde dann am 28. August 2019 vom Bundeskabinett beschlossen und der Kohleausstieg aus der Stromerzeugung besiegelt. Wenn man sich jetzt einmal die Titel und Ehrenzeichen der Mitglieder von Ethikkommission und Kohlekommission anschaut, dann versinkt man vor Ehrfurcht im Boden. Wenn man dagegen aber deren Fachkompetenz für die sichere Stromversorgung einer Industrienation betrachtet, dann bleibt einem vor Schreck der Mund offen stehen. Was hat ein Landrat, ein Erzbischof oder das Rote Kreuz mit unserer Versorgungssicherheit zu tun, und was wissen diese Menschen über den Begriff „Dunkelflaute“?

Im Zweifel kommt für solche Leute der Strom doch aus der Steckdose. Wo dagegen waren die Ingenieure und Techniker, deren berufliche Aufgabe tatsächlich die Versorgungssicherheit unseres Landes ist?

Anfang 2000 gab es jährlich eine Handvoll außerplanmäßige Eingriffe in das Stromnetz. Durch den Einspeisevorrang für volatile und angeblich „erneuerbare Energie“ hat sich die Zahl solcher Eingriffe in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als vertausendfacht – und die Kosten natürlich auch, wie die nachfolgende Abbildung beweist:

Abbildung 4: Redispatch in Deutschland für die Jahre 2013 bis 2021

Quelle: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.

Den Grund für diesen Anstieg von Redispatch-Maßnahmen sehen Sie in Abbildung 1. Mit dem Ausbau der sogenannten „Erneuerbaren“ musste der konventionelle Kraftwerksbetrieb nicht nur auf die vorhersehbaren Verbrauchsschwankungen reagieren, sondern in viel größerem Umfang auf die volatile Einspeisung aus Wind und Sonne. Kernkraft und Kohle konnten vorher mit der Unterstützung von Gas in der Spitzenlast sehr gut auf die Verbrauchsschwankungen reagieren. Die wesentlich hochfrequenter wechselnde Einspeisung aus Wind und Sonne überfordert dagegen die Steuerbarkeit dieser Kraftwerke. Hier ist lediglich Gas in der Lage, diesen „erneuerbaren“ Schwankungen zu folgen, was die Entwicklung der Stromerzeugung seit 2008 (Abbildung 3) einigermaßen erklären mag.

Wenn ich also „Energiewende“ höre, dann sehe ich sofort die Schildbürger vor mir, wie sie geschäftig den Sonnenschein in Säcken in ihr fensterloses Rathaus tragen. Und wenn die reaktionäre Physik der alten weißen Männer schließlich durch das MINT-ferne Net-Zero-Prinzip der grundlastbefreiten Energiewende ersetzt worden ist, dann werden wir endlich den „erneuerbaren“ elektrischen Strom im Sommer ins Stromnetz einspeisen, dort speichern und im Winter fröhlich die Lichter brennen lassen. Also „glaubt der Wissenschaft“, denn so ist’s ja von „Fachleuten“ und „Wissenschaftlern“ berechnet worden, die wohlmöglich der Ethikkommission oder der Kohlekommission angehört hatten. Wir befinden uns also zielführend auf dem Weg der „Großen Transformation“ in ein Land mit der Versorgungssicherheit der Dritten Welt und haben offenbar ganz vergessen, dass unsere gestiegene Lebenserwartung und unser Lebensstandard direkt mit der individuell frei verfügbaren Energiemenge zusammenhängen.

Vielleicht sollten wir mit der Energiewende also doch noch warten, bis schließlich ein Pferd* Minister geworden ist…

*) Der [römische] Kaiser [Caligula] soll bei Staatsakten eine gängige Schwurformel „auf das Wohlergehen und das Vermögen von Incitatus“ abgewandelt haben. Caligula war so angetan von den Verdiensten des Pferdes, dass er für das Jahr 42 n. Chr. geplant haben soll, Incitatus mit der Konsulwürde und ständigem Sitz im Senat zu bestallen. (Wikipedia)

Titelfoto: U. Weber

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