Kältezungen: Warum wird der Ostpazifik kälter statt wärmer?

“Science is settled”, das ist vermutlich der unwissenschaftlichste Satz, der über Wissenschaft jemals gesagt wurde. Das gilt auch für die Klimawissenschaften. Jeder, der behauptet, man wisse bereits alles, der spricht sich eigentlich indirekt dafür aus, die Forschung in dem Bereich einzustellen. Bei Spektrum.de erschien kürzlich die deutsche Version eines Artikels über Kaltwasserzungen im Pazifik. In diesem Teil des Weltmeers weigert sich die Natur strikt den Modellen der Klimawissenschaft zu folgen. 

“Seit Jahren prognostizieren Klimamodelle, dass die Ozeane immer wärmer werden, wenn die Treibhausgasemissionen weiter steigen. Im Großen und Ganzen lagen sie damit bislang auch richtig. Doch in einem Teil des Pazifiks passiert gerade das Gegenteil: Vor der Küste Ecuadors erstreckt sich über Tausende von Kilometern ein Meeresarm, der in den letzten 30 Jahren kälter statt wärmer wurde. Im Englischen bezeichnet man das Phänomen als »cold tongue«, also »kalte Zunge«. Warum widersetzt sich dieser Bereich des östlichen Pazifiks den Vorhersagen.” 
 
Inzwischen zweifeln immer mehr Fachleute daran, dass sich die Kaltwasserzunge mit natürlichen Schwankungen erklären lässt. Wenn aber die Klimamodelle die Anomalie nicht widerspiegeln, könnten sie gravierend in die Irre führen. »Wir sehen hier etwas, was uns Sorgen machen sollte, und wir müssen herausfinden, was es ist«, sagt Isla Simpson vom US National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado. Denn die Auswirkungen auf das zukünftige Klima könnten beträchtlich sein. 

Zwei Dinge gehen aus dem Artikel hervor.  

1. Bleibt es bei dem Trend könnte sich der Temperaturanstieg abschwächen. Schwächt sich der Trend allerdings ab, passiert das genaue Gegenteil. 

“Wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt, könnte die Kaltwasserzunge die prognostizierte globale Erwärmung um satte 30 Prozent verringern, verglichen mit den Vorhersagen der Klimamodelle. Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen würde dann statt 1,9 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts lediglich 1,3 Grad Celsius betragen. Entscheidend ist, dass in beiden Szenarien die gleiche Menge an Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre gelangt. Der Grundzustand des Klimas würde in diesem Szenario eher einer La-Niña-Phase ähneln, was das Risiko von Dürren am Horn von Afrika und im Südwesten der USA erhöhen würde.” 

2. Die Gründe für die Abkühlung sind noch nicht verstanden. 

“Was auch immer die Ursache für die Abkühlung ist, Battisti und andere vermuten, dass sie auch Auswirkungen auf den tropischen Pazifik hat. Klimamodelle beziehen das Schmelzwasser der Antarktis nicht immer in ihre Berechnungen ein und haben Schwierigkeiten, die Veränderungen der Meerestemperaturen, Winde sowie Strömungen im Südlichen Ozean korrekt wiederzugeben. Yue Dong von der Columbia University hat jedoch gezeigt, dass die Klimamodelle zu einer Abkühlung im tropischen Pazifik führen, wenn man diese Parameter mit einbezieht. Infolgedessen »könnten die Prognosen der aktuellen globalen Klimamodelle für die nahe Zukunft überschätzt werden«, heißt es in der Arbeit.” 

Es ist weitere Forschung nötig. Forschung, die es ja eigentlich nicht geben kann, wenn man bereits meint, dass man alles über das Klima weiß. 

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Fritz Vahrenholt im Interview. Klimanotstand oder Hysterie? 

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China hatte beim Pariser Klimaabkommen ohnehin ein Sonderstatus. Es durfte sich mit der Reduzierung seiner Emissionen länger Zeit lassen. Offenbar ist selbst das jetzt obsolet wie heritage.org berichtet. 

“It was a bad week for anyone who thought China would cooperate on emissions reduction. President Xi Jinping reiterated that his country would set its own path on the issue and not be influenced by outside factors, according to the Washington Post and Bloomberg. This contradicts Xi’s 2015 Paris Agreement pledges to reduce its carbon emissions at the latest after 2030. 

Xi’s remarks came while climate envoy and former secretary of state John Kerry was visiting Beijing to reopen a dialogue. This was shortly after Secretary of State Antony Blinken arrived, and just before former secretary of state Henry Kissinger, the architect of opening China to the West 50 years ago, came for a visit. 

The clear signals from China are a deliberate slap in the face to America and provide a rationale for a bill sponsored by Representative Chip Roy (R., Texas) to defund Kerry’s climate-change office at the State Department. The bill is cosponsored by over two dozen other House Republicans. 

This should not be news, because Xi gave the same message last fall. In October 2022, he said that China would not abandon coal-fired power plants before renewables could substitute for the lost fossil fuel. But this substitution will not occur because fossil fuels generate substantially more energy than renewables.” 

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Wind-Anomalie sorgt für See-Eis Rückgang in der Antarktis. Ein Artikel bei Riskfrontiers erklärt die Entwicklung. 

“Sea ice extent around Antarctic has a pronounced seasonal cycle: it grows continuously from March to its annual maximum in September, after which it rapidly declines (Figure 1). While there are many facets to Antarctic sea ice formation, the primary drivers of year-to-year variability in sea ice extent are atmospheric circulation and wind (see Stammerjohn et al., 2008 and reference therein). 

Sea ice sits on top of the ocean so near surface winds play a critical role in its formation and transport. In general, sea ice extent increases when cold southerly winds blow existing sea ice northward, away from Antarctica, opening leads (areas of open ocean) and allowing new sea ice to form in the colder waters close to the continent. Conversely, when warm northerly winds blow, sea ice production is reduced, and any sea ice that does form is stacked back up against the coastline, so overall sea ice extent decreases. 

This relationship is clearly seen for June 2023 when sea ice extent anomalies (Figure 3a) are plotted alongside the near surface wind anomalies for May and June 2023 (Figure 3b): the main regions of sea ice decline, the eastern Bellingshausen sea, the Weddell sea, the Davis sea, and the western Ross sea all correspond to locations of anomalously strong northerly winds; whereas the region of anomalous sea ice growth in the eastern Ross/Amundsen seas corresponds to anomalous southerly winds.” 

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phys.org:

NOAA doubles the chances for a nasty Atlantic hurricane season due to hot ocean, tardy El Nino

Record hot ocean temperatures and a tardy El Niño are doubling the chances of a nasty Atlantic hurricane season this summer and fall, the National Oceanic and Atmospheric Administration said Thursday.

With the Atlantic hurricane season already well above normal so far, NOAA increased how many storms to expect and how busy the season can get. The agency says there’s a 60% chance for an above normal hurricane season, twice the agency’s May forecast which said it was 30%. The earlier forecast leaned more toward a near normal season with a 40%, but the chance for normal has now shrunk to 25%.

Weiterlesen bei phys.org

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Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung:

Die Erfassung des Kollisionsrisikos für Fledermäuse wird bei großen Windkraftanlagen ungenau

Um Fledermäuse vor der Kollision mit Windenergieanlagen zu schützen, werden in Genehmigungsverfahren akustische Erhebungen durchgeführt. Diese erfassen die Aktivität der Tiere in der Risikozone der drehenden Rotorblätter und helfen somit, Abschaltzeiten zur Verminderung des Kollisionsrisikos zu definieren. In einer neuen Untersuchung zeigte ein Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), dass diese akustischen Erhebungen unzureichend sind, wenn Fledermäuse ungleichmäßig in der Risikozone verteilt sind und wenn der Erfassungsbereich der akustischen Detektoren zu klein ist – wie es bei großen Anlagen der Fall ist. Daher sollten die akustischen Erhebungen regelmäßig durch Schlagopfersuche begleitet und die akustischen Erhebungen gegebenenfalls um weitere Ultraschalldetektoren zum Beispiel am unteren Streifpunkt der Rotorblätter ergänzt werden, so das Team in einem Aufsatz in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Conservation Science and Practice“.

Energieproduktion aus Windkraft ist ein wichtiges Standbein der deutschen Energiewende, um die Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern zu reduzieren und eine klimaneutrale Energieproduktion zu erreichen. Die Bundesregierung formulierte jüngst ehrgeizige Ziele zum schnellen Ausbau der Windenergieproduktion auf 2 Prozent der Fläche Deutschlands. Um die Energieausbeute zu maximieren, kommen dabei immer häufiger große Windenergieanlagen (WEA) mit besonders langen Rotorblättern zum Einsatz. Jedoch kollidieren viele seltene und geschützte Fledermäuse an Windenergieanlagen. „Das massenhafte Sterben lässt sich verhindern, wenn die Anlagen in Zeiten hoher Fledermausaktivität zeitweise abgestellt werden. Die Einbußen in der Energieproduktion sind klein und sollten angesichts der günstigen Energieproduktion aus Windkraft tolerierbar sein“, sagt PD Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW.

Im Rahmen von Genehmigungsverfahren wird die Aktivität von Fledermäusen in der Risikozone von WEA – jener Bereich, der von den Rotorblättern durchstreift wird – mit Hilfe von Ultraschalldetektoren erfasst. Damit sollen jene Zeiten und Umweltbedingungen wie Umgebungstemperatur und Windstärke ermittelt werden, bei denen Fledermäuse aktiv sind und bei denen somit die Anlagen zeitweise abgestellt werden sollten. „Um wirksame Abschaltzeiten für den Fledermausschutz zu formulieren, müssen die akustischen Erhebungen insbesondere in der Risikozone der drehenden Rotorblätter durchgeführt werden. Tatsächlich werden aktuell die WEA immer größer und die akustische Erfassung mit Ultraschalldetektoren hält mit dieser technischen Entwicklung nicht Schritt. Die technischen Lösungen zum Schutz von Fledermäusen könnten deshalb an großen Anlagen unwirksam werden, was potenziell auf Kosten der Fledermäuse wie auf Kosten der Energieproduktion geht.“

Gemeinsam mit einem Kollegen des Leibniz-IZW sowie einem Experten für die akustische Erfassung von Fledermäusen an WEA untersuchte Voigt deshalb, welche Faktoren die Vorhersagegüte der relevanten analytischen mathematischen Modelle beeinflussen. Dazu variierten sie in einer mathematischen Simulation sowohl die räumliche Verteilung der Fledermäuse als auch den Erfassungsbereich der Ultraschalldetektoren in der Risikozone der Rotorblätter. Der Erfassungsbereich der Ultraschallgeräte nimmt mit der Länge der Rotorblätter und mit zunehmender Echoortungsfrequenz der lokal vorkommenden Fledermäuse ab. Hochfrequente Echoortungsrufe werden bei der Schallausbreitung besonders stark gedämpft und können deshalb von Ultraschalldetektoren nur über kurze Distanzen von 10-20 Metern erfasst werden.

Die Autoren stellten fest, dass bei einer gleichmäßigen Verteilung der Durchflüge von Fledermäusen in der Risikozone der WEA die Vorhersagen der Modelle akkurat sind, auch bei großen Anlagen. Fledermausarten mit tieffrequenten Echoortungsrufen wurden ebenfalls ausreichend erfasst, da deren Rufe über relativ weite Distanzen tragen.

Wenn jedoch die Fledermäuse ungleichmäßig in der Risikozone verteilt sind, kommt es je nach räumlicher Verteilung zu Unter- oder Überschätzungen der akustischen Aktivität in der Risikozone und somit zu fehlerhaften Abschaltzeiten. Eine Unterschätzung kann es auch dann geben, wenn an den WEA besonders häufig Fledermäuse mit hochfrequenten Echoortungsrufen anfliegen. „Wird die akustische Aktivität der Fledermäuse unterschätzt, werden die WEA zu kurz und zu falschen Zeiten abgeschaltet und es kommen viele Fledermäuse zu Tode. Wird hingegen die akustische Aktivität überschätzt, sind die Abschaltungsvorschriften zu strikt und die WEA produzieren keine Energie, obgleich keine Fledermäuse in Gefahr sind“, sagt Voigt. „Wir könnten die akustische Erfassung bei großen WEA zum Beispiel durch empfindlichere und zusätzliche Ultraschalldetektoren verbessern. Und natürlich würde es helfen, wenn wir die räumliche Verteilung der Durchflüge von Fledermäusen an WEA besser verstünden und somit lokal präzise vorhersagen können.“ Dadurch ließe sich der Schutz von Fledermäusen vor allem an den neuen großen Anlagen unter Optimierung der Energieausbeute verbessern. Zusätzlich müsste über die Schlagopfersuche an neuen WEA geprüft werden, ob die empfohlenen Abschaltzeiten greifen. „Vertrauen in solche Modelle ist gut, Kontrolle ist besser“, empfiehlt Voigt.

WEA stellen weltweit ein großes Artenschutzproblem dar, da viele Fledermäuse und Greifvögel an den Anlagen zu Tode kommen. Besonders ziehende Fledermausarten und solche, die im offenen Luftraum nach Insekten jagen, sind vom Schlag an WEA betroffen. Der wirksamste Schutz für Fledermäuse besteht darin, nur an solchen Orten WEA zu errichten, an denen eine geringe Fledermausaktivität besteht, so die Autoren. Wenn die WEA in Betrieb genommen werden, solle die Anlage darüber hinaus in Zeiten hoher Fledermausaktivität abgestellt werden. Dies wird bei ungefähr 25% der 30.000 Anlagen, die in Deutschland in Betrieb sind, praktiziert. Bei mehr als 20.000 Altanlagen wird in Deutschland kein Fledermausschutz praktiziert. Da im Durchschnitt an jeder WEA pro Jahr 15 Fledermäuse zu Tode kommen, liegt die geschätzte Schlagopferzahl von Fledermäusen an WEA in Deutschland bei einhundert bis zweihundert tausend Fledermäusen pro Jahr. „Präzise und wirksame Abschaltauflagen für den Fledermausschutz sollten sowohl für neue als auch für alte WEA die Regel sein, um eine ökologisch nachhaltige Energiewende zu erreichen“, schließt Voigt.

Publikation: Voigt CC, Scherer C, Runkel V (2022): Modelling the power of acoustic monitoring to predict bat fatalities at wind turbines. Conservation Science and Practice. DOI: 10.1111/csp2.12841

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