Von Frank Bosse
Die Daten des DWD für den Monat sind nun offiziell. Hier der Überblick für Temperatur und Niederschlag im Deutschlandmittel:
Im Kontext der letzten 100 Jahre sind weder die 15,4 °C Mitteltemperatur noch die 103 mm Niederschlag im September 2024 herausragend. Die Ausschläge bei den Temperaturen übersteigen die Marke von 16°C nach 2000 deutlich gehäuft, vom Rekord im letzten Jahr (17,3°C) waren wir jedoch aktuell 1,9°C entfernt. Für Trends sind einzelne Jahre kaum bedeutsam, so erwärmt sich auch der September seit 1980 mit rund 0,4 °C/Dekade wie der 30-jährige Tiefpass zeigt.
Wie schon so oft: Beim Niederschlag ist da Fehlanzeige. Er ist hoch variabel, auf Jahre mit wenig (wie in den frühen 70er Jahren und 2015-2021) folgten schon immer welche mit sehr viel und umgekehrt.
Das herausragende europäische Wetter-Ereignis fand im September weniger in Deutschland als östlich von uns statt. Der Ausgangspunkt war eine warme Witterungsphase, die jäh durch einen „Arktischen Ausbruch“ beendet wurde. Die europäische Agentur „Copernicus“ veröffentlichte ein Satellitenbild davon, es zeigt das Geschehen vom 11.9.2024:
Quelle
Von Norden her schob sich polare Kaltluft südwärts vor, es bildete sich ein Tief (das Wolkenband zeigt es an) an der Grenze zur weiter südlich liegenden Warmluft, das in der Folge bis zum Mittelmeer vorankam und später wieder Nord-Ostwärts schwenkte Richtung Slowenien, Österreich und Polen. Man nennt solch eine Lage “Vb-Tief”, nach der historischen Einteilung der Zugrichtungen von Tiefdruckgebieten in Europa benannt. Dass es da immer viel regnet, sieht man dem Gebilde schon an. Die bedeutenden Hochwasser (z.B. 1997 Oder und 2002 Elbe) sind mit solchen Ereignissen verbunden. Und tatsächlich sorgte auch das Tief im September 2024 für Fluten. In Deutschland lief das noch glimpflich ab, die Flusspegel von Elbe und Oder blieben unter den Rekorden und der Fortschritt beim Hochwasserschutz wirkte auch entlastend. Das war in Tschechien, Polen und Österreich nicht unbedingt der Fall, hier gab es Rekorde, Überflutungen, Zerstörungen und leider auch Todesopfer.
Ist das eine Folge des Klimawandels? Einzelne Ereignisse sind da immer schwer zu bewerten, nichtsdestotrotz gab es medial viele schnelle Schuldzuweisungen. Einige fanden gar „Die Ursache“ beim Menschen, zumindest in der Überschrift.
Die Atmosphärendynamik ist gerade bei solchen Events der entscheidende Faktor. Aktuell kam erschwerend auch noch hinzu, dass nördlich des fraglichen Gebietes ein stabiles blockierendes Hoch lag, sodass das Niederschlagsgebiet nicht wie üblich nordwärts Richtung Ostsee abziehen konnte, sondern relativ stationär abregnete. Am Ende also streng genommen kein regulärer Vb-Verlauf, atmosphärendynamisch bedingt verschärfte sich die Lage noch. In einem „Attributionsbericht“ wurde Ende September gefolgert:
„The combined change, attributable to human-induced climate change, is roughly a doubling in likelihood and a 7% increase in intensity.”
Wie kommen die Autoren auf diese Schlussfolgerung der ungefähren Verdopplung der Wahrscheinlichkeit und einem 7%igen Ansteigen der Intensität von Vb-Ereignissen durch den menschgemachten Klimawandel?
Das Verfahren ist stets sehr ähnlich: Man vergleicht Beobachtungen des realen Geschehens mit Klimamodellen, bei denen man den anthropogenen Klimawandel „abschalten“ kann und die Differenz sei dann klimawandelbedingt.
Man muss dann allerdings zwingend voraussetzen, dass diese Modelle (Klimawandel angeschaltet) auch einigermaßen gut die Realität abbilden.
Der Klimawandel (besser gesagt der thermodynamische Temperaturantrieb durch Faktoren wie CO2 etc., in der Wissenschaft „Forcing“ genannt) ist in jedem Klimamodell eingebaut. Dann sollte auch das Mittel aller neuesten Modelle für den 6. Sachstandsbericht des IPCC (CMIP6 Multi Model Mean, MMM) den Niederschlag so abbilden auf längere Zeiträume, wie er beobachtet wird. Die Probe für das Vb-Gebiet ernüchtert:
Die räumlich aufgelöste punkweise Korrelation des Niederschlags, vom MMM errechnet, mit den Beobachtungen 1975 bis 2023 im jeweiligen September. Das Bild wurde mit dem KNMI-Climate Explorer generiert. Unten im Text die Zusammenfassung: Da ist nur zufälliges statistisches Rauschen im September, wie auch für ganze Jahre.
Den Autoren des Berichtes musste das auch bewusst gewesen sein, sie schrieben an anderer Stelle:
„To quantify the role of human-induced climate change on this increase, we analyse climate models that are able to simulate heavy rainfall in the area…”
Hier muss man fragen: Welche „fähigen“ Modelle wurden verwendet zur Analyse, wie gut bilden diese die Realität ab und warum tun das offensichtlich nur einige wenige? Zufall?
Gerade die Modellierung des Niederschlags ist ein Feld, das von Modellen kaum zu beackern ist, eben weil die dort vorherrschende turbulente Atmosphärendynamik bisher nicht mit der notwendigen Stabilität zu modellieren ist. Hierfür ist u.a. die räumliche Auflösung der vorhandenen Modelle viel zu gering.
Dann sagt auch die Differenz Klimamodelle (ohne Forcing) – Beobachtungen leider nicht viel aus, anders als bei den Temperaturen, bei der die Thermodynamik (Erwärmung) in langen Zeiträumen obsiegt, vgl. die Temperaturen und Niederschläge in Deutschland, oben gezeigt.
Der Regen- Modellvergleich ist also bei Licht besehen auf „schwankendem Grund“. Wie sieht es mit Trends aus?
Im Bericht ist eine Datenbasis verwendet, die Reanalyse ERA5 für die 4-tägige Summe des Niederschlags ab 1950 im Gebiet, das oben gezeigt ist. Ganz abgesehen von der berechtigten Frage, ob die Zeitspanne ab 1950 für den Zweck ausreichend ist, ist das nachzuvollziehen:
Wenn man (aus den Temperaturen gefolgert) voraussetzt, dass der anthropogene Klimawandel ab 1975-1980 merkbar einsetzt, so sollte man einen steigenden Trend im Starkregen von da an bis 2023 (homogene Daten vom September 2024 liegen noch nicht endgültig vor) auch im Vb-Gebiet erkennen. Da ist aber keiner.
Auch ein (zu erwartender) starker Ausschlag in 2024 (erste Messungen finden ca. 73 mm!) wäre ein „Ein Jahres-Trend“ und ohne jede Bedeutung. Das alles sagt nichts dagegen, dass z. B. ein wärmeres Mittelmeer (Klimawandel) zu mehr Verdunstung führt und die wiederum zu mehr Regen über Land.
Nur: sehen wir wirklich einen deutlichen, real quantifizierbaren Einfluss des Menschen auf den Starkniederschlag bei Vb-Lagen? Alle verfügbaren Daten sagen NEIN. Die Atmosphärendynamik ist derart variabel, dass so etwas kaum gelingen kann. So erscheinen die Schlussfolgerungen im „Attributionsbericht“ auch eher übertrieben sicher. Für die Galerie halt, zu weit weg von empirischer Wissenschaft.