Auf falscher Fährte

„Die Politik ist viel zu fixiert auf Strom und legt eine falsche Fährte“

Im Interview bei Focus.de äußert sich die Lamaira Messari-Becker.

Droht irgendwann eine Rationierung von grünem Strom, weil schlicht nicht genug da ist für all die, die ihn brauchen?

Messari-Becker: Das wird zunehmend wahrscheinlicher. Die Vorhaben, dass Wärmepumpen und Elektroautos phasenweise Strom abgeschaltet wird, sind schon da. Ab 2025 werden Wärmepumpen nur dann gefördert, wenn sie an einen sog. Smart-Meter Gateway angeschlossen werden können, sprich ferngesteuert vom Stromnetz getrennt werden können. Und das alles ist weitgehend unnötig.

Wieso? Was ist die Alternative zum Strom?

Messari-Becker: Es ist zerstörerisch, nicht viel stärker auf Quellen wie grundlastfähige Erdwärme zu setzen. Sie ist enorm vielfältig einsetzbar. Es braucht einen Hochlauf der Geothermie. Mir ist es ein Rätsel, warum Geothermie nicht genauso gefördert wird wie Windkraft und Photovoltaik. Entscheidend ist es auch mehrere Optionen vorzusehen. Für den einen wird es die Wärmepumpe sein, für die anderen Biomasse, oder kommunale Fernwärme, Solarthermie als Unterstützung, Geothermie, eventuell Brennstoffzellen  – und so weiter. Das wäre eine echte Wärmewende.

Was halten Sie von Wasserstoffheizungen?

Messari-Becker: Es gibt sogenannte geschlossene Systeme, die im Sommer PV-Strom erzeugen, Wasserstoff herstellen, lagern und im Winter für die Heizung nutzen. Finde ich auch eine Option, die insbesondere die Netze nicht belastet.

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Aktivisten fällen aus Protest gegen Waldzerstörung einen Baum. Immer, wenn man denkt, der gesitige Tiefpunkt ist erreicht, kommt eine neue Aktion der “Letzten Generation”, die die vorherige noch unterbietet. Laut Focus wurde vor dem Kanzleramt nun ein Baum gefällt. Weitere Vorschläge für neue Aktionen der “Letzten Generation”: Schießerein, um auf das Problem Waffenbesitz aufmerksam zu machen. Illegale Autorennen in Innenstädten, um auf die Verkehrssituation hinzuweisen.

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Man konnte viel lesen von Freiheitsenergie. Aber die könnte gefährdet sein, wie der Spiegel berichtet. Es gibt Hinweise auf Aktivitäten von Russland in der Nordsee. Ziel könnten auch Windkraftanlagen sein.

“Das Schiff sei in niederländische Hoheitsgewässer eingedrungen und von der Küstenwache und Marine der Niederlande wieder hinaus eskortiert worden, sagte Swillens vor Journalisten. Neben Windkraftanlagen seien auch Internetkabel und Gasleitungen zum Ziel potenzieller russischer Sabotageaktivitäten geworden. Russland kartiere kritische Offshore-Infrastruktur heimlich und unternehme Aktivitäten, »die auf Vorbereitungen von Störungen und Sabotage hindeuten«, hieß es in einem gemeinsamen Bericht des Militärgeheimdienstes MIVD und des Inlands- und Auslandsgeheimdienstes AIVD vom Montag.”

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Die angebotsorientierte Stromversorgung schickt weitere Vorboten. Einer davon ist Bruno Burger vom Fraunhofer ISE, der den Mitbürgern Tipps gibt, die Wäsche zu waschen oder ein E-Auto zu laden, weil gerade zufälligerweise Windstrom verfügbar ist.

(Abbildung: Screenshot Twitter)

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Frankreich blockiert EU-Erklärung zur Energiediplomatie. Die Zeit:

“Frankreich hatte jüngst bereits die EU-Kommission dazu gebracht, einen atomkraftfreundlichen Vorschlag für Regeln für die Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff zu machen. So will es die Kommission möglich machen, dass Wasserstoff unter bestimmten Umständen mit Strom aus Atomkraft produziert werden kann. Frankreich setzt bei der Stromerzeugung weiter stark auf Atomreaktoren.

In ihrer bislang letzten Erklärung zu dem Thema hatten die EU-Staaten 2021 festgehalten, dass die Energiediplomatie der EU vorrangig darauf abzielen solle, die globale Energiewende zu beschleunigen – unter anderem durch die Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Technologien. Gleichzeitig wurde von weiteren Investitionen in Energieinfrastrukturprojekte auf der Grundlage fossiler Brennstoffe in Drittländern abgeraten, sofern diese nicht mit einem ehrgeizigen Weg zur Klimaneutralität vereinbar sind.”

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TV-Tipp. Auch wenn die Dokumentation über Kernfusion auf Arte schon aus dem Jahr 2017 ist, an der Aktualität hat sich wenig geändert. 52 Minuten über das, was Stefan Rahmstorf allen Ernstes als Looser-Technologie bezeichnet.

“Wenn es um Kernenergie geht, ist meistens die Erzeugung von Strom durch Kernspaltung gemeint. Zwar können mit dieser kontrollierten Technologie große Mengen an Strom CO2-frei und zu vertretbaren Kosten produziert werden, aber sie ist aufgrund der hohen Risiken umstritten. Dabei wird oft vergessen, dass die in den Atomkernen gespeicherte Energie auch durch Kernfusion erschlossen werden könnte. Diese Reaktion, bei der zwei leichte Atomkerne zu einem schwereren verschmelzen, setzt riesige Energiemengen frei. Kernfusion ist die Energiequelle der Sonne, sie verströmt nahezu unerschöpfliche Mengen an Energie. Im Gegensatz zur Kernspaltung hinterlässt die Kernfusion keine langlebigen radioaktiven Abfälle. Sie gilt gewissermaßen als der Heilige Gral der Energieproduktion, denn sie ist sauber, billig, unerschöpflich und nachhaltig – will aber partout nicht gelingen. Die Dokumentation zieht eine Bilanz des derzeitigen Forschungstandes.

Erste Station ist der International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) im kleinen südfranzösischen Örtchen Saint-Paul-lès-Durance, an dem 37 Länder beteiligt sind. Mit diesem gigantischen Reaktor vom Tokamak-Typ soll untersucht werden, wie sich Energie in großem Maßstab durch Kernfusion erzeugen lässt. ITER ist das weltweit ehrgeizigste Vorhaben im Energiesektor, aber auch ein Fass ohne Boden. Der Plasmaphysiker Mark Henderson, der beim ITER an der Entwicklung der Zündung mitwirkt, moniert den Verzug des Projekts und fragt sich, ob er die Fertigstellung des Reaktors überhaupt noch miterleben wird. Er zieht den Vergleich zu den Erbauern mittelalterlicher Kathedralen, deren Errichtung sich über mehrere Generationen hinzog. In Greifswald besucht das Kamerateam die Experimentieranlage Wendelstein 7-X (W7-X) des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, mit der die Kraftwerkstauglichkeit der Kernfusion des Stellarator-Typs demonstriert werden soll. Auch unabhängige Forscher wie Michel Laberge von General Fusion oder Eric Lerner von Focus Fusion kommen zu Wort. Sie versuchen, die aus der Kernfusion gewonnene Energie zu weitaus geringeren Kosten nutzbar zu machen.”

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Clemens Fuest im Interview in der Augsburger Allgemeinen.

“Wie ließen sich die Bedingungen für den Standort Deutschland verbessern?

Fuest: Wir brauchen ein Maßnahmenbündel. Deutschland hat die höchste Steuerlast unter den großen Industrieländern. In der Klimapolitik müssen wir unsere Instrumente besser auf das wirkliche Problem ausrichten. Bisher ist das Emittieren von CO2 recht günstig, Strom aber mit hohen Steuern belastet, den wir für E-Autos und Wärmepumpen wollen. Wir müssen Strom von Steuern entlasten und auf eine stärkere Besteuerung von CO2-Emissionen umstellen. Wir brauchen auch dringend einen Plan für die Weiterentwicklung der Energieversorgung. Denn ohne gesicherte Energieversorgung wird die Industrie abwandern.

Weshalb sehen Sie die Energieversorgung nicht als gesichert an?

Fuest: Deutschland ist ein Land mit einer extremen energiepolitischen Strategie. Keine Kernkraft, ab 2030 keine Kohle. Für eine Übergangszeit Gas, langfristig nur noch erneuerbare Energien und Wasserstoff, der zu einem großen Teil aus fernen Ländern importiert werden soll. Das könnte technisch funktionieren. Der Aufbau dieses neuen Energiesystems, falls es jemals funktioniert, wird aber Jahrzehnte brauchen.

Weshalb so lange?

Fuest: Erneuerbare Energie aus Wind und Sonne nahm vor rund 30 Jahren Fahrt auf. Inzwischen deckt Deutschland gut 15 Prozent des Primärenergieverbrauchs mit erneuerbarer Energie. Bis zur Klimaneutralität fehlen aber noch 85 Prozent, die wir in der Hälfte der bisherigen Zeit, bis 2045, schaffen wollen! Bayern will es sogar bis 2040 erreichen. Ich denke, wir haben die Dimension der Aufgabe unterschätzt, auch wenn wir erneuerbare Primärenergie effizienter nutzen. Die Frage ist, worauf wir in der Zwischenzeit zurückgreifen, wenn Sonne nachts nicht zur Verfügung steht oder im Winter eine Dunkelflaute herrscht.”

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Goethe Uni Frankfurt:

Ozean im Erdinnern? Wasser in Hunderten Kilometern Tiefe

Die Übergangszone zwischen oberem und unterem Erdmantel enthält erhebliche Mengen Wasser. Dies hat eine internationale Studie ergeben, an der das Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt beteiligt war. Das deutsch-italienisch-amerikanische Forschungsteam hatte einen seltenen Diamanten aus 660 Kilometern Tiefe mithilfe unter anderem von Raman-Spektroskopie und FTIR-Spektrometrie analysiert. Die Studie zeigt, was bisher lange Zeit nur vermutet wurde: Ozeanwasser gelangt zusammen mit abtauchenden Platten bis in die Übergangszone. Der Wasserkreislauf unseres Planeten bezieht also auch das Erdinnere mit ein.

Übergangszone (transition zone, TZ) heißt die Grenzschicht, die den oberen und den unteren Erdmantel voneinander trennt. Sie liegt zwischen 410 und 660 Kilometern Tiefe. Hier herrscht ein immenser Druck von bis zu 23.000 bar, unter dem das olivgrüne Mineral Olivin, das rund 70 Prozent des oberen Erdmantels ausmacht und auch Peridot genannt wird, seine Kristallstruktur ändert: Am Beginn der Übergangszone in rund 410 Kilometern Tiefe wandelt es sich zum dichter gepackten Wadsleyit; in 520 Kilometern Tiefe dann in eine noch dichter gepackte Struktur, den Ringwoodit, um.

“Durch diese Mineralumwandlungen werden die Bewegungen der Gesteine im Erdmantel massiv behindert”, erklärt Prof. Frank Brenker vom Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Zum Beispiel bleiben die Mantel-Plumes – aufsteigende Ströme heißer Gesteinsmassen aus dem tiefen Erdmantel – manchmal an der Unterseite der Übergangszone hängen. Und auch die Massebewegung in die umgekehrte Richtung wird gestoppt. Brenker: „Abtauchende Platten haben oft Schwierigkeiten, die Übergangszone komplett zu durchdringen. So kommt es, dass unter Europa ein ganzer Friedhof solcher Platten in dieser Zone herumliegt.“

Bisher war jedoch nicht bekannt, welchen langfristigen Effekt das “Einsaugen” von Material in die Übergangszone auf ihre geochemische Zusammensetzung hat und ob es dort größere Wasservorkommen gibt. Brenker erklärt: “Mit den abtauchenden Platten werden auch Tiefseesedimente huckepack mit ins Erdinnere transportiert. Diese Sedimente können große Mengen Wasser und CO2 speichern. Wie viel davon aber in Form von stabileren, wasserhaltigen Mineralen und Karbonaten die Übergangszone erreicht, war bisher unklar. Und damit auch, ob dort tatsächlich große Mengen an Wasser gespeichert sind.”

Die Voraussetzungen dafür sind jedenfalls gut. Die dicht gepackten Minerale Wadsleyit und Ringwoodit können – ganz anders als das darüber existierende Olivin – große Wassermengen speichern – so große, dass die Übergangszone theoretisch das Sechsfache der Wassermenge unserer Ozeane aufzunehmen in der Lage wäre. “Wir wussten also, dass die Grenzschicht enorme Wasserspeicherkapazität hat“, meint Brenker. „Wir wussten aber nicht, ob sie auch tatsächlich Wasser speichert.”

Eine internationale Studie, an der der Frankfurter Geowissenschaftler beteiligt war, hat nun die Antwort geliefert. Das Forschungsteam analysierte einen Diamanten aus dem afrikanischen Botswana. Er ist in 660 Kilometern Tiefe entstanden, direkt im Kontaktbereich der Übergangszone mit dem unteren Erdmantel, wo Ringwoodit das typische Mineral ist. Diamanten aus dieser Region sind sehr selten, selbst bei den ohnehin schon seltenen Diamanten supertiefen Ursprungs, die nur ein Prozent der Diamanten ausmachen. Die Analysen ergaben, dass der Stein zahlreiche Ringwoodit-Einschlüsse hat – und diese einen hohen Wassergehalt aufweisen. Zudem konnte die Forschergruppe die chemische Zusammensetzung des Steins ermitteln. Diese entspricht ziemlich genau der Zusammensetzung fast jeder Erdmantelknolle, die sich weltweit in Basalten finden lässt. Damit steht fest, dass der Diamant aus einem normalen Stück Erdmantel stammt. “Wir haben mit dieser Studie nachgewiesen, dass die Übergangszone kein trockener Schwamm ist, sondern erhebliche Mengen Wasser speichert”, sagt Brenker. “Damit kommen wir auch der Idee von Jules Verne wieder einen Schritt näher, der bekanntlich einen Ozean im Erdinnern postulierte.” Der Unterschied zu Vernes Verstellungen besteht aber darin, dass sich dort unten kein Meer, sondern wasserhaltiges Gestein befindet, welches sich laut Brenker nicht feucht anfühlen würde und auch nicht tropft.

Schon 2014 war wasserhaltiges Ringwoodit in einem Diamanten aus der Übergangszone erstmals nachgewiesen worden, Brenker hatte an der Studie mitgewirkt. Die genaue chemische Zusammensetzung des Steins ließ sich damals jedoch nicht messen, weil er zu klein war. Daher blieb unklar, wie repräsentativ die erste Studie für den durchschnittlichen Erdmantel ist, da der Wassergehalt des damaligen Diamanten auch aus einem chemisch exotischen Umfeld hätte resultieren können. Die Einschlüsse in dem 1,5 Zentimeter großen Diamanten aus Botswana, den das Forschungsteam in der aktuellen Studie untersucht hat, waren dagegen groß genug, um auch die chemische Zusammensetzung exakt zu messen. So ließen sich die vorläufigen Ergebnisse von 2014 endgültig bestätigen.

Der hohe Wassergehalt der Übergangszone verändert die dynamische Situation in der Erde, denn der Erdmantel darüber und darunter kann nicht annähernd so viel Wasser aufnehmen. Wozu das führt, zeigt sich zum Beispiel an von unten kommenden heißen Mantle Plumes, die unterhalb der Übergangszone hängenbleiben. Dort heizen diese die wasserreiche Übergangszone auf, was wiederum zur Folge hat, dass sich dort dann neue kleinere Mantle Plumes bilden.Wandern diese kleineren wasserhaltigen Mantle Plumes nun weiter nach oben und durchbrechen die Grenze zum oberen Erdmantel, passiert Folgendes: Das in den Mantle Plumes enthaltene Wasser wird freigesetzt, wodurch der Schmelzpunkt des aufstrebenden Materials sinkt. Es schmilzt also sofort und nicht erst kurz bevor es die Oberfläche erreicht, so wie es sonst passiert In Folge sind die Gesteinsmassen in diesem Teil des Erdmantels insgesamt nicht mehr so zäh, was den Massebewegungen mehr Dynamik verleiht. Die Übergangszone, sonst eigentlich eine Barriere für die Dynamik, wird plötzlich zum Antrieb im globalen Stoffkreislauf.

Paper: Tingting Gu, Martha G. Pamato, Davide Novella, Matteo Alvaro, John Fournelle, Frank E. Brenker, Wuyi Wang, Fabrizio Nestola: Hydrous peridotitic fragments of Earth’s mantle 660 km discontinuity sampled by a diamond. Nature Geoscience (https://www.nature.com/articles/s41561-022-01024-y)

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