Der perfekte Sturm

Wir haben hier schon mal über das Buch von Sebastian Junger geschrieben. Sein Beststeller wurde im Jahr 2000 von Wolfgang Petersen verfilmt. Es geht im Buch und dem Film um die Crew eines Fishtrawlers, die in einen Sturm gerät, bei dem vieles unglücklich zusammentrifft. Es gab kein Happyend, so viel sei verraten. Die Metapher wird gern dafür benutzt, wenn ungünstige Dinge zusammenkommen und etwas ganz Schlechtes passiert. Peter Seppelfricke von der Zeitschrift Capital hat sie auch genutzt für den deutschen Strommarkt. 

“Für die Nachfrager von Strom (Stadtwerke und Industrie) brechen deshalb – im wahrsten Sinne des Wortes – dunkle Zeiten an. Es wird Zeiten geben, in denen sie ihren Bedarf nicht decken können oder Mondpreise bezahlen müssen. Stadtwerke werden dann in eine ähnliche Lage geraten wie die Banken in der vergangenen Finanzkrise: Langfristige Lieferverpflichtungen auf der Absatzseite werden nicht durch entsprechend lange Verträge auf der Einkaufseite gedeckt. Es wird nicht lange dauern, bis diese erheblichen operationalen Risiken zu Schieflagen bei vielen Stadtwerken führen werden. Und auch die deutsche Industrie wird bei deutlich steigenden und sehr unsicheren Strompreisen das Weite suchen. […]. Mit anderen Worten: Aufgrund der hohen Volatilität erhalten die Anbieter von Strom wertvolle Optionen, die sie in Zukunft sehr häufig gewinnbringend ausüben können. Das hat absurde Folgen für den Strommarkt: Die Ausübung der Optionen (Rückkäufe der Futures) ermöglich Gewinne für die Anbieter, ohne dass zusätzlicher Strom produziert wird.” 

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Agroforst: Unsere Vorfahren wussten bereits, wie wertvoll Wälder, Bäume und Wallhecken sind. Norddeutschland ist immer noch geprägt von Knicks, also Wallhecken rund um Äcker. Aus vielen Gründen, wie man heute weiß. Die Tagesschau hat einen Artikel dazu. 

“Die Gehölze fixieren in jedem Fall Kohlenstoff in ihren Wurzeln. Und wenn die Baumreihen zum Beispiel aus Wildkirschen oder anderem Wertholz bestehen, dann ist das Kohlendioxid im Holz auch über Jahrzehnte gespeichert. Wenn das Holz für den Bau oder bei der Möbelherstellung eingesetzt wird, noch deutlich länger. Bäume kühlen durch ihre Verdunstungsleistung im Sommer und haben allgemein eine mäßigende Wirkung auf das Mikro-Klima. Weitere Vorteile: Sie bremsen Winde, stabilisieren den Wasserhaushalt und verbessern die Wasserqualität. Agroforst-Systeme bringen auch mehr Artenvielfalt, obwohl die Erträge nach den bisherigen Erfahrungen nicht sinken. Eine Besonderheit, denn normalerweise ist eine steigende Artenvielfalt in der Landwirtschaft immer mit sinkenden Erträgen gekoppelt. Isabelle Frenzel vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft, kurz DeFAF, nennt als Beispiel eine Untersuchung, bei der die Regenwurmdichte verglichen wurde. Dort wurden auf der Agroforstfläche zwölfmal mehr Regenwürmer gefunden als auf einem konventionellen Acker “und auch teilweise Tiefengräber”. Also Regenwürmer, die bis in Tiefen von zwei Meter und mehr senkrechte Gänge graben und so vorbeugenden Hochwasserschutz betreiben. Ein weiterer Pluspunkt: Baumreihen und Hecken steigern vor allem in ausgeräumten Fluren die Attraktivität der Landschaft.” 

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Die nächste Stufe bei den Kipp-Punkten. Ein Mathematiker versucht sie zu berechnen in Spektrum der Wissenschaft. Warum er dennoch im Konjunktiv bleibt, ist etwas irritierend. 

“Das Klima der Erde hat also – leider – viele Möglichkeiten zu kippen. Und jede Menge Kippelemente: neben dem Grönlandeis zum Beispiel das Eis der Antarktis oder die Permafrostböden. Aber auch die Korallenriffe sind ein Kippelement: Wenn sie absterben, dann kommen sie so schnell nicht wieder. Zu dieser Kategorie zählen ebenso Regenwälder wie der Amazonas, die von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle werden könnten.” 

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Wir bleiben bei Spektrum. Dort erschien ein Artikel zum Thema Warm- und Kaltzeiten und Pandemien. 

“Alle drei Krankheitsausbrüche fallen demnach mit einer deutlichen Abkühlung zusammen. Die ersten beiden Seuchenzüge fallen auf ausgeprägte, aber relativ kurze Kältepulse, die Justinianische Pest im 6. Jahrhundert dagegen setzt mit dem Beginn der Kleinen Eiszeit ein, die rund 100 Jahre dauern sollte. Unklar ist allerdings, ob es tatsächlich eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Klima und Pandemien gibt. Dass es sich bei dem Befund um reinen Zufall handelt, erscheint angesichts der Daten zwar unwahrscheinlich. Wie aber kühleres und trockeneres Klima einen Krankheitserreger zum pandemischen Keim macht – und wärmeres Klima umgekehrt Erreger stoppt –, ist völlig unbekannt. Die Arbeitsgruppe um Zonneveld spekuliert, Klimastress könne soziale oder biologische Faktoren beeinflusst haben, die Krankheitsausbrüche ausgelöst oder verstärkt haben könnten. Die Zusammenhänge seien aber »außerordentlich komplex«, heißt es in der Veröffentlichung.” 

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Outdoor Chiemgau mit einem Video über die Berichterstattung des Bayrischen Rundfunks (BR) zum Bürgerentscheid in Mehringen gegen einen Windpark im Staatsforst. Der Redaktion gefiel der Entscheid offenbar nicht also wurden die Zuhörer eines Vortrags flugs zu Klimawandelleugnern. Stefan Spiegelsberger berichtet über den Abend und was der BR daraus machte. 

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Der Energieversorge EWE nimmt die Anbindung an das LNG-Terminal Wilhelmshaven in Betrieb. Montelnews

“Die Pipeline verläuft auf einer Länge von 70 km unter anderem zu den EWE-Gasspeichern Jemgum und Nüttermoor, die sowohl an das deutsche als auch das niederländische Gasmarktgebiet angeschlossen sind. In Wilhelmshaven betreibt die Deutsche Energy Terminal das schwimmende LNG-Terminal Hoegh Esperanza mit einer Kapazität von 5 Mrd. Kubikmetern/Jahr, das zuvor Uniper für den Bund gechartert hatte.” 

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In der Schweiz machen die Gegner der Windkraft mobil: Sie haben gleich zwei Volksinitiativen lanciert, die den Bau von Windrädern erheblich erschweren und die demokratische Mitwirkung wiederherstellen würden. Alex Reichmuth hat darüber im Nebelspalter (https://www.nebelspalter.ch/themen/2024/01/die-windkraftgegner-machen-mit-zwei-volksinitiativen-mobil) berichtet.

Energiepolitik

Die Windkraftgegner machen mit zwei Volksinitiativen mobil

Die Fakten: Heute Montag wurden in Bern zwei Volksinitiativen lanciert, welche die Windkraft beschränken wollen. Konkret soll der Bau von Windrädern in Wäldern untersagt sein. Zudem sollen die betroffenen Gemeinden immer ihre Zustimmung zu Windkraftanlagen geben müssen. Die Federführung der Initiativen liegt bei «Freie Landschaft Schweiz» (FLCH, siehe hier), dem Dachverband der Windkraftgegner.

Zitat: «Es handelt sich um zwei gezielte Initiativen, um das Flickwerk des Parlaments zu stoppen.» (Elias Vogt, Präsident FLCH)

Warum das wichtig ist: Die Windkraftgegner spüren Rückenwind. Eben erst haben sie erfolgreich mitgeholfen, das Referendum gegen den sogenannten Mantelerlass zu ermöglichen, mit dem erneuerbare Energien vorangebracht werden sollen. Jetzt gehen sie in die Offensive, um den Bau von Windrädern in der Schweiz empfindlich zu beschränken. Energieminister Albert Rösti (SVP) muss sich warm anziehen.

Mehr dazu im Nebelspalter (https://www.nebelspalter.ch/themen/2024/01/die-windkraftgegner-machen-mit-zwei-volksinitiativen-mobil). Der Artikel kann nach 20 Sekunden Werbung freigeschaltet werden.

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Autonomous University of Barcelona:

Green growth loses favor with climate policy scientists

Despite strong promotion of the green growth perspective by a variety of policymakers and international institutions, a new article led by the Institute of Environmental Science and Technology of the Universitat Autònoma de Barcelona (ICTA-UAB) reveals widespread skepticism among climate policy researchers in high-income countries.

The concept of green growth has become almost ubiquitous in recent years among policymakers and international institutions, including the World Bank, the European Union, and the OECD. Nonetheless, a growing body of research within the scientific community is challenging the idea that green growth is fundamentally possible or even desirable, while pointing to other alternatives.

The article, published in Nature Sustainability and carried out by ICTA-UAB together with ESCP Business School (France), the Graduate School of Economics and Management of the Ural Federal University (Russia), and the University of Málaga (Spain), shows that a growing body of researchers emphasize the need to prioritize sustainability, social justice, and human well-being, even if this means a reduction in material consumption and economic activity.

The new economic paradigm called post-growth argues that the pursuit of infinite economic growth is incompatible with planetary boundaries. In other words, alternative economic frameworks are needed to achieve long-term sustainability and well-being.

Post-growth scholarship has evolved and diversified in a variety of perspectives that can fall into two main categories: degrowth and agrowth.

From the survey, 73% of the 764 researchers surveyed prefer options such as agrowth or degrowth to green growth policies, although the degree of skepticism varies significantly depending on the country and research discipline of the respondents.

A total of 86.1% of the researchers from the European Union for instance expressed very high levels of skepticism about green growth, while North American researchers were less likely to hold degrowth positions compared to those from other OECD countries.

In contrast, more than half of the researchers from non-OECD countries, most importantly BRICS (Brazil, Russia, India, China and South Africa), expressed views aligned with a green growth position.

Social scientists, excluding economists, were the most skeptical of green growth, while on the other hand environmental and other economists expressed views aligned with green growth.

Support for post-growth theories increases as income and welfare levels rise among respondents. The researchers argue that beyond a certain point, prioritizing GDP is misguided as the social and environmental costs of pursuing further growth may exceed the benefits.

“We also found that climate policy researchers with a degrowth position tend to support direct regulation (standards, quotas, bans) while green growth proponents support innovation subsidies. It is worth studying if countries have systemic differences in their policy implementation depending on their income level,” adds one of the co-authors, Professor Ivan Savin.

“The paper shows that green growth skepticism is more prevalent among researchers in high-income countries than might be expected from their extensive institutional and political support,” concludes Lewis King, ICTA-UAB researcher and co-author of the study.

Definition of degrowth and agrowth

Within the broader post-growth framework, degrowth stands as a pronounced stance, critiquing capitalism and advocating for a deliberate and equitable reduction in material consumption and economic activity in high-income countries to achieve more sustainable and socially just societies. Agrowth instead represents the idea of growth agnosticism. The central point is that progress should not be judged solely through GDP due to its inadequacy in reflecting societal well-being.

Instead, policymakers should be neutral about economic growth as it could yield both positive and negative outcomes for the environment or social goals. In this sense, agrowth can be interpreted as a middle-ground position situated between the green growth and degrowth paradigms. Both agrowth and degrowth can be considered as shades of green growth skepticism, falling within the overarching post-growth framework.

Paper: Lewis C. King et al, Shades of green growth scepticism among climate policy researchers, Nature Sustainability (2023). DOI: 10.1038/s41893-023-01198-2www.nature.com/articles/s41893-023-01198-2

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