Der Winter der Verzweiflung

John Kennedy, Klimaforscher vom britischen Metoffice wagt auf seinem Blog ein Gedankenexperiment. Was würde passieren, wenn wir Menschen es tatsächlich schaffen, der Atmosphäre große Mengen Kohlenstoff wieder zu entziehen und auf Werte wie zu Beginn der Industrialisierung zurückzukehren? Aus dem übersetzten Essay von Kennedy:

“Nun kühlt diese groß angelegte Entfernung von Treibhausgasen  die Erde ab. Das hat natürlich einige positive Auswirkungen – Hitzewellen sind weniger intensiv, Gletscher beginnen zu wachsen und sorgen für eine zuverlässige Wasserversorgung von Millionen Menschen, Regenfälle sind weniger intensiv und so weiter – wir gehen davon aus, dass dies eine Selbstverständlichkeit ist. Doch gleichzeitig kommt es immer häufiger zu Kältewellen, die jedes Jahr Tausende von Menschen töten .

Die Vegetationsperioden werden kürzer und Spätfröste treten häufiger auf. Darüber hinaus bedeutet weniger CO2 eine geringere Gemüseproduktivität – die Welt wird buchstäblich weniger grün. Starke Schneefälle beeinträchtigen jedes Jahr immer größere Gebiete der Welt für längere Zeit. Das arktische Meereis schreitet voran und blockiert die Schifffahrtswege. Zusammengesetzte Ereignisse – extreme Kälte und Dürre – treten ebenfalls immer häufiger auf und fügen Elend nach Elend hinzu. Man geht davon aus, dass atlantische Hurrikane häufiger und schneller auftreten, obwohl sie individuell weniger intensiv sind. Es sind nicht nur die Menschen, die leiden, denn während die Welt abkühlt, werden Ökosysteme gestört.”

Alles hat mit allem zu tun, das will Kennedy uns hier sagen. Er legt damit einen Finger in die Wunde vieler Klimaforscher und Aktivisten. Die gehen nämlich davon aus, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Art Klimaoptimum herrschte. Das war aber mitnichten der Fall. Wir hatten im Jahre 2022 schon einmal einen Artikel über die Franklin-Expedition, die im 19. Jahrhundert eine Art Opfer der kleinen Eiszeit wurde. Der Weg an der Nordküste Kanadas zum Pazifik war sogar im Sommer verreist und das Schicksal der Expedition war besiegelt. Es überlebte niemand.  Die Welt kam gerade aus einer kleinen Eiszeit, die aber momentan eigenartig romantisch verklärt wird.  Das Böse kam mit Verbrennungsmaschinen in die Welt, so lautet das Credo. Aber ist eine Klima-Situation wie Mitte des 19. Jahrhunderts wirklich erstrebenswert?

Was Kennedy macht ist wie Attributionsforschung andersherum. Er dreht den Spieß dabei einfach um bis hin zu Fragen, wer für die Effekte der Abkühlung zahlen soll. Denn auch bei Abkühlung geht es um Geld, wieso sollte es auch anders sein?

“Ein Team von Wissenschaftlern verwendet eine Technik namens Extremereignis-Attribution, um zu bestimmen, was diese Kältewellen, schlechten Vegetationsperioden, Fröste und Schneefälle „verursacht“ hat, die weltweit verheerende Schäden anrichten. Sie stellen immer wieder fest, dass die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes für diese Störereignisse und die damit verbundenen enormen Verluste verantwortlich ist. Man spricht davon, die Ölkonzerne zu verklagen, die letztendlich dafür verantwortlich sind, all dieses CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.

Einige Länder – reichere Länder – tragen eine größere Verantwortung als andere. Sie entziehen der Atmosphäre viel mehr Treibhausgase und sind nicht diejenigen, die unter den schlimmsten Folgen leiden. Es ist klar, dass jemand dafür zahlen muss. Die Wissenschaftler, die diese Studien durchführen, legen großen Wert darauf, darauf hinzuweisen, dass Verwundbarkeit eine wichtige Rolle bei den Verlusten spielt und dass viel getan werden könnte, um sich anzupassen, aber niemand hört darauf.”

Es macht Spaß diesem Gedankenexperiment zu folgen, man entdeckt sehr viele Parallelen zu unserer Zeit.

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Erst kürzlich haben wir über neue Entwicklungen bei Katalysatoren berichtet, die aus CO2 CO herstellen können. Die Forschung geht weiter und der Ansatz, den die Northwestern University (USA) erforscht hat, klingt nach einer kostengünstigen Lösung, denn es kommt Zucker zum Einsatz. Scitechdaily:

“A new catalyst made from an inexpensive, abundant metal and common table sugar has the power to destroy carbon dioxide (CO2) gas.

In a new Northwestern University study, the catalyst successfully converted CO2 into carbon monoxide (CO), an important building block to produce a variety of useful chemicals. When the reaction occurs in the presence of hydrogen, for example, CO2 and hydrogen transform into synthesis gas (or syngas), a highly valuable precursor to producing fuels that can potentially replace gasoline.

With recent advances in carbon capture technologies, post-combustion carbon capture is becoming a plausible option to help tackle the global climate change crisis. But how to handle the captured carbon remains an open-ended question. The new catalyst potentially could provide one solution for disposing of the potent greenhouse gas by converting it into a more valuable product. The study will be published in the May 3 issue of the journal Science.

“Even if we stopped emitting CO2 now, our atmosphere would still have a surplus of CO2 as a result of industrial activities from the past centuries,” said Northwestern’s Milad Khoshooei, who co-led the study. “There is no single solution to this problem. We need to reduce CO2 emissions and find new ways to decrease the CO2 concentration that is already in the atmosphere. We should take advantage of all possible solutions.””

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Der Fahrstuhl der nach oben fährt, der fährt auch wieder runter. Bei Greta Thunberg fragt man sich, wieviel Kellergeschosse es gibt beim Fahrstuhl, in dem sie gerade fährt. In ihrer Heimat Schweden findet gerade der Eurovision Song Contest statt. Greta Thunberg demonstriert gegen die Teilnahme einer israelischen Sängerin bei dem Wettbewerb zusammen mit einem Mob, der dafür sorgt, dass die Sängerin nur unter starken Polizeischutz zwischen Hotel und Halle unterwegs sein kann.  Marco Gallina bei TE über die Gallionsfiguren der Klimabewegung.

“Nun gab es gleich mehrere Anwärterinnen der Nachfolgerin der Johanna von Orléans. Da wäre etwa Carola Rackete: die todesmutige Skipperin, die sich gegen italienisches Recht und Gesetz stellte, um Migranten nach Europa zu bringen. Sie war ein deutsches Medienphänomen; einem Testlauf nicht unähnlich, inwiefern man linksradikale Ideologie salonfähig machen kann, indem man sie personalisiert. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung verklärte sie die italienische Philosophin Donatella Di Cesare gar zu einer Antigone-Gestalt. Dass die Salvini-Antagonistin klare politische Absichten hat, zeigte sich spätestens an ihrer Kandidatur für das EU-Parlament.

Von Rackete ist es zu Luisa Neubauer und Greta Thunberg nicht weit. Allen dreien ist gemein, dass ihr ursprüngliches Thema – bei Rackete die Migration, bei Neubauer und Thunberg der Klimaschutz – auf dem Zenit der jeweilige Karriere nicht nur mit den drei jungen Frauen assoziiert wurden; sie waren „Gesichter“ der jeweiligen Bewegung. Ein Trick der Illusion bestand darin, die jeweilige Person mit dem Thema zu verschmelzen – es ging allen „um die Sache“.

Es fällt vor allem auf, wie still die deutsche Sektion von Fridays For Future ist. Nach wie vor fehlt eine öffentliche Distanzierung zu Greta Thunberg.

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Mit dem Stromgesetz, über das die Schweiz im Juni abstimmt, will sich das Land unabhängig von Gas- und Ölimporten machen. Die Folge wird aber sein, dass vermehrt klimaneutrale Brennstoffe aus dem Ausland importiert werden müssen. Für die Unabhängigkeit ist darum nichts gewonnen, im Gegenteil, wie Alex Reichmuth im Nebelspalter (https://www.nebelspalter.ch/themen/2024/05/muss-die-schweiz-bald-doppelt-so-viel-fuer-energieimporte-bezahlen) aufzeigt.

Abstimmung über das Stromgesetz
Muss die Schweiz bald doppelt so viel für Energieimporte bezahlen?

Die Fakten: Ein Ziel der Energiestrategie und des Stromgesetzes besteht darin, die Schweiz möglichst unabhängig versorgen zu können. Doch ein Fachmann rechnet vor, dass die Schweiz künftig sogar doppelt so viel für Energieimporte wie heute ausgeben muss.

Warum das wichtig ist: Importe von Öl, Gas und Strom sind für die Schweiz ein Risiko. Sie macht sich damit abhängig vom Ausland und fördert unter Umständen unliebsame Potentaten-Staaten. Nun wird der Schweizer Bevölkerung versprochen, dass es mit dem Stromgesetz, über das am 9. Juni abgestimmt wird, mehr Unabhängigkeit gebe.

Das Zitat: «Rund 70 Prozent der Energie kommt aus dem Ausland, vor allem im Winter. Und dieser Import wird immer unsicherer.» (Roberto Schmid, Präsident der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren und Befürworter des Stromgesetzes, NZZ, 2. Mai 2024, siehe hier)

Weiterlesen im Nebelspalter (https://www.nebelspalter.ch/themen/2024/05/muss-die-schweiz-bald-doppelt-so-viel-fuer-energieimporte-bezahlen). Der Beitrag kann nach 20 Sekunden Werbung freigeschaltet werden.

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