Klimaschau 209: Highway zur Klimahölle? Hamburger Klimaforscher widerspricht

Klimaschau 209.

HIGHWAY TO CLIMATE HELL
Hamburger Klimaforscher widerspricht

Hamburg. Wohl jeder kennt den legendären Song “Highway to Hell” von AC/DC aus dem Jahre 1979. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, nutzte die Bekanntheit des Liedes anlässlich der COP27 Klimakonferenz in Scharm el Scheich und warnte, Zitat: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle!“. Zitat Ende. Die Süddeutsche Zeitung griff die apokalyptische Vision im November 2022 nur zu gerne auf und berichtete über die Reaktion der deutschen Bundesregierung, Zitat:

„Hungersnöte wegen extremer Dürren, Tausende Tote nach Überschwemmungen und Unwettern: Auf der Weltklimakonferenz hat UN-Generalsekretär António Guterres in düsteren Worten vor den verheerenden Folgen der Erderhitzung gewarnt. „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, sagte Guterres am Montag vor Dutzenden Staats- und Regierungschefs im ägyptischen Scharm el Scheich. Die Bundesregierung kündigte auf dem Gipfel an, ihre Mittel für den weltweiten Schutz der Wälder auf zwei Milliarden Euro verdoppeln und von Klimakatastrophen betroffene Länder stärker zu unterstützen. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte im Plenum an, 170 Millionen Euro für einen neuen Schutzschirm für Klimarisiken zur Verfügung zu stellen. Das Entwicklungsministerium teilte mit, dass die Gelder für den Schutz der Regenwälder in Zentralafrika oder Südamerika um eine Milliarde Euro bis 2025 aufgestockt würden.“

Zitat Ende. Viel Geld, das heute Deutschland schmerzlich fehlt.

Wie kommt Guterres auf? Hier ein Beispiel für die Grundlage solcher Fantasien. Der 2022 verfasste der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf eine Schrift zu einer 3 Grad wärmeren Welt. Darin heißt es, Zitat:

„Doch ziemlich sicher wäre diese Erde voller Schrecken für die Menschen, die sie erleben müssten. Wetterchaos mit tödlichen Hitzewellen, verheerenden Monsterstürmen und anhaltenden verbreiteten Dürren, die weltweite Hungerkrisen auslösen könnten. Steigende Meeresspiegel, die unsere Küsten verwüsten. Umkippende Ökosysteme, verheerendes Artensterben, brennende und verdorrende Wälder, versauerte Ozeane. Failed States, riesige Menschenzahlen auf der Flucht. Das klingt finster und dystopisch und es fällt mir schwer, das zu schreiben, während ich an meine Kinder denke. Aber es ist wahrscheinlich.“

Andere Klimawissenschaftler nervt die Panikmache zunehmend. Der Direktor des renommierten Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, Jochem Marotzke, ließ sich im Mai 2024 von der Bildzeitung interviewen. Klare Botschaft schon in der Überschrift:

„Professor stellt klar: Klimawandel führt nicht zur Hölle auf Erden“. Zitat Ende.

Bild fragt ihn zunächst, was denn die Menschen dazu bewege, wegen des Klimas auf Kinder zu verzichten. Marotzke antwortet, Zitat:

„Mein Verdacht: Es breitet sich ein Klima-Determinismus aus. Die Annahme, das Klima bestimme alles und es sei nichts mehr zu retten, könnte Angst erzeugen.“

Zitat Ende. Bild will wissen, ob denn diese Angst berechtigt sei. Marotzke erklärt, Zitat:

„Ich würde keinem Menschen sagen, er soll oder sollte keine Kinder bekommen. Aber wenn jemand meint: , Ich will wegen des Klimawandels keine Kinder‘, würde ich antworten: Tun Sie sich das nicht an.‘ Ja, die Welt wird risikoreicher. Aber das Leben wird durch so viele andere Sachen bestimmt. Wer Kinder haben möchte, sollte sich vom Klimawandel nicht davon abbringen lassen. Wir bewegen uns nicht in eine Hölle auf Erden. Wir können uns auf die Risiken einstellen, sind nicht machtlos ausgeliefert, uns droht nicht der Weltuntergang. Apokalyptischen Visionen sind maßlos übertrieben.“

Zitat Ende. Was für ein Kontrast zu der Epistel von Rahmstorf! Während DER das Klima in den absoluten Vordergrund aller Sorgen rückt, warnt Marotzke vor „Klimadeterminismus“, der angeblich totalen Abhängigkeit der Zukunft vom Klima. Er führt aus: „Der Blick in die Zukunft ist nicht nur düster“.

Die Vermischung von Forschung und Aktivismus ist ein leider noch verbreitetes Symptom in der Klimaforschung. Dem Gehen viele Medien auf den Leim und helfen so, die Öffentlichkeit zu ängstigen. Wollen wir hoffen, dass verantwortungsvolle Stimmen auch aus der Wissenschaft zunehmend mehr Gehör finden.

Im Juli 2023 gab Jochem Marotzke bereits dem Podcast “Lage der Nation” ein längeres Interview. Man sollte wissen, dass die beiden Gastgeber Philip Banse und Ulf Buermeyer eher dem linken politischem Spektrum angehören. Dennoch ist das Gespräch, das sie mit Jochem Marotzke führen, erstaunlich sachlich und ausgeglichen. Zwar schwingt ab und zu ein “Aber Stefan Rahmstorf hat doch gesagt” mit – ohne ihn zu erwähnen- aber insgesamt ist es doch ausgewogen und wenig aufgeregt.

Wie Aufregung funktioniert, erklärt Marotzke beim Grönlandeis. Als die damalige Kanzlerin Merkel einem kalbenden Gletscher bei Grönland sah und völlig konsterniert war wegen des Klimawandels, fehlte jemand wie er, der ihr erklärt hätte, dass es ein völlig normaler Vorgang ist. Schnee fällt im Inland von Grönland, Gletscher bilden sich und werden höher und schließlich drücken sie ans Meer der Physik folgend. Der Rückgang der Gletscher in den Alpen sei laut Marotzke ein viel brauchbareres Signal für Klimawandel, auch weil davon viele Quellflüsse betroffen sind. Marotzke führt aus, dass ein Abschmelzen des grönländischen Inlandeises einen Anstieg des weltweiten Meeresspiegels um 7 Meter zur Folge hätte, ergänzt dann aber um den Faktor Zeit, in dem dieses stattfinden könnte: Einige Hundert, möglicherweise Tausend Jahre.

Auch beim Thema Kohlenstoffabscheidung ist die Haltung von Marotzke klar. Er geht davon aus, dass wir Technik einsetzen werden und müssen. Er ist da offenbar weiter als die Grünen, die diese Technik, in der Deutschland einst führend war, erfolgreich verhindert haben.

Kurzum, die Stunde mit dem Interview geht schnell vorbei, die Fragesteller haben sich offenbar vorbereitet und verfallen nicht in Doomismus. Marotzke ist sich auch nicht zu schade, immer wieder zu betonen, dass die Wissenschaft in einige Fällen noch viel zu wenig weiß und es Unsicherheiten gibt. Das ist Wissenschaft im besten Sinne: Je mehr jemand über ein Gebiet weiß, desto mehr sind ihm auch die Unsicherheiten des aktuellen Wissens bewusst. Es fehlt dann allerdings die Innbrunst der Überzeugung. Oder umgekehrt: Wo die ist, ist weniger Wissenschaft. 

Ein weiteres Interview mit Jochem Marotzke erschien im November 2023, veröffentlicht als Pressemitteilung durch die Max-Planck-Gesellschaft. Während für andere Wissenschaftler das Kippen der Atlantischen Umwälzströmung längst beschlossene Sache ist, führt Marotzke im Interview überzeugend aus, wo die Probleme bei der These liegen. Auffallend auch, dass er nicht die Worte Klimakrise benutzt oder Klimakatastrophe. Er hält den Krisenmodus, den sich so viele seiner Kollegen sehnlichst wünschen, für falsch bei der Bewältigung der Aufgaben. Ein paar Auszüge:

Frage der Max-Planck Gesellschaft:“Wenn das System kippt, würde die Zirkulation dann für immer stoppen?

Marotzke antowrtet hierauf: Das Bild eines Kipppunkts, das man oft im Kopf hat, ist: Da fällt was um, und es steht nicht wieder auf. Eine Definition aus dem Jahr 2008, die inzwischen oft verwendet wird, verlangt nicht mehr, dass der Übergang irreversibel ist. Hier ist nur noch von einem Punkt die Rede, jenseits dessen das System deutlich empfindlicher oder sogar instabil wird und sich Veränderungen beschleunigen. Demnach würde die Atlantische Umwälzströmung einen Kipppunkt überschreiten, auch wenn die Zirkulation nur kurz stoppt und dann wieder anfährt.

Zitat Ende.

Frage der Max-Planck Gesellschaft: Wie schätzen Sie ab, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Szenario in Ihrem Modell ist?

Marotzke antwortet hierauf: Um zu beobachten, wie sich die Strömung genau verändert, brauchen wir engmaschige und sichere Messungen. Die haben wir erst seit dem Jahr 2004. Ich habe damals eine recht einfache Methode vorgeschlagen, an den Rändern des Atlantiks die Dichte des Wassers zu messen. Wasser fließt als Ausgleichsströmung zwischen Regionen unterschiedlicher Dichte und so konnten wir dann über mathematische Verfahren auf die Stärke der Gesamtzirkulation des Atlantiks schließen.

Zitat Ende.

Frage der Max-Planck Gesellschaft: Zeigen Ihre Daten eine Abschwächung?

Marotzke antwortet: Wir sehen einen Trend. Ob diese Abschwächung natürlich oder anthropogen (also menschengemacht) ist, wissen wir nicht. Die Fluktuation in den Daten ist immer noch zu hoch.

Marotzke geht aber auch auf die Wissenschaft und ihr Verhältnis zur Politik ein. Und auch hier kritisiert er sehr fein einige seiner medial bekannteren Kollegen.

Zitat Ende.

Frage der Max-Planck Gesellschaft: “Hinter der Wissenschaft und Politik stecken durchaus unterschiedliche Werte und Ziele. Da entsteht Reibung, zumal die Zivilgesellschaft Erwartungen an beide Seiten hegt.

Marotzkes Antwort: Die Politik muss völlig zu Recht sehr viel mehr einbeziehen, als nur wissenschaftliche Erkenntnis. Gut gemachte Politik ist in einer Demokratie dafür da, für einen Interessenausgleich zu sorgen, sie hat auch eine Leitfunktion. Das weiß ich sehr zu schätzen. Wenn Politik so streng konsistent wäre, wie die Wissenschaft es sein muss, wäre sie handlungsunfähig.

Zitat Ende.

Frage der Max-Planck Gesellschaft: Wie sollten diese Akteure zusammenarbeiten?

Marotzke antwortet: Ich wünsche mir, dass Wissen systematischer einbezogen würde. Oft werden Expertinnen und Experten rangeholt, die der Politik sagen, was sie hören will. Ich will der Politik nicht einflüstern, was sie zu tun hat. Es wäre wichtig, dass der Diskurs offener gestaltet wird und dass die volle Breite der Argumente vorgetragen wird, auch wenn sie die Politik nicht hören will. Ein schönes Beispiel: Ich durfte schon zwei Mal bei einem Schmidt-Gespräch im Hause von Helmut und Loki Schmidt in Hamburg dabei sein, wo Menschen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft für einen offenen Diskurs zusammen kommen. Es geht hier ums Verstehen im allerbreitesten Sinne, auch um das Verstehen der jeweils anderen Seiten. Ich schätze diesen geschützten Raum, in dem man die Zeit hat, im tiefgründigen Austausch herauszuarbeiten, welche Aspekte vielleicht noch unberücksichtigt sind.””

Zitat Ende.

Es ist gut, dass es nicht nur Stefan Rahmstorfs gibt, die aus ihrer mächtigen Klimagefechtszentrale auf dem Potsdamer Telegrafenberg aus Klimaalarm in Serie produzieren. Politik und Gesellschaft sollten stattdessen lieber Klimaforschern wie Jochem viel mehr Gehör schenken.

LINKS:

KlimaNachrichten: Highway to (Climate) Hell…

SZ: https://www.sueddeutsche.de/politik/cop27-un-chef-warnt-wir-sind-auf-dem-highway-zur-klimahoelle-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-221107-99-412049

Rahmstorf 2022: https://www.pik-potsdam.de/~stefan/Publications/Klima%20und%20Wetter%20bei%203%20Grad%20mehr.pdf

Bild: https://www.bild.de/leben-wissen/wissenschaft/sollten-wir-fuers-klima-keine-kinder-mehr-bekommen-663890d885dc337430dbb541

Marotzke-Interview im Podcast “Lage der Nation”: https://lagedernation.org/podcast/ldn343-spezial-jochem-marotzke-klimaforscher/

MPG-Pressemitteilung: https://www.mpg.de/21173804/interview-marotzke-klimakommunikation

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