Die Energiepolitik spaltet Deutschland

Eine Umfrage, die Eon in Auftrag gegeben hat, zeigt laut FAZ (Bezahlartikel) ein uneinheitliches Bild in Deutschland, wenn es um die Energiewende geht. Ein breiter gesellschaftlicher Konsens sieht anders aus.

“Auf andere Energieträger wollen viele Haushalte aber vorerst nicht verzichten. Den Kohle- und noch mehr den Atomausstieg halten viele Befragte für übereilt. Knapp die Hälfte der Befragten würde eine Verschiebung des Kohleausstiegs be­fürworten. Den Atomausstieg möchten gar 55,7 Prozent verschieben. Grundsätzlich stimmen dem Kohleausstieg aber 57,5 Prozent zu. Den Ausstieg aus der Kernenergie unterstützen dagegen nur noch 45,2 Prozent, 21,6 Prozent sind un­entschlossen.

Deutliche Unterschiede ergeben sich zwischen Ost- und Westdeutschland. Kohle- und Atomausstieg haben dort eine noch geringere Akzeptanz, der Ausbau der erneuerbaren Energien stößt auf breitere Skepsis. Bis auf den Ausbau der überregionalen Stromnetze (insgesamt 80 Prozent Zustimmung) werden in Ostdeutschland nahezu alle Zielsetzungen der Energiewende kritischer gesehen als im Westen. Zudem fällt der Unterschied zwischen Stadt und Land im Osten größer aus als im Westen.”

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Mimikama untersucht, ob Europa knapp an einem Blackout vorbeigekommen ist. Der Grund war eine einbrechende Netzfrequenz am 12.12.2022. Dort gibt man allerdings Entwarnung.

“Schwankungen in der Frequenz des Stromnetzes können ein Problem sein. Sie entstehen, wenn mehr oder weniger Strom eingespeist wird, als verbraucht wird. In Europa gibt es ein großes Verbundnetz (wie auch in vielen anderen Weltregionen), das bedeutet, dass auf Gleichgewicht im Gesamtnetz wie auch in Teilbereichen geachtet werden muss. Es gibt allerdings einige Regelmechanismen und einen Stufenplan, wie damit umgegangen wird, der im VDE FNN genau geregelt ist.

Zunächst wird auf Entkopplung von Teilnetzen oder bestimmten Kraftwerken gesetzt, bevor man über Abschaltungen nachdenken muss. In der Vergangenheit gab einige größere Störfälle, aber die Weise, wie darauf reagiert wurde, zeigt eher, dass man eigentlich sehr gut vorbereitet ist. Die Schwankungen, die auf Social Media in alarmierender Weise besprochen werden, sind also harmlos. Bis 49,9 Hz liegt man im alltäglichen Schwankungsbereich, bis 49,8 Hz kann mit „Regelenergie“ kompensiert werden. „Lastabwürfe“ beginnen erst ab 49 Hz, ein (geregelter) Blackout findet ab 47,5 Hz statt.”

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Manchmal muss man einfach nur lange genug warten, dann erledigen sich einige Dinge von allein. “Stromproduzent EnBW schließt erneute Laufzeitverlängerung von AKW-Betrieb aus”, so titelt Ludwigsburg24 in einem Artikel über eine weitere Laufzeitverlängerung der letzten Kernkraftwerke in Deutschland.

“Der Energiekonzern EnBW schließt einen noch längeren Betrieb der Atomkraftwerke aus. „Für eine weitere Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ist es zu spät“, sagte der zuständige EnBW-Vorstand Georg Stamatelopoulos der „Süddeutschen Zeitung“. Dafür bräuchte es neue Brennelemente, die aber hätten eine Lieferzeit von vielen Monaten. Auch ausreichend Fachpersonal für diese Technologie stehe nicht mehr zur Verfügung. „Es gibt diese Industrie in Deutschland einfach nicht mehr, die haben wir über zehn Jahre zurückgebaut“, so Stamatelopoulos. Und weiter: „Ein Atomkraftwerk ist keine Märklin-Eisenbahn, die man an- und ausschaltet und die dann immer funktioniert. Die Kernenergie ist für Deutschland einfach keine Option mehr.“ Die Bundesregierung hatte angesichts der Energiekrise und des Ukraine-Kriegs zuletzt beschlossen, die drei noch vorhandenen Atomkraftwerke einige Monate weiter laufen zu lassen. Darunter ist auch Neckarwestheim II von EnBW. Die in der Vergangenheit getroffene grundsätzliche Ausstiegsentscheidung könne nicht kurzfristig revidiert werden, sagte nun Stamatelopoulos.”

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Wird Deutschland je wieder Gas aus Russland kaufen? Dieser Frage und anderen Fragen im Zusammenhang mit Russland geht der Focus nach.

“Der größte Nutzen Russlands als Hauptlieferant waren vor allem die geringen Lieferpreise. Erdgas aus ferneren Ländern wird teuer. Zunächst müssen, wie bereits angefangen, LNG-Terminals an den deutschen Küsten gebaut werden. Dann sind Tanker mit flüssigem Erdgas auch teurer als Erdgas durch eine Pipeline. Auf Russland als Lieferanten zu verzichten, könnte also langfristig höhere Preise bedeuten. Fraglich, ob die deutsche Bevölkerung dazu bereit wäre.

Die Preise könnten sich einige Jahre noch dadurch erhöhen, dass ausreichende LNG-Lieferungen eben erst möglich sind, wenn die Terminals fertiggestellt sind und auch die Lieferländer ihre Produktion und den Transport entsprechend umstellen können. Die Zusammenarbeit mit Katar beginnt deswegen eben erst 2026. Das wäre auch bei anderen Lieferanten so. Einzig die USA, die jetzt schon LNG nach Deutschland liefern, könnten wohl kurzfristiger einspringen, notfalls auch über niederländische Terminals. Sie würden sich das aber wohl entsprechend bezahlen lassen.”

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Die EU hat eine Verschärfung ihrer Klimapolitik beschlossen. Ottmar Edenhofer vom PIK geht laut Spiegel davon aus, dass Europa bis 2030 dadurch aus der Kohle ausgestiegen ist. Durch die Ausweitung der CO2-Regelung wird Diesel z. B. 10 Cent teurer pro Liter. Das aber soll nur ein Anfang sein.

“Natürlich hätten die Ziele noch ehrgeiziger sein können, sagte der Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) am Montag im Deutschlandfunk. Sehr wichtig sei jedoch, dass Europa nun mehrere Instrumente habe: neben einem strengeren Emissionshandel für Industrie und Stromsektor jetzt auch einen zweiten Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sowie einen Klimasozialfonds. Diese könne und müsse man später nachschärfen.

Aller Voraussicht nach werde es mit der Einigung vom Wochenende in Europa noch vor 2030 einen Kohleausstieg geben, sagte Edenhofer. Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten hatten sich am frühen Sonntagmorgen auf eine Reform des EU-Emissionshandels geeinigt.

Demnach müssen Verbraucher und Unternehmen künftig häufiger für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂) bezahlen. So wird der bestehende Emissionshandel für Unternehmen, die für den CO₂-Ausstoß Verschmutzungszertifikate kaufen müssen, deutlich verschärft, indem die Zahl dieser Lizenzen schneller verringert wird als bislang geplant.”

Kohle hat die Hauptlast bei der Stromerzeugung in den ersten beiden Dezemberwochen2022 in Deutschland getragen. Wer diesen Part ab 2030 dann übernehmen soll, sagt Edenhofer in dem Artikel leider nicht. Es bleibt bei der Devise, dass man erstmal aussteigt und sich dann überlegt, was zu tun ist. Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag einmal bis zu 50 neue Gaskraftwerke vorgesehen. Davon hört man allerdings nicht mehr viel, dabei bräuchten auch die einige Jahre von der Planung bis zur Inbetriebnahme. Was soll schon schiefgehen in 2030?

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Eine ganz neue Arbeit findet, dass der Jet mit der Erwärmung schneller und zonaler ( also mehr Ost-West orientiert) wird und damit Blocking-Wetterlagen tendenziell abnehmen. Ganz anders als uns vor Jahren eingetrichtert wurde, u.a. von Karsten Schanke: Er bekam dafür den Grimme-Preis! Die Medien waren voll von Erklärungen. Alle begingen einen Fehler: Die Erwärmung vollzieht sich in der Arktis nur am Boden schneller, in der Höhe das Jetstreams erwärmen sich die Tropen schneller als die Arktis und der Kontrast nimmt zu. Das bestätigt die neue Arbeit und gibt starke Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Jet überhaupt nichts passiert, er wird eher schneller und ein wenig schmaler als dass er mehr mäandert und immer mehr dahin siecht. Wissenschaft korrigiert sich halt am Ende, mit dem kollektiven Bewusstsein, in das der Unsinn eingebrannt ist, ist das schwerer. 

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Leiden University:

White paper on critical materials, green energy and geopolitics

With its Green Deal, the European Union has set itself much-needed ambitious climate goals. But the energy crisis and geopolitical tensions are making these difficult to achieve. Seven researchers from the Leiden-Delft-Erasmus Universities (LDE) alliance have written a white paper offering solutions.

The paper “Critical Materials, Green Energy and Geopolitics: A Complex Mix” describes the energy transition, a transition from fossil fuels to metals such as iron, copper, lithium and the rare earth metals required to produce the wind turbines, solar panels, electrolyzers and batteries that we need. These metals are critical to the energy transition, but the Netherlands, and the EU in general, currently import the bulk of these, making us dependent on other countries.

Input from the Institute of Environment Sciences

Two researchers from Leiden University helped write the white paper: Rene Kleijn and Ester van der Voet, both from the Institute of Environmental Sciences (CML). The paper was Kleijn’s initiative. He asked researchers from different disciplines to share their vision. Kleijn: “We discuss current access to these raw materials in the Netherlands and the EU, and how we can develop a strong, independent basis for the energy transition.”

Van der Voet provided input on urban mining: recovering materials from your own country. “A country’s energy system contains enormous amounts steel, copper and aluminum that can be reused when cables and pipes are replaced. This means you don’t have to keep mining new materials. You also save a lot of energy because mines use huge machines to dig up massive amounts of stone for what is, in comparison, just a tiny bit of metal.”

Das White Paper ist hier.

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Związek et al. 2022:

On the economic impact of droughts in central Europe: the decade from 1531 to 1540 from the Polish perspective

The period from around 1450 to 1550 in Europe is extremely interesting from the perspective of research on extreme weather events. It was a period of events that strongly influenced the societies and economies of the Old Continent. So far, the literature has been more focused on western and northern Europe. Concerning the region of central Europe, the greatest attention was paid to the Czech Republic or Hungary. This article revolves around the Polish lands, which experienced their greatest economic boom in the 16th century. We consider whether and how the droughts of the decade from 1531 to 1540 might have affected the country’s economic development. We analyse a number of written sources which are the product of the treasury apparatus of the time (tax registers, data from water customs, tax exemptions, inventories of land estates etc.), but also information on fluctuations in product prices in the most important cities in this part of Europe. The work not only provides a detailed account of economic data, but also attempts to reflect on the relevance of linking information on fires in urban centres in the period characterized by weather extremes.

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Heeren et al. 2022:

On climate anxiety and the threat it may pose to daily life functioning and adaptation: a study among European and African French-speaking participants

The notion of climate anxiety has gained traction in the last years. Yet uncertainty remains regarding the variations of climate anxiety across demographic characteristics (e.g., gender, age) and its associations with adaptive (i.e., pro-environmental) behaviors. Moreover, the point-estimate proportion of people frequently experiencing climate anxiety has seldom been probed. In this study, we assessed climate anxiety (including its related functional impairments), along with demographic characteristics, climate change experience, and pro-environmental behaviors, in 2080 French-speaking participants from eight African and European countries. 11.64% of the participants reported experiencing climate anxiety frequently, and 20.72% reported experiencing daily life functional consequences (e.g., impact on the ability to go to work or socialize). Women and younger people exhibited significantly higher levels of climate anxiety. There was no difference between participants from African and European countries, although the sample size of the former was limited, thus precluding any definite conclusion regarding potential geographic differences. Concerning adaptation, climate anxiety was associated with pro-environmental behaviors. However, this association was significantly weaker in people reporting frequent experiences of climate anxiety (i.e., eco-paralysis) than in those with lower levels. Although this observation needs to be confirmed in longitudinal and experimental research, our results suggest that climate anxiety can impede daily life functioning and adaptation to climate change in many people, thus deserving a careful audit by the scientific community and practitioners.

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British Antarctic Survey:

Tropical storms trigger Antarctic ice melt

New factors have been identified which contribute to record-high temperatures and ice melt over the eastern Antarctic Peninsula and Larsen C Ice Shelf.

The study, published today (13 July 2022) in the journal Nature Communications, describes how distinct patterns of air circulation over the tropical Pacific Ocean can lead to the formation of intense atmospheric rivers. These long stretches of warm, moist air result in extreme high temperature events and ice melt when they move over the Antarctic Peninsula.

A team, including British Antarctic Survey researchers, used advanced modeling techniques to determine that these anomalous air circulation patterns are caused by thunderstorms and weather patterns resulting from hot air rising in the atmosphere in the central tropical Pacific east of Fiji. Variability in activity over this region was found to explain 40% of the year-to-year variability in melt over the summer period on the Larsen C ice self. It was also likely to be the cause of the two recent record-high Antarctic temperature events in March 2015 and February 2020, both of which led to record-high surface melting on the Larsen ice shelf.

These results suggest the future stability of the Larsen C ice shelf, and the associated contribution of the Antarctic Peninsula to global sea level rise, is closely tied to future variability in central tropical Pacific weather patterns.

Dr. Kyle Clem, climate scientist at the Te Herenga Waka—Victoria University of Wellington and lead author of the study says: “In our study, we show for the first time that a pattern, which results from the convection near Fiji, leads to a large and deep area of low pressure off the coast of West Antarctica and a strong high-pressure system north of the peninsula over Drake Passage. Together, these features transport very warm and moist air from middle and sub-tropical latitudes of the eastern South Pacific to the Antarctic Peninsula in the form of intense atmospheric rivers. This is another mechanism which may help us predict what might happen with the Larsen C ice shelf.”

The Larsen Ice Shelf, on the eastern peninsula, has experienced a dramatic series of collapses since the mid-1990s, including the most northern section Larsen A in 1995, and the larger Larsen B section to its south in 2002. Farther south, the largest remaining section, the Larsen C ice shelf, is now thinning. Larsen C is Antarctica’s fourth largest remaining ice shelf. In 2017, the giant A-68a iceberg broke away from Larsen C releasing an estimated 152 billion tons of fresh water into the ocean when it melted.

The loss of these ice shelves in recent decades has triggered rapid thinning and acceleration of the glaciers that once fed into them and has resulted in an accelerated pace of sea-level rise contribution from the Antarctic Peninsula.

Dr. John King, BAS atmospheric scientist and contributing author of the study says: “This work confirms how strongly Antarctica is connected to other parts of the global climate system. The eventual fate of Larsen C Ice Shelf may depend on changes taking place thousands of miles away, in the tropical Pacific.”

Further work is needed to determine how the occurrence of this atmospheric circulation pattern may change in the future from changes in tropical variability, continued recovery of the Antarctic ozone hole, and how the magnitude of temperature extremes may change in a warming global climate.

Paper: Kyle R. Clem et al, Central tropical Pacific convection drives extreme high temperatures and surface melt on the Larsen C Ice Shelf, Antarctic Peninsula, Nature Communications (2022). DOI: 10.1038/s41467-022-31119-4

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