Der Blick von außen

Manchmal ist die Sicht von außen durchaus hilfreich. Sie eröffnet andere Perspektiven, wenn der eigene Blick möglicherweise eingeschränkt ist. Der Schwede Pontus Nyman beschreibt beim Cicero die deutsche Energiewende und warum man in Schweden davor Angst hat. Nicht Angst im Sinne von ausfallenden Stromlieferungen aus Deutschland. Die Lieferungen gehen eher von Schweden nach Deutschland. In Schweden hat man Angst in den Sog von hohen Strompreisen zu geraten. Anders als in Deutschland hat Schweden Preiszonen für Strom.

Man kann nur jedem deutschen Politiker, der mit dem Thema beschäftigt ist, raten, sich das sehr genau anzusehen. Wenn andere Länder sich von der dysfunktionalen deutschen Energiewende abwenden, dann hat das Gründe. Die führen dann u. a. dazu, dass eine geplante Stromleitung nach Deutschland nicht gebaut wird. Nyman listet die Punkte alle nacheinander auf. Zu den Strompreisen und dem geplatzten Projekt einer weiteren Leitung nach Deutschland schreibt Nyman:

“Ich glaube, Schweden hat mehrere Gründe, die Hansa Powerbridge abzulehnen. Ein Grund, den die Regierung auch in ihrer Pressemitteilung deutlich anführt, ist, dass Deutschland nicht in Strompreiszonen unterteilt ist. Untersuchungen zeigen, dass der Strom in Norddeutschland billiger wäre als in Süddeutschland, wenn das Land solche Zonen einführen würde. Für uns wäre das positiv. Denn dann würden die hohen Strompreise seltener bis nach Südschweden durchdringen. Schweden hat zwei Preiszonen. Daher denke ich, dass die schwedische Regierung versucht, Deutschland dazu zu drängen, ebenfalls Strompreiszonen einzuführen. Die deutsche Regierung scheint das nicht zu wollen – vermutlich, weil sie die starke Industrie in Süddeutschland vor noch höheren Energiepreisen schützen will.”

Er streift auch das Thema Industrie und Strom am Ende. Und es stellt sich indirekt die Frage, warum Schweden das Geschäft mit der Industrie nicht gleich selbst machen sollte, statt Deutschland mit verlässlichem Strom zu beliefern. Für die deutsche Industrie sieht er schwarz, für das Kima aber auch.

“Deutschland war lange der Motor der europäischen Industrie und einer von Schwedens wichtigsten Handelspartnern. Aber wie die Dinge derzeit stehen, fürchte ich leider, dass die deutsche Industrie in andere Länder und Kontinente abwandern wird, die eine vernünftigere Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik verfolgen. Und wenn deutsche Unternehmen nach China ziehen, wird es weder für das Klima noch für die europäische Wettbewerbsfähigkeit ein Gewinn sein. Aber das ist unbestreitbar der Weg, den Deutschlands Energiepolitik derzeit einschlägt. Deutsche Politiker scheinen zu glauben, dass andere Länder in Europa nichts lieber täten, als ihren Strom nach Deutschland zu schicken. Dies mag für einige einzelne Stromerzeuger zutreffen, aber die schwedischen Unternehmen und Privatpersonen, die die Stromrechnungen bezahlen, haben genug davon. Und ich glaube, die Regierung hat das verstanden, weshalb sie sich entschied, Schweden nicht noch stärker dem deutschen Einfluss auszusetzen. Es ist an der Zeit, dass Deutschland aufwacht, seine Energiepolitik wieder nüchtern betreibt und dann das wirtschaftliche Comeback schafft, das ihm schon einmal gelungen ist – und auf das wir anderen Länder warten und hoffen.”

Unternehmen wie Microsoft wissen schon lange um den verlässlichen und günstigen Strom in Schweden. Dank seines gut ausgebauten Glasfasernetzes ist Schweden eine beliebte Adresse beim Betrieb von Rechenzentren. Aus der damaligen Pressemitteilung:

“Microsoft’s Sweden datacenter region is committed to cutting carbon emissions, achieving zero waste certification, and running on 100% carbon-free energy. Microsoft’s Sweden datacenter region will be powered by 100% carbon-free energy with 24/7 hourly energy matching with partner Vattenfall. To support its operations, Microsoft has signed agreements for new renewable energy projects with bp, Enlight Renewable Energy, European Energy, NTR, Prime Capital and wpd. In addition, Sweden is Microsoft’s first datacenter region whose backup generators will run on Preem Evolution Diesel Plus, the world’s first Nordic Eco-labeled fuel, which contains at least 50% renewable raw material, and nearly an equivalent reduction in net carbon dioxide emissions compared with standard fossil diesel blends.”

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Eines der Kraftzentren für Strom bzw. Stromexport in Europa ist auch Norwegen. Das Land ist reich an Wasserkraft, es deckt fast den gesamten Bedarf an Strom in dem Land und Norwegen exportiert reichlich in andere Länder. Dennoch scheint man sich dort nun auch mit der Kernenergie zu beschäftigen. WNN:

“The need for emission-free and stable energy sources that can help deal with the natural and climate crisis and meet an increasing need for power, technological development, as well as plans for the establishment of nuclear power production by private actors in collaboration with municipalities, have contributed to the question of nuclear power being brought up to date again,” said Energy Minister Terje Aasland. “Nuclear power is a complex energy source that affects a number of areas of society. There is therefore a need to obtain an updated and solid knowledge base on nuclear power as a possible energy source in the Norwegian power system.

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In Nordrhein-Westfalen soll ein riesiger See in einem stillgelegten Braunkohle-Tagebau entstehen. wa.de:

Laut den Planungen von RWE soll sich der neue Hambachsee auf etwa 42 Quadratkilometer erstrecken. Nach Volumen soll das Gewässer gar das zweitgrößte Deutschlands werden. Das ist hauptsächlich auf die Tiefe des „größten Lochs Europas“ zurückzuführen. Mit rund 360 Meter würde der See den derzeitigen Spitzenreiter – den Bodensee mit 254 Meter – locker in die Tasche stecken. Nur auf die Wasseroberfläche bezogen, würde der geplante See deutschlandweit auf Rang sieben landen.

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Welche Chancen haben E-Fuels? Die Tagesschau über eine Pilotanlage, die sogenannte Solartreibstoffe herstellen soll. Die Mengen sind sehr überschaubar.

“Synthetische Kraftstoffe (auch E-Fuels oder nachhaltige Kraftstoffe genannt) sind ein wichtiger Bestandteil der Klimaschutzpläne der Europäischen Union. So müssen bei allen Flügen, die von einem Flughafen in der EU abgehen, ab 2025 mindestens zwei Prozent synthetische Kraftstoffe beigemischt werden. Bis 2050 soll der Anteil auf mehr als 70 Prozent steigen. Um diesen Bedarf decken zu können, muss die Produktion von synthetischem Treibstoff deutlich erhöht werden. Außerdem wird eine Sonderregelung für das Verbrenner-Verbot ab 2035 diskutiert, bei der Fahrzeuge, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen fahren, auch noch nach 2035 zugelassen werden dürfen. […] Bei der Anlage in Jülich handelt es sich um eine Pilot- und Demonstrationsanlage. Sie kann jährlich nur wenige Tausend Liter synthetischen Rohöls produzieren – auch, weil in Deutschland einfach zu wenig Sonne scheint. Die nächsten Anlagen sind aber bereits in Planung: Ab 2025 soll in Spanien die erste kommerzielle Produktionsanlage entstehen. Diese soll dann erstmals 1.000 Tonnen Treibstoff pro Jahr produzieren können.”

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Sonne und Wind schicken keine Rechnung, das übernimmt der Wirtschaftsminister. n-tv über das absehbare Defizit im EEG-Konto.

“Bisher waren 10,6 Milliarden Euro für die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2024 eingeplant. Toncar schreibt, die stark rückläufige Entwicklung der Strompreise und der damit einhergehende hohe Finanzierungsbedarf sei zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts 2024 nicht vorhergesehen gewesen. Dabei hatte sich die Regierung auf Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber vom Herbst 2023 gestützt. Nach aktuellem Stand seien die Mittel auf dem EEG-Konto bereits jetzt nahezu vollständig aufgebraucht. Der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung sagte dagegen: “Eine Kostenbelastung in dieser Größenordnung bei der Übernahme der EEG-Zahlungen war lange absehbar. Statt aber Vorsorge zu tragen, hat die Ampel die Zahlen geschönt und die eigentlich hierfür vorgesehenen CO2-Einnahmen anderweitig verplant.””

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Wir haben gerade die längsten Tage des Jahres und die Sonne erreicht ihren Höchststand, folglich erhöht sich die Stromproduktion aus Solar in Deutschland. Montelnews:

“In der Stunde zwischen 13:00-14:00 Uhr stieg die Solareinspeisung auf durchschnittlich 48.509 MW, so die Daten des Übertragungsnetzbetreiberverbands Entso-E. Zwischen 13:00-13:15 Uhr wurde dabei ein Spitzenwert von 48.679 MW erreicht. Damit deckte die PV-Einspeisung rund 78% der von Entso-E gemeldeten Nachfrage von 62,4 GW zu diesem Zeitpunkt. In der Day-Ahead-Auktion am Montag erzielte die entsprechende Stunde einen Preis von -0,05 EUR/MWh.”

Interessant ist, dass Deutschland mit fast 70% Solaranteil beim Strom trotzdem kaum deutlich unter 200 g CO2/kWh kommt. Zum Vergleich: Frankreich zum gleichen Zeitpunkt 20 g und Schweden 22 g.

(Abbildung: Screenshot Nowtricity)

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