Ein „Faktenpapier“ und seine Fakten

Von Frank Bosse

Südamerika erwärmt sich signifikant weniger schnell als Europa, Asien, Australien und Afrika! 

Das ist eine valide faktenbasierte Aussage. Nicht diese aus einem „Faktenpapier“, das da pünktlich vor der nächsten „Klimakonferenz“ auf den Tisch gelegt wurde: 

„Laut dem Copernicus-Klimadienst ist Europa der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt.“  

Mit genau den angesprochenen Daten (ERA5) lassen sich die kontinentalen Erwärmungsraten zwischen 1980 und 2024 (bis auf Antarktika) bestimmen und das ergibt dieses Bild: 


Das Ergebnis der Regressionen (rote Säulen) scheint zunächst die Aussage im „Faktenpapier“ zu bestätigen, Europa weist den höchsten Trend auf: 0,44 °C /Dekade. Die anderen Kontinente bis auf Südafrika liegen, sich kaum unterscheidend, bei ca. 0,35 °C /Dekade. Nur streuen die Daten halt auch. Deshalb gehört zu jeder Aussage auch ein Vertrauensbereich, ein eherner Grundsatz in der Statistik. Gewöhnlich setzt man da 95%-Intervalle an, überlappen die sich nicht, so spricht man von signifikanten Unterschieden bei Trends. Sie wurden für die Kontinente in schwarz eingezeichnet. Und siehe da: In Wahrheit unterscheiden sich die Kontinente bis auf Südamerika nicht signifikant bei der Erwärmungsrate. Auch Europa macht da keine Ausnahme. Die Unterschiede sind einfach so klein, dass sie im Zufalls-Streuungsbereich liegen.  

Woran liegt das, und warum ist der globale Trend mit 0,22 °C/ Dekade so viel geringer und warum erwärmt sich Südamerika so viel weniger als die anderen Kontinente?  

Dabei hilft sehr eine räumlich hoch aufgelöste Darstellung der Trends:  

Das Bild wurde mit dem KNMI Climate Explorer erzeugt.   

Die Antwort ist so einfach wie altbekannt: 70% der Oberfläche der Erde besteht aus Ozeanen. Darüber kann bei Erwärmung praktisch unendlich viel Wasser verdunsten. Dieser Aggregatzustandswechsel von Wasser zu Dampf entzieht der Oberfläche Energie.
Eine Wärmpumpe oder Ihr Kühlschrank arbeitet nach diesem Prinzip. Es machen die Ozeane also vor. Über Land geht das kaum: die Menge an Wasser zum Verdunsten ist sehr begrenzt. Deshalb erwärmen sich auch Landflächen schneller als „der Rest der Welt“, damit sind die 70% Wasser der Erdoberfläche gemeint. Im östlichen Pazifik und im Südlichen Ozean erwärmen sich große Gebiete praktisch nicht, Klimamodelle können das nicht abbilden.  

Bleibt die Frage nach Unterschieden der Erwärmung nur von Landflächen, also der Kontinente.  Da ist nur die Frage nach Südamerika relevant, alle anderen unterscheiden sich nicht signifikant. Auf dem Kontinent der Südhalbkugel sind sehr viel sehr feuchte Gebiete. Das Amazonasbecken ist riesig und feuchte Gebiete erwärmen sich langsamer als trockene. Nähe zu Ozeanen tut ein Übriges: im südlichen Teil des Kontinents ist der Ozean nur maximal 600 km entfernt, im östlichen Europa sind es doppelt so viele. Der Satz aus dem „Faktenpapier“ ist für sich genommen also ziemlich faktenlos. Vermutlich soll er eine „Botschaft“ transportieren:  

„Europa muss besonders viel gegen den Klimawandel tun, denn es erwärmt sich hier am schnellsten.“ 

Gegen Entfernungen zum Meer und andere, rein geographisch bedingte Unterschiede zu anderen Kontinenten ist aber kein Kraut gewachsen, die Differenzen (außer Südamerika) sind zudem nicht signifikant und damit ein Spielball auch des Zufalls. Reduktion von Emissionen können nicht gemeint sein, die Treibhausgase mischen sich gut in der dynamischen Troposphäre der Erde, daher auch der Begriff „Well Mixed Greenhouse Gases“. CO2 ist schwerer als Luft, natürlich sammelt es sich nicht am Boden! Jede Reduktion von Emissionen wirkt daher nur global. Für die Erwärmungswirkung ist es unerheblich, wo ein Treibhausgase emittiert wird. Den Satz hätte man sich also getrost sparen können.  

Sie müssen sich, das ist die Folgerung, also das „Faktenpapier“ nicht ansehen, gleich im dritten Absatz steht schon ziemlicher Nonsens. Es geht wenig später weiter mit diesem Satz:  

„Die Korallenriffe haben wir vermutlich bereits verloren“, sagt Frank Böttcher, Veranstalter des ExtremWetterKongresses.“ 

Dazu hatten wir im Detail bereits hier schon berichtet und gefunden: Eine ziemlich wilde Story.  

Was da wiedergekäut wird beinhaltet mehr Erzählung als wirkliche Fakten.  

Was sollen solche „Papiere“? Sie versuchen, Stimmung zu machen, das ist wohl die einzig mögliche Erklärung. Nur bei wem soll Stimmung gemacht werden? In einem ähnlichen „Papier“ aus 2017 steht da:  

„Damit war 2016 das wärmste Jahr seit Beginn der Auswertungen und übertraf die vorherigen Rekordjahre 2015 und 2014 – drei Rekordjahre in Folge wurden noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnung registriert.“ 

Der korrespondierende Satz aus dem aktuellen geht nun so:  

„Zudem traten die zehn global wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen sämtlich in den vergangenen zehn Jahren auf – mit 2024 als jüngstem Rekordjahr.“ 

Es ist ständig die gleiche Botschaft, das kann nicht verwundern in einer sich erwärmenden Welt, es ist eine Binse. Da wird null Erkenntnis transportiert. Wen will man damit erreichen, der nicht schon 2017 erreicht wurde?  

So ist denn auch die Zusammenfassung: Statt neuer Fakten viele Allgemeinplätze und sehr oberflächliche Bemerkungen, denn die Frage nach der Signifikanz von vorgeblichen Unterschieden bei der Erwärmung von Kontinenten ist nun weiß Gott nicht sehr viel tiefer gehend. Plätschern an der unmittelbaren Oberfläche und das Wiederholen von altbekanntem: Social Media Stoff für Absender gedacht, die ohnehin schon adressiert waren. Man kann auch sagen: Rausgeschmissene Mühe und viel verbranntes Geld.  

Waren das die versprochenen Fakten in 2025? Oder kommen die noch? Oder gibt es keine neuen?  Vermutlich das letztere!     

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