Vom Niedergang der Naturwissenschaften im Land der Dichter und Denker: Ein offener Brief an die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina
von Uli Weber
Prolog: Es befremdet mich seit geraumer Zeit zunehmend, dass Medienbetrieb und Politik seitenweise über ihre selbstgemachte Spaltung unserer Gesellschaft lamentieren, während Persönlichkeiten und Institutionen mit der erforderlichen gesellschaftspolitischen Reputation und Reichweite für diesbezüglich klare öffentliche Unterlassungsforderungen in tiefem Schweigen verharren oder eine solche Spaltung sogar noch aktiv befördern. Und wenn man dann in den sogenannten Qualitätsmedien irgendwo liest oder hört, „Forscher empfehlen“ oder „Forscher fordern“, dann denke ich spontan an wohlgenährte Opportunitätsfrösche, die gegen öffentliche Anerkennung und wirtschaftliche Sicherheit jegliches gesellschaftspolitische Ziel missionarisch unterstützen, bis hin zur Trockenlegung eines lange bekannten Sumpfes durch konsequente Erweiterung desselben. Dabei könnte man auch an hochmoralisch verbrämte Planwissenschaft denken, ehrlich bezahlt aus Zwangsbeiträgen und Steuergeldern, die mit Argumenten wie, „Es wird wärmer, weil es kälter wird“, eilfertig ihr orwell’sches Neudenk in die Öffentlichkeit trägt.
Leopoldina-Wappen über Eingangstür (Ausschnitt)
Autor: Barnos, Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International
Ist das noch Wissenschaft oder kann das weg?
Mit der 1652 gegründeten Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina verfügt unser Land über die älteste ununterbrochen existierende naturwissenschaftlich-medizinische Akademie der Welt, die sich auf Mitglieder wie Marie Curie, Charles Darwin, Albert Einstein, Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Justus von Liebig und Max Planck berufen kann. Die Leopoldina und ihre Mitglieder haben also unser Land durch die Phase der Aufklärung mit ihrer wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklung hin zu einem modernen Staatsgebilde begleitet.
Nichts liegt daher näher, als von der altehrwürdigen Akademie Leopoldina ein öffentliches gesellschaftspolitisches Bekenntnis zur Einhaltung der demokratischen und wissenschaftlichen Spielregeln im gesellschaftspolitischen Diskurs mit Andersdenkenden einzufordern. Ich hatte eine solche Forderung implizit in drei Nachfragen gekleidet, deren Vorgeschichte ich dort jeweils hinlänglich beschrieben zu haben glaube und am 14.11.2023 als E-Mail an die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina e.V. – Nationale Akademie der Wissenschaften verschickt hatte, cc. an die betroffenen Fachbereiche der Leopoldina und bcc. an zwei vom UBA persönlich angegriffene Wissenschaftler. Als Zieltermin für eine Antwort hatte ich zunächst einen Monat vermerkt, hatte mich aber für jede vernünftige Terminabsprache offen erklärt. Nun, was soll ich sagen, am 15.12.2023 lag mir weder eine Antwort noch ein alternativer Terminvorschlag der Leopoldina vor. Ich erlaube mir daher, den leicht zusammengefassten Text meiner E-Mail vom 14.11.2023 mit einem aktuellen Nachtrag als Offenen Brief an die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina zu veröffentlichen:
Offener Brief
An die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften
Sehr geehrte Damen und Herren,
erlauben Sie, mich kurz vorzustellen, ich bin Geowissenschaftler und Wissenschaftsautor und recherchiere momentan zu einem Buchprojekt mit dem Arbeitstitel „Der Niedergang der Naturwissenschaften im Land der Dichter und Denker“.
Erst durch die lobenswerte Aufklärungsarbeit während der Corona-Pandemie hatte ich erfahren, dass die Leopoldina im Jahr 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften in Deutschland ernannt worden war. Mit Interesse habe ich dann später aus Ihrem Leitbild entnommen, Zitat:
„Die Leopoldina tritt für die Freiheit und Wertschätzung der Wissenschaft ein. Sie trägt zu einer wissenschaftlich aufgeklärten Gesellschaft und einer verantwortungsvollen Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Wohle von Mensch und Natur bei.“
Die Leopoldina ist also ein absolutes Schwergewicht in der deutschen Wissenschaftslandschaft und findet nicht nur in der Öffentlichkeit Gehör, sondern ist auch richtungsweisend für die öffentliche Meinungsbildung in unserem Lande. Mit Bezug auf Ihr Leitbild hatte ich daher drei Fragen an die Expert:innen Ihrer Fachsektionen/Ihres Ständigen Ausschusses formuliert:
1. Fachsektion Wissenschaftsphilosophie: In der medialen Kommunikation werden bereits seit geraumer Zeit sehr eigenartige Vorstellungen über die Naturwissenschaften verbreitet, beispielsweise gäbe es eine Art von Konsenswissenschaft, bei der lediglich Leugner und Schwurbler aus der Reihe tanzen würden und zum Schweigen gebracht werden müssten. Vertiefend bemüßigen sich selbst staatliche Institutionen, dieses medial verbreitete Märchen zu stützen und gegen kritische Wissenschaftler in Stellung zu bringen. So hatte beispielsweise das Umweltbundesamt in einer Veröffentlichung mit dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ nicht nur einen „Konsens“ in der Klimaforschung betont (S.97), sondern, um nur zwei konsenskritische Persönlichkeiten herauszugreifen, die Herren Prof. Dr. Vahrenholt und Dr. habil. Lüning als „Klimawandelskeptiker“ und fachfremde Einzelpersonen bezeichnet (S.111). Wenn wir uns jetzt aber einmal anschauen, welche Studiengänge das Deutsche Klima Konsortium als Klima-Studiengänge empfiehlt, dann finden sich dort unter 14 Studiengängen ganz zwanglos auch die Studiengänge Chemie (Vahrenholt) und Geologie (Lüning) wieder. Die Geschichte der Wissenschaft liefert überdies viele Beispiele, dass der sogenannte Konsens eines wissenschaftlichen Mainstreams die Weiterentwicklung dieser Fachrichtung über Jahrzehnte zu blockieren vermag; es sei hier stellvertretend an Semmelweis (medizinische Hygiene), Fuhlrott (Neandertaler) und Wegener (Kontinentalverschiebung) erinnert.
Meine 1. Frage an die Fachleute der Leopoldina lautete:
Was hat die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina getan, um in der deutschen Öffentlichkeit dem fehlerhaft vermittelten Eindruck entgegenzutreten, es könne in den Naturwissenschaften jemals einen dauerhaft stabilen Konsens über irgendeine beliebige wissenschaftliche Lehrmeinung geben?
2. Fachsektion Geowissenschaften zum Thema Klimaforschung: In Ihrem Factsheet zum Klimawandel heißt es auf Seite 6 unter der Grafik „CO₂-Gehalt der Atmosphäre in den letzten 800.000 Jahren“, Zitat:
„In den letzten 800.000 Jahren war der CO₂-Anteil nie so hoch wie heute.“
Unter der Überschrift „Die atmosphärische Konzentration von CO2 ist heute höher als je zuvor in den letzten 800.000 Jahren“ heißt es darunter dann im ersten Bullet-Point, Zitat:
„Der CO2-Gehalt der Atmosphäre (und damit das Klima) hat sich im Laufe der Erdgeschichte immer wieder stark verändert.“
Meine 2. Frage an die Fachleute der Leopoldina lautete:
Welche konkret belegbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vor, um einen solchen direkten Zusammenhang zwischen CO2-Gehalt der Atmosphäre und dem Paläoklima verbindlich herzustellen?
3. Der Ständige Ausschuss der Nationalen Akademie der Wissenschaften: In der Aufgabenbeschreibung des Ständigen Ausschusses heißt es, Zitat:
„Seit ihrer Ernennung zur Nationalen Akademie der Wissenschaften am 14. Juli 2008 nimmt die Leopoldina verstärkt die Aufgabe der wissenschaftsbasierten Gesellschafts- und Politikberatung wahr. Dabei arbeitet sie eng mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech und der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften zusammen. Für diese Zusammenarbeit hat die Leopoldina einen Ständigen Ausschuss unter Vorsitz ihres Präsidenten eingerichtet.“
Das bereits unter Punkt 2 erwähnte Factsheet zum Klimawandel vertritt höchst alarmistische Positionen zum sogenannten „menschengemachten Klimawandel“ und bezieht sich dabei überwiegend auf Fremdzitate. Die 1652 gegründete Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina beruft sich als älteste ununterbrochen existierende naturwissenschaftlich-medizinische Akademie der Welt auf Mitglieder wie Marie Curie, Charles Darwin, Albert Einstein, Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Justus von Liebig und Max Planck.Die Leopoldina hat unser Land also befruchtend durch die Phase der Aufklärung mit ihrer Entwicklung hin zu einem wissenschaftlichen und demokratischen Weltbild begleitet.Und heute bedient dieselbe ehrwürdige Leopoldina die schrillen Farben des medialen Klimaalarms, anstatt mit den eigenen Fachleuten eine seriöse wissenschaftliche Basis für einen kontrollierten Übergang in ein neues ressourcenschonendes Zeitalter zu schaffen?
Meine 3. Frage an den Ständigen Ausschuss der Leopoldina lautete daher:
Welche validen Klimamodelle hat die Leopoldina entwickelt/gefördert, um die politisch geplante Umstellung der nationalen/globalen Energieerzeugung auf Sonneneinstrahlung und Windenergie, also die Energiegewinnung aus dem natürlichen Klimaantrieb unserer Erde, wissenschaftlich beratend zu begleiten und eine daraus resultierende menschengemachte Klimakatastrophe sicher zu vermeiden?
Ich hatte beabsichtigt, die Antworten Ihrer Expert:innen in meinem o.g. Buchprojekt und/oder in einem populärwissenschaftlichen Artikel zu zitieren.
Leider habe ich auf meine E-Mail-Anfrage vom 14.11.2023 keine Antwort der Leopoldina-Expert:innen erhalten. Selbst eine ehrwürdige wissenschaftliche Akademie fühlt sich mit ihrem hohen gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Anspruch offenbar dem politisch-ideologischen „Klima-Notfall“ mehr verpflichtet als ihren unabhängigen wissenschaftlichen Grundsätzen oder gar einer Kommunikation mit klimawissenschaftlichen Häretikern. Die Spaltung unserer Gesellschaft wird demnach auch vom Versagen ihrer wissenschaftlichen Institutionen getragen und es stellt sich die Frage, welches Maß an gesellschaftlicher Wertschätzung sich solche Institutionen damit wohl auf historische Sicht zu erwerben gedenken.
Die Freiheit von Wissenschaft und Lehre ist ein idealisiertes Wunschbild, das mehr oder weniger mit der gelebten Realität kollidiert und immer wieder neu errungen werden muss. Im Internetauftritt der Leopoldina erfährt man, wie umfänglich diese Freiheit vom Spannungsfeld zwischen der Zivilcourage des jeweiligen Wissenschaftsbetriebes und dem Willen der politischen Machthaber geprägt wird. Vielleicht sollte die Leopoldina vor diesem Hintergrund daher so aufrichtig sein, sich in der Öffentlichkeit nicht auf Mitglieder wie Marie Curie, Charles Darwin, Albert Einstein, Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Justus von Liebig und Max Planck zu berufen, solange sie nicht willens oder in der Lage ist, sich von der Vereinnahmung durch den klimapolitischen Mainstream zu emanzipieren. Denn die Wissenschaftler, auf die Sie Sich zu berufen belieben, waren eben keine unbedeutenden Konsensmitläufer, sondern haben der Welt aus eigener Kraft Tore zu ganz neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen geöffnet.
Den Mitgliedern der Leopoldina sowie allen Lesern wünsche ich gesegnete Weihnachtstage – und den unabhängigen Internet-Blogs viel Reichweite und wirtschaftlichen Erfolg im neuen Jahr!
Hamburg im Dezember 2023
Mit einem weihnachtlichen Glückauf!
gez. Ulrich O.Weber
Diplom-Geophysiker