Ein Turbominister trotzt der Physik

Den Norddeutschen wird nachgesagt, dass sie nicht mehr als nötig reden. Zu groß ist vielen die Gefahr, dass man ansonsten an seinen Worten gemessen wird, wenn man zu viel redet oder gar viel verspricht. Ein “Schnacker” ist im Norden nicht nur jemand, der gern viel spricht, sondern auch sonst wenig auf die Kette bekommt. Ein Maulheld eben, der wenig weiß, aber alles erklären kann.

Jemand, der viel spricht und auch verspricht ist der neue Grüne Umweltminister von Niedersachsen Christian Meyer. Er bezeichnet sich in seinem Twitterprofil als “Turbominister”, was ja schon einiges über die Selbsteinschätzung aussagt. Meyer fiel schon während seines Wahlkampfs die eigene “Schnackerei” auf die Füße als er Plakate mit By By Atomkraft herstellen ließ, gleiches gilt für das Plakat By By CO2, wenn man sich den aktuellen Strommix für Deutschland oder auch Niedersachsen ansieht muss man darüber lächeln.

Die Welt interviewte “Turbo-Meyer” nun und seine Antworten verblüffen schon etwas. Seine große Sorge gilt dem Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine. Dort ahnt er Schlimmes. Und er als Umweltminister bekommt täglich die Vorhersagen für das Wetter und für den Fall einer Havarie in der Ukraine weiß Meyer dann ganz genau Bescheid. Nun scheint ihn das Wetter, was die eigene Stromproduktion in dem Bundesland angeht, eher weniger zu interessieren. Sonst wüsste er, dass er mit Wind und Sonne aktuell keinen großen Wurf landen kann. Es würde nicht einmal langen, wenn das Windland Niedersachsen seine Kapazitäten dramatisch erweitern würde. Die Physik und auch die Mathematik sind halt erbarmungslos auch bei “Turboministern”. Statt Bye Bye CO2 heißt es also nun Hey Hey CO2 – Deutschland verbrennt sehr viel Kohle, weil Gas zu teuer und knapp ist und Wind und Sonne nicht liefern.

Die Leistung des letzten verbliebenen laufenden Kernkraftwerks in Niedersachsen redet Meyer konsequent klein und hat zudem eine brillante Begründung, warum man es eigentlich nicht mehr braucht. Es wird ja hin und wieder auch heruntergefahren und dann würde es ja auch keinen Strom liefern und irgendwie geht das ja auch. Das ist ja mal ein Schnack.

“WELT: Wie wichtig ist das AKW Emsland für Stromversorgung und Netzstabilität?

Meyer: Aus Sicht der Netzbetreiber brauchen wir das AKW Emsland hier im Norden nicht. Wir hatten in der Vergangenheit schon mehrfach die Situation, dass die Anlagen in Lingen und Grohnde gleichzeitig vom Netz waren. Da gab es keinerlei Probleme. Im Übrigen sieht man schon am Zeitpunkt, den RWE für das Umstecken der Brennelemente und damit das Abschalten des AKW vorgesehen hat, dass die Anlage nicht systemrelevant ist.

Dass es ausgerechnet Ende Januar – nach Einschätzung aller die sensibelste Zeit für eine mögliche Überlastung der Netze – abgeschaltet werden soll und nicht jetzt, belegt, dass dem AKW Emsland kein wesentlicher Beitrag zur Netzstabilität mehr beigemessen wird.”

Vielleicht sollte Meyer einfach einmal die Netzbetreiber fragen, wohin der Strom aus dem KKW Emsland tatsächlich in erster Linie geht. Er scheint es nämlich nicht zu wissen.

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Kürzlich berichteten wir über Tiefengeothermie im Oberrheingraben. Man muss gar nicht so weit in den Süden Deutschlands gehen, wenn es um das Thema geht. NDR Info hat einen Bericht über ein Projekt in Schwerin, das 1.800 – 2.000 Haushalte mit Wärme versorgen soll. In das Projekt, welches in Europa einzigartig ist, sind bisher über 20 Millionen Euro geflossen. Zum großen Plus zählt allerdings der geringe Flächenverbrauch solcher Anlagen und die stetige Verfügbarkeit der Wärme.

“Das sieht auch Inga Moeck so. Sie ist Professorin für Angewandte Geothermik und Geohydraulik an der Universität Göttingen. Ihrer Ansicht nach ist das Klimaschutz-Potenzial der Geothermie riesig – ob mit Tiefengeothermie wie in Schwerin oder oberflächennah wie im Eigenheim von René Tilsen. „Der Wärme-Sektor stößt zurzeit in Deutschland zwischen 88 und 90 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus. Und wenn wir davon ausgehen, dass die Geothermie 40 Prozent der zukünftigen Wärmeversorgung abdecken kann, dann kann man davon ausgehen, dass durch die Nutzung der Geothermie 35 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden können.“

Wie klimaschonend ist das Schweriner Projekt?

Bei dem Tiefengeothermie-Projekt in Schwerin kommt der Strom für die Wärmepumpen bislang aus drei Blockheizkraftwerken, die mit Erdgas laufen. Aber eine klimaschonendere Lösung ist schon in Sicht: Die Stadtwerke wollen diesen Strom bald mithilfe einer Biogasanlage produzieren – und dann wäre das Geothermie-Kraftwerk tatsächlich CO2-neutral. Aber auch jetzt schon sparen die Stadtwerke jede Menge Treibhausgase ein: „Bei uns sind es 7.500 Tonnen CO2. Das ist ein Vorteil. Der zweite Vorteil ist: Die Tiefengeothermie spart auch Platz. In ganz Deutschland suchen wir ja immer nach Platz für erneuerbare Energien, also für Windräder oder Solaranlagen. Bei der Geothermie ist es so: Wir brauchen nur zwei Bohrplätze und relativ wenig Anlagenbau.””

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Rückschlag für das Kernenergie-Projekt von Terrapower in Wyoming in den USA. Es wird laut Reuters zwei Jahre später als geplant an den Start gehen. Als Grund gelten die Brennelemente, die aus russischer Produktion bzw. Vorproduktion kommen. Terrapower gehört dem US-Unternehmer Bill Gates.

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Warum baut Belgien Stromspeicher, wenn es die doch noch und nöcher gibt? Wir werden es vermutlich nicht erfahren oder es gibt halt doch eher einen Bedarf, der noch und nöcher ist. In dem Land wurde jetzt ein Speicher mit einer Speicherfähigkeit von 100 MWh eingeweiht. Das ist verglichen mit dem Bedarf selbst eines kleinen Landes wie Belgien nicht wirklich viel, dürfte aber dennoch reichlich gefeiert werden. Cleantechnica berichtet:

“On its website, the company says, “With its capacity of 100 MWh, the Deux-Acren storage plant is the largest in the European electricity grid. Built in 6 months and entirely made up of lithium-ion batteries, it provides frequency regulation on the Belgian electricity network.

“In the context of the energy crisis, energy storage is today the key element to guarantee the energy independence of the European Union. It stabilizes the electrical networks by ensuring the balance between production and consumption without having to resort to auxiliary power plants running on fuel oil or gas. The proliferation of this type of project is a strategic issue for guaranteeing Europe’s energy sovereignty.”

Michael Coudyser, general manager of Corsica Sole, says, “This project is an important step for the development of electricity storage solutions in Europe. We financed this project with our shareholder, Mirova Energy Transition 5, without any public subsidy. By demonstrating that large-scale battery deployment is economically viable, we are proving that we can build a world based on renewable energy coupled with energy storage. With this project, Corsica Sole changes scale and becomes one of the European leaders in the sector. The multiplication of this type of project is a strategic issue to guarantee Europe’s energy sovereignty.””

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University of Alabama in Huntsville:

Effect of dust and smoke on Western drought ‚likely similar‘ to African study, author says

A University of Alabama in Huntsville (UAH) student says his examination of the combined influence of dust and smoke on surface atmosphere temperatures in sub-Saharan Africa likely applies to conditions in the American West, now in its worst drought in over 1,200 years.

Dust comes naturally, but most smoke comes from human activity or potentially human-caused factors like forest fires.

In the West, dust and desertification likely form a positive feedback loop that leads to drying because of less variation between daytime and nighttime temperatures, says Christopher Phillips, a doctoral student in atmospheric science at UAH, a part of the University of Alabama System.

In a study published in the Journal of Geophysical Research: Atmospheres, that’s what Phillips found happens with surface atmospheric temperatures in Africa, where the Sahara is growing in size.

„Smoke is a bit different, though. Smoke cools the daytime without warming the nighttime. This removes part of the feedback,“ says Phillips, who is advised by associate professor of atmospheric science Dr. Udaysankar Nair. „We found that dust dominates over smoke in Africa, so I don’t think it would change the overall picture of surface warming.“

Smoke’s small dark carbon particles are very good at blocking sunlight, which scientists call shortwave radiation. Because they are less than two-tenths of a micron in size, the small particles don’t interact very much with what scientists call Earth’s longwave radiation, which is the planet’s reradiation of solar energy.

„So, when smoke is dense it cools down your daytimes a lot because it blocks sunlight, but it doesn’t change the nighttime energy budget because smoke aerosols don’t interact with the Earth’s longwave radiation emission,“ Phillips says.

While his work focuses on surface warming, Phillips also commented on implications of the results.

„Conceptually, both dust and smoke stabilize the atmosphere during the day, making it less likely for clouds to form,“ he says. „Without clouds, you won’t find rain. Further, other studies show that African rainfall occurs in a seasonal cycle that is tied to the temperature of the Atlantic Ocean. When dust and smoke are blown over the ocean, they cool the water, which could make the seasonal rains less likely to form over sub-Saharan Africa.“

When dust warms the nighttime, the amount of dew that forms on plants can be reduced, stressing them more, Phillips says.

„If plants die off, then more dust can be lofted into the atmosphere, stabilizing the atmosphere and warming the night even more. This is the heart of the feedback loop,“ he says.

Dust has much larger particles than smoke. They can be several microns in size and dust does block sunlight like smoke does, but it also absorbs a fraction of Earth’s thermal radiation.

„That absorbed fraction doesn’t go out to space but is instead radiated back towards the surface. Essentially, dust acts like a blanket insulating the ground at night.“

That’s similar to how the greenhouse gas CO2 behaves, and that was one of the motivations for Phillips‘ research.

„In these arid, dusty places, how do we separate the impact of dust from greenhouse gas warming? We found that you can quantify how much nighttime warming is caused by dust, using weather models, but you have to look at combinations of smoke and dust,“ Phillips says.

„That’s because too much smoke means that you cool your days without the blanket effect at night,“ he says. „We found that when smoke is more than about half, the daytime cooling becomes greater than the nighttime warming.“

To study these effects in Africa, Phillips used a computer modeling approach with a single-column weather model that only looks at vertical processes like energy transfer in the atmosphere. He employed UAH’s Matrix high-performance computing cluster.

„It’s not quite a supercomputer like at the big national laboratories, but it is close,“ Phillips says. „Overall, I think we had close to 5,000 simulations to analyze, which would not have been possible without some sort of high-performance computer.“

The model was developed by pairing weather balloon and aerosol measurements from the 2006 Dust Biomass-burning Experiment, which used aircraft to measure the vertical structure of dust-smoke plumes over Africa, and weather balloon data from two U.S. Department of Energy and NASA research sites in Niger.

„We found two broad processes that act to modify surface temperature. First is the radiative processes that we already talked about, where aerosols block sunlight but trap the Earth’s thermal radiation,“ Phillips says.

„The second is tied to how aerosols stabilize the atmosphere. The air near the surface is known as the planetary boundary layer. It grows when heat at the surface creates turbulent eddies that mix the atmosphere, but adding dust and smoke keeps the boundary layer shallow. By trapping heat in a smaller layer, surface temperatures increase.“

Phillips found that this effect competes with shade created by dust and smoke and complicates how daytime temperatures respond to dust. At night, however, the radiative and boundary layer effects combine to cause warming.

„These two processes will be the same whether you’re here in the U.S. or in sub-Saharan Africa,“ Phillips says.

While careful to note that the atmosphere is a very complex and constantly evolving system, Phillips says that continuing drought in the U.S. West creates many positive feedback loops that perpetuate it, like a decrease in plant cover that both decreases water vapor movement from ground to air and also increases atmospheric dust loads. Both effects can decrease rain chances.

„I would certainly expect extended drought to cause an expansion of the U.S. deserts, and maybe even transform semi-arid regions into arid ones,“ he says.

On the plus side, Western agriculture tends to be well-irrigated, and Phillips says research shows that practice helps increase rainfall.

Large climate patterns will also help, he says. Cycles like el Nino and la Nina substantially change rainfall over the U.S., and they can overwhelm local factors like dust and smoke.

„Needless to say, nature is incredibly complex, and dust and smoke are only one piece of the puzzle,“ Phillips says.

„That’s why it’s so important to keep pushing scientific progress and performing ever more comprehensive studies that look at each piece together,“ he says. „I’m proud to say our paper is a step in that direction by tying together how aerosols impact both radiative transfer and boundary layer growth.“

Paper: Christopher Phillips et al, The Influence of Dust‐Smoke Mixtures on Boundary Layer Processes and Nocturnal Warming in the Sahel, Journal of Geophysical Research: Atmospheres (2022). DOI: 10.1029/2021JD036349

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Angela-Maria Burgdorf (2022):

A global inventory of quantitative documentary evidence related to climate since the 15th century

Climatic variations have impacted societies since the very beginning of human history. In order to keep track of climatic changes over time, humans have thus often closely monitored the weather and natural phenomena influencing everyday life. Resulting documentary evidence from archives of societies enables invaluable insights into the past climate beyond the timescale of instrumental and early instrumental measurements. This information complements other proxies from archives of nature, such as tree rings in climate reconstructions, as documentary evidence often covers seasons (e.g., winter) and regions (e.g., Africa, eastern Russia, Siberia, China) that are not well covered with natural proxies. While a mature body of research on detecting climate signals from historical documents exists, the large majority of studies is confined to a local or regional scale and thus lacks a global perspective. Moreover, many studies from before the 1980s have not made the transition into the digital age and hence are essentially forgotten. Here, I attempt to compile the first-ever systematic global inventory of quantitative documentary evidence related to climate extending back to the Late Medieval Period. It combines information on past climate from all around the world, retrieved from many studies of documentary (i.e., written) sources. Historical evidence ranges from personal diaries, chronicles, and administrative and clerical documents to ship logbooks and newspaper articles. They include records of many sorts, e.g., tithe records, rogation ceremonies, extreme events like droughts and floods, and weather and phenological observations. The inventory, published as an electronic Supplement, is comprised of detailed event chronologies, time series, proxy indices, and calibrated reconstructions, with the majority of the documentary records providing indications on past temperature and precipitation anomalies. The overall focus is on document-based time series with significant potential for climate reconstruction. For each of the almost 700 records, extensive meta-information and directions to the data (if available) are given. To highlight the potential of documentary data for climate science, three case studies are presented and evaluated with different global reanalysis products.

This comprehensive inventory promotes the first ever global perspective on quantitative documentary climate records and thus lays the foundation for incorporating documentary evidence into climate reconstruction on a global scale, complementing (early) instrumental measurements and natural climate proxies.

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