Stories von Wetter und Klima

Von Frank Bosse

„Welch langweilige Überschrift“ mag sich der geneigte Leser denken, dem der Unterschied klar ist: Wetter ist das, was kurzfristig passiert, Klima ist dem überlagert und bedarf längere Zeiträume der Betrachtung, weniger als 30 Jahre dürfen es i.d.R. nicht sein. Leider hält sich daran so mancher in den Medien jedoch nicht. Hier seien drei Beispiele genannt.

1. „klimawandelbedingte Trockenheit“ in Deutschland

Hier gab es in den vergangenen Jahren (2018-2022) gar manche knallige Überschrift. Selbst die „Helmholtz Klimainitiative“ schrieb damals:

Die trockenen Jahre 2018/19 sind beispiellos für die vergangenen 250 Jahre…. Geht der Klimawandel ungebremst weiter, wird mit einer starken Risikozunahme in Bezug auf Trockenheit und deren Folgen gerechnet.

Was ist dran?  Der Stand der Wissenschaft (World Meteorological Organization, WMO) wird vom Umweltbundesamt referiert und in Abb.2 dort möglicherweise gefährdete Gebiete gezeigt, Deutschland ist nicht darunter. Was ist mit dem Niederschlag hierzulande? Als Beispiel sei Sachsen- Anhalt betrachtet mit den Werten für den Juni eines Jahres bis zum folgenden Mai:

Abb.1: Die Niederschlagsmenge im Gebietsmittel mit dem Trend seit 1920 (Daten: E-OBS KNMI).

Tatsächlich war 2018/19 der Negativrekord (0,93 mm/Tag), 1962 waren es 1,0. Der Unterschied zwischen diesen (Wetter) Ereignissen und Klima ist der fehlende Langzeittrend. Auch von 1989-2024 ist der null. In der Tat war der letzte 12-Monatszeitraum sehr feucht, es gibt in der Vergangenheit jedoch ähnlich feuchte Vorgänger.  

Der Niederschlag ist zwar die vorherrschende Bedingung für Trockenheit, jedoch bestimmen die Temperaturen die Verdunstung, auch die geht ein in die Betrachtung. Das wird abgebildet im „SPEI Index“, der beide Größen berücksichtigt. Man findet die Daten hier.  Für Sachsen- Anhalt die gleiche Betrachtung wie beim Niederschlag oben in Abb.1:

Abb.2: Der SPEI-Index für Juni des Jahres bis Mai des Folgejahres 1950 bis 2023 mit einem 7-jährigem Mittelwert (fett) und dem linearen Trend (gestrichelt).

Man erkennt klar, dass es von den 1960er bis zu den 1980er Jahren aufwärts geht, ab den 90er Jahren leicht abwärts, 2018 markiert hier ebenfalls den Tiefpunkt, danach geht es wieder aufwärts. Da ist sehr viel Dynamik von Jahr zu Jahr dabei. Ein (ganz schwacher) Abwärtstrend ist vorhanden, vermutlich durch Start- und Endpunktwahl stark beeinflusst und weit von Signifikanz (p=0,28) entfernt, also wohl Wetter-Zufall.

Es gibt die „klimawandelbedingte Trockenheit“ in Deutschland so bisher nicht. Wir erleben schlicht Wetter.

2. „Der nächste Sommer wird der Höllensommer des Jahrhunderts“

Wohl jedem hier sind die Aussage des Kriminalbiologen Mark Benecke im März 2024 bekannt, viel (zu viel) wurde davon berichtet. Sein Fach ist nicht Meteorologie und/oder Klimatologie, trotzdem verstieg er sich zu solchen Aussagen, wohl nur der Aufmerksamkeit wegen. „Kachelmannwetter“ hat sich fachlich (also meteorologisch) damit befasst und eigentlich genug gesagt.
Zusammenfassung: viel Unsinn. Dabei ist an der Aussage „nicht alles falsch“! Was nämlich wahr ist, dass die Wahrscheinlichkeit von sehr warmen Sommertagen mit der Erwärmung durch den Klimawandel steigt:

Abb. 3: Die Anzahl der Tage/Jahr mit mehr als 35°C im Gebietsmittel von Sachsen- Anhalt.

Es gab tatsächlich schon vor der Erwärmung ab den 80er Jahren heiße Tage, 1943 ist mit vier bis heute Rekordhalter, erst von 2022 eingestellt. Was jedoch viel wichtiger ist, dass sich die Anzahl der sehr warmen Tage nach 2000 häufen. Sah man zwischen 1959 und 1991 nicht einen, so nach 2000 deren 20. Eine korrekte Aussage eines Experten, der den Begriff „Omega“ beruflich nicht nur von Fettsäuren kennt wie ein Biologe, sondern auch als auch erforderliche Wetterlage für Hitzewellen hierzulande, wäre also:

Ein sehr warmer „Höllensommer“(?) ist wahrscheinlicher geworden. Ob das auch 2024 passiert ist nicht seriös vorherzusagen.“

Es gab nach 2000 auch 11 Jahre ohne Tagesmaxima über 35°C. Nur hätte das nicht so viel Staub aufgewirbelt. Wie der Sommer 2024 geworden ist am Ende werden Sie hier im Blog lesen: Wenn es so weit ist!

3. Es gibt mehr Niederschlag hierzulande durch warme Meere

Während man unter 2. noch „mildernde Umstände“ walten lassen könnte durch mangelndes Fachwissen des Protagonisten, gilt das hier leider nicht. In den „heute Nachrichten“ vom 3.7. 2024 19:00 Uhr sagte Özden Terli, von Beruf Meteorologe, folgendes ab Min. 18:15:

Die letzten 12 Monate waren die nassesten seit 1881 sagt der Deutsche Wetterdienst, das verwundert kaum, denn die Weltmeere sind rekord-warm, was die Oberflächentemperatur angeht, und dabei entweicht eben viel Feuchtigkeit. Die kommt dann mit Wettersystemen zu uns…“ 

Das wiederholt er in der Sendung vom 4.7.2024 ab Minute 4:00:

Hinter all diesen Effekten steckt eigentlich die Erwärmung der Ozeane.”

Dann sollte es eine Korrelation geben zwischen diesen Oberflächentemperaturen der Ozeane (fachlich Sea Surface Temperatures, SST) und dem Niederschlag in Europa: Je wärmer die SST, desto mehr Regen in Deutschland? Das ist unwahrscheinlich, wir zeigten unlängst im Blog die deutschen Niederschläge des zweiten Quartals 2024:

Abb. 4: Der Niederschlag in Deutschland April, Mai, Juni und sein „null Trend“ seit 1924.

Im Unterschied dazu erwärmt sich der globale Ozean seit 1980 deutlich und stetig:

Abb. 5: Die SST- Anomalien, das Bild wurde mithilfe des KNMI-Climate Explorers generiert. 

Ein genauer Test zeigt denn auch die Nullkorrelation:

Abb. 6: Die Korrelation in Europa zwischen SST und Niederschlag. Bis auf wenige Gebiete (z.B. Sizilien und Dänemark) ist da gar nichts an Zusammenhang, Deutschland bleibt gänzlich weiß für „null“. Auch dieses Bild wurde mit dem „KNMI Climate Explorer“ generiert.

An der Aussage von Terli stimmt wohl nicht mal der Ansatz wie bei Punkt 2. oben, bei dem wenigstens die Häufung von sehr warmen Tagen ab 2000 zutrifft. Dann nämlich hätte er auch die außergewöhnlich trockenen Jahre nach 2018 erwähnen müssen, bei ebenfalls recht hohen SST. Der Sprung im Jahr 2023 sticht zwar hervor, der wiederholte Erklärungsversuch ist nichtsdestotrotz nur eine wilde Vermutung, denn vor ihm (Klima!) gab es keine solchen Abhängigkeiten. Das ZDF selbst zitiert daher zutreffend an anderer Stelle, ohne die unterkomplexe “Terli’sche ein-Jahres-Korrelation für Arme” zu bemühen:

Allerdings hat Niederschlag dem Hydrometeorologen zufolge generell „eine hohe Variabilität“. Die Trockenheit der vergangenen Jahre wurde nun durch eine sehr feuchte zwölfmonatige Phase abgelöst.”

Das ist für einen Profi wie Terli sehr bedenklich. Denn man muss schon nach dem Motiv von „Grimms Märchen“ bei Wetter und Klima fragen. Da ist eine nicht unbegründete Vermutung, dass man die Klimaerwärmung „kommunizieren“ will. Das versucht man offensichtlich, indem möglichst jedes Wetter in den Klimazusammenhang gerückt werden soll. Wetter spürt der „Mann auf der Straße“ unmittelbar, Klima ist ein schleichender Prozess, nicht so eindeutig individuell fühlbar.

Also bemüht man scheinbar „simple Physik“ („Wenn Wasser wärmer wird verdunstet es mehr“) um damit zu punkten. Nur sind die Wechselwirkungen mit ganz vielen anderen Einflüssen in der Atmosphäre und die Auswirkungen hierzulande eben nicht so simpel. Dann kommt das große Erwachen beim Publikum später oder auch nicht: Mancher hat die „Losungen“ der Vergangenheit schon vergessen. Andere winken entnervt ab bei neuen Meldungen, weil alte sich als später unwahr erwiesen, auch wenn die neuen möglicherweise nicht falsch sind.

Was Sie sich wirklich getrost als wohl unangenehme Wahrheit für die Gesundheit mancher über den Klimawandel merken können: Die Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen hat nach 2000 bedenklich zugenommen. Das ist eine seriöse Botschaft, sie stimmt nachgewiesenermaßen. Die anderen hier erwähnten Punkte schaden durch ihren sehr zweifelhaften Wahrheitscharakter am Ende jeder sinnvollen nachhaltigen „Klimakommunikation“.

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