Der Klimawandel und seine Kosten

Von Frank Bosse

Vor wenigen Tagen erschien eine Arbeit, die Eingang in die Schlagzeilen fand: Die Kosten des Klimawandels, viele Medien berichteten, auch die „Frankfurter Rundschau“. Die Wissenschaftler des „Potsdam Institut für Klimafolgenforschung“ errechneten die Kosten, die global durch den Klimawandel entstehen sollen. Der ökonomische Teil sei hier mal außen vorgelassen, es interessiert der „Input“, die erwartete Klimaänderung, insbesondere die Erwärmung. Die Autoren verwendeten dafür Klimamodelle, führen in der „Supplementary Information“ in Tabelle 5 die 21 benutzten CMIP6 Modelle auf. Welche Szenarien ergeben sich, wenn das der Ausgangspunkt ist? Dafür sind zwei Größen entscheidend:

(1) Wieviel Treibhausgasemissionen werden erwartet neben anderen Antrieben wie Landnutzung etc.?

(2) Wie empfindlich ist unser Klimasystem auf diese Antriebe?

Für die Näherung von (1) gibt es seit dem 5. Sachstandsbericht des IPCC „Emissionsszenarien“, damals „RCP“, seit dem 6. Bericht “SSP” genannt. Der Kern ist sehr ähnlich geblieben, benannt sind beide nach dem erwarteten Strahlungsantrieb (in W/m²) im Jahr 2100.
Die Spanne ist groß, es werden 2,6 W/m² (RCP 2.6 oder SSP2-2.6) bis 8,5 W/m² (RCP 8.5 oder SSP5-8.5) bestrichen.

In Fig. 1 der Arbeit beschreiben die Autoren die Spanne der Kosten für Verhinderung („Mitigation“) und die Kosten durch Klimaschäden global, abhängig von den in der Arbeit benutzten Szenarien:

Abb.1: Eine Reproduktion von Teilen von Fig.1 des besprochenen Papers.

Es werden beide „Ränder“ der Szenarien benutzt. Beide sind höchst unwahrscheinlich. Wir haben gegenwärtig ca. 3 W/m² Strahlungsantrieb, das Szenario RCP 2.6 setzt also eine Reduktion bis 2100 voraus, und erwartet aktuell nur etwa 2,7 W/m². Das Szenario RCP 8.5 wurde ursprünglich nur für Modellsimulationen entwickelt und erzeugt unrealistisch hohe zukünftige Erwärmungswerte, wie schon vor Jahren in der Literatur festgestellt. Das wahrscheinlichste Zukunftsszenario RCP 4.5 wird in der Arbeit nur am Rande erwähnt, den Verlauf kann man in Fig.1 nur erahnen, wohl irgendwo zwischen dem blauen Feld und dem orangen.

Die Antwort auf (2) sollen die erwähnten 21 Klimamodelle geben mit der Kernfrage: der „Sensitivität“. Dafür gibt es zwei Metriken, die TCR (Transient Climate Response), die die Empfindlichkeit meint während der Erwärmungsphase selbst und die ECS (Equilibrium Climate Sensitivity) nach dem Erreichen eines Gleichgewichts, das dauert mehrere Jahrhunderte. Bis 2100 spielt die TCR die Hauptrolle.

Die Modellempfindlichkeit wird bewertet an dem, was für die reale Welt bekannt ist. Für die ECS gab der IPCC AR6 eine Spanne von bis zu 4,5°C pro Verdopplung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre an, eine Reihe von Klimamodellen der CMIP6-Familie gingen z.T. deutlich darüber hinaus. Daher wurde schon alsbald vorgeschlagen, nur solche Modelle für Zukunftsaussagen zu benutzen, die diesen Bereich einhielten. Eine Reihe von Arbeiten erschien dazu, Tokarska et al. (2020) war wegweisend. Das Prinzip ist einfach: Man sortiert die Modelle aus, die nicht den Rahmen von Beobachtungen einhalten.
Die „Beobachtung“ der ECS sind alles andere als einfach, es werden viele „Lines of Evidence“ benötigt, um einen immer noch recht breiten „Korridor“ zu definieren. Besonders hilfreich sind dabei Langzeit-Eingrenzungen, z.B. die Verhältnisse im letzten glazialen Maximum vor ca. 20.000 Jahren im Vergleich zu den Zeiten vor der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Auch hierzu erschienen viele Arbeiten, die letzten beiden waren Annan et al. (2022) und, ganz neu in den letzten Tagen, Cooper et al (2024) mit einem ganzen Schaar sehr prominenter Ko-Autoren. Letztere Arbeit grenzt den ECS- Bereich ein, indem sie folgern: „2.1° to 4.1°C, 5 to 95%“. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber den Vorjahren, insbesondere die 90%-Eingrenzung, und man sollte das als „Stand des Wissens“ zumindest nach oben hin akzeptieren.

Nach diesem Ausflug an die vorderste Front der Erkenntnis in der Klimawissenschaft zurück zu der PIK-Arbeit über die erwarteten Kosten. Die kann man nur einigermaßen verlässlich beziffern, wenn man weiß, wie das Klima sich zukünftig entwickelt. Die verwendeten 21 CMIP6- Modelle ergeben ein „Mean“ der erwarteten Temperaturen und die ECS steckt den Rahmen ab. Wie ordnen sich die Modelldaten aus Kotz et al. 2024 ein?

Abb.2: Die 21 verwendeten Modelle mit ihren ECS- Werten und dem 5-95% „likely“ Bereich nach neuesten Erkenntnissen. Nach unten weicht ein Modell ab, nach oben deren 10! Die Auswahl begünstigt eindeutig hohe ECS-Werte, das „Mean“ ist verschoben in Richtung zu hoher Erwärmung.

Wenn man den Weg aus Tokarska et al. (2020) auch mit den verwendeten Modellen geht, so reduziert sich die mittlere TCR von 2,0 °C/2*CO2 auf 1,68 °C/2*CO2, um 15%, weil viele Modelle da zu „heiß“ laufen. Beobachtet wird momentan eine TCR von ca. 1,5°C/2*CO2. Welche Auswirkung hat das auf die Projektionen der erwarteten Land-Temperaturen, hauptverantwortlich für die „Klimakosten“? Mit den Daten der „RCP“ und den Empfindlichkeitsdaten seien hier die Mittelwerte der Bereiche dargestellt:

Abb.3: Die erwartete “Mean” der Erwärmung der Landtemperaturen für das reine Modellszenario RCP 8.5, wie in Kotz et al (2024) verwendet für die zu hohe Modell-Empfindlichkeit in Rot, für die justierte Empfindlichkeit in Orange. Für 2050 ergibt sich dadurch eine um 0,7 °C geringere globale Landtemperatur. Im sehr wahrscheinlichen Szenario RCP 4.5 (leider in Kotz et al. (2024) so nicht gezeigt) sehen wir in 2050 nicht 2,9°C Erwärmung, sondern nur ca. 2,5°C. Gegenwärtig stehen wir (die schwarze Linie bis 2023) bei ca. 2°C. Die Beobachtungen (HadCRUT5) wurden in der Abbildung an die Modellwerte von 1980 angepasst.

Mit der höchsten Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des Strahlungsantriebes (RCP4.5) und der korrigierten Empfindlichkeit des Klimasystems erwarten wir also ca. 0,4-0,5°C höhere globale Landtemperaturen in 2050 gegenüber der Gegenwart. Es ist an Ökonomen zu bewerten, ob die Klimakosten bei dieser zusätzlichen Erwärmung so hoch sind, wie in Kotz et al (2024) vermutet.
Das erscheint kaum wahrscheinlich, da im Szenario RCP 2.6 sich die Landtemperaturen im Jahre 2050 nicht von denen von heute unterscheiden sollen wenn man die Empfindlichkeit nachjustiert, wie beschrieben und in der Literatur empfohlen. Ohne diese Justage ergeben sich in 2050 ca. +0,2 °C gegenüber heute. Man schaue sich die hohen Kosten bei dem Szenario in Bild 1 bis 2050 mit ca. -15,5% im Pro-Kopf-Einkommen gegenüber 2021 an!

Die “Klimakosten” in der Arbeit (Abb.1) korrelieren jedenfalls sehr gut linear mit der erwarteten Erwärmung der globalen Landtemperaturen, ermittelt mit den nicht justierten Modellen:

-10%/ 1°C Erwärmung ab heute – 14% für das Pro-Kopf-Einkommen.  Ob das so zulässig ist, sei dahingestellt.  

Das Mean der 21 Modelle ist aufs Haar gleich zum Mean aller CMIP6-Modelle. Über seine Verwendung urteilte Gavin Schmidt schon 2021:

„The default behavior in the community has to move away from considering the raw model ensemble mean as meaningful.”  

Man sollte das unbehandelte Modell-Ensemble nicht als bedeutsam ansehen. Leider taten das jedoch offensichtlich die Autoren der besprochenen Arbeit und vernachlässigten schon jahrelang bekannte Erkenntnisse. Schade. Und ebenfalls schade, dass die Medien die Meldung über die Studie komplett unkritisch übernommen haben. Hinterfragen hilft weiter!

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