Die Empfindlichkeit des irdischen Klimasystems auf CO2: neue Erkenntnisse 

Von Frank Bosse

Wir hatten es mehrfach hier erwähnt: Während sich die Forschung sehr einig ist, dass eine CO2-Verdopplung ein Anwachsen der Strahlung um ca. 3,8W/m² zur Folge hat, so bedeutend sind die Unschärfen, wieviel Erwärmung das in °C nach sich zieht.  

In dem Sachverhalt „Verdopplung“ steckt eine nicht unbedeutende Botschaft: Nehmen wir an, der CO2-Gehalt steigt von 300 auf 600 ppm, so werden 3,8W/m² Strahlungsantrieb hinzukommen, also 3,8/300 ppm Steigerung= rund 0,13W/m²/10ppm CO2-Anstieg.
Nehmen wir weiterhin an, der CO2-Gehalt stiege weiter an von 600ppm auf 1200 ppm so ist der zusätzliche Strahlungsantrieb pro 10ppm nur noch rund 0,065 W/m²/10ppm, also nur noch halb so groß wie im ersten Fall des Steigerns auf 600 ppm.
Dieses logarithmische Verhalten wurde mehrfach so nachgewiesen, recht aktuell erst hier. Es ist eine Tatsache. Soweit also das sehr gesicherte Terrain der Klimaforschung.
Kommen wir zum „unscharfen“ Teil: Die Temperaturerhöhung, die aus dem Verhalten folgt. 

Auch das IPCC ist da unsicher, da es den Stand der Forschung zum jeweiligen Sachstandsbericht abbildet.
Im letzten (AR6, nach 2021) fand man einen „wahrscheinlichen Bereich“ (mit 66% Wahrscheinlichkeit= „Likely“ im IPCC- Vokabular) von 2,5-4 °C nachdem alle Entwicklungen ein Gleichgewicht erreicht haben, was Jahrhunderte dauert mit dem Ausgleich (ECS) auch im tiefen Ozean. Im vorigen Bericht AR5 war der Bereich noch größer: 1,5-4,5 °C. Vor allem nach unten wurde er mit AR6 kleiner, nach oben weniger.  

In weiten Zügen ist das auf eine Arbeit zurückzuführen: Sherwood et al. (2020) (S20). Diese Studie ging einen anderen Weg als die Annahmen des IPCC bis dahin: Sie benutzte kaum Klimamodelle, um Werte zu erlangen, sondern vor allem reale Daten auch der Vergangenheit: So schätzte sie die Temperaturänderungen auch von historischen Prozessen, wie z. B. den Übergang von der letzten Eiszeit („LGM“) zu vorindustriellen Zeiten („PI“) 1850-1900. Aus „verschiedenen Quellen von Sachverhalten“ kam sie letztlich auf den o. g. Bereich. Dabei muss man mit Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten hantieren, denn genaue Daten sind auch hier nicht vorhanden.  

In der Folge fand eine folgende Arbeit (Lewis 2022) in dieser Beziehung einige Ungenauigkeiten und sogar Fehler in S20 und verwendete auch neuere Erkenntnisse sowohl zu historischen Ereignissen als auch zum physikalischen Prozessverständnis wie z. B. zum „Pattern-Effekt“, das Muster der vor allem tropischen Erwärmung. Die sind nämlich real dramatisch anders, als Modelle sie sehen und das wirkt verkleinernd auf die Empfindlichkeit, wir berichteten. In diesem Zusammenhang vielleicht auch mal auf die Erwähnung des Autors dieser Zeilen in den Danksagungen schauen…  

Lewis fand eine doch recht drastisch reduzierte Empfindlichkeit: der „Likely“ Bereich war 1,75-2,7 °C. Die maximale Wahrscheinlichkeit lag bei 2,2°C, das war ein ganzes Grad UNTER dem, was S20 und damit auch der IPCC AR6 einschätzte. Auch die Reduktion der oberen Grenze hat Auswirkungen: Er wird oft als „nicht unmöglicher „Worst Case“ angegeben, den man unbedingt vermeiden müsse, denn 4,5°C global ist eine Menge Holz!
Landflächen erwärmen sich deutlich mehr (mangelnde Verdunstung) und man müsste mit 7°C dort rechnen!
Das erzeugt einen großen Handlungsdruck in der Politik. Dagegen wären 2,7°C global (ca. 4 °C über Land) schon eher zu managen, wenngleich ebenfalls kein „Zuckerschlecken“. Aber keine Angst, in überschaubaren Zeiträumen bis 2100 werden wir wohl „nur“ ca. 2°C global sehen, das sind +3°C z. B. in Deutschland. Gegenwärtig sind wir allerdings schon bei +2°C gegenüber vorindustriellen Zeiten.  

In genau solchen Rechnungen liegt auch ein Fallstrick für die Klimaforschung: Sie ist hochgradig politisiert.
So unterstellte der Hauptautor von S20 und ein Kollege in 2023 wohl dem Forscherkollegen Lewis eine systematische Unterschätzung der Erwärmungsgefahr und verfassten einen Kommentar („Opinion“) zur Arbeit Lewis (2022).
Darin meinten sie, mehrere „einseitige Meinungen und Einschätzungen“ gefunden zu haben und ein unangemessenes Ausschießen von hohen Werten der Empfindlichkeit. Die von Lewis angemerkten methodischen Fehler in der Wahrscheinlichkeitsbetrachtung in S20 wischten sie ebenfalls vom Tisch: „praktisch keine Auswirkungen auf das Ergebnis“. 

Am Ende hatten sie wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Nic Lewis antwortete seinerseits und veröffentlichte ebenfalls eine Studie ganz aktuell. 

In ihr setzte er sich Punkt für Punkt mit den Kritiken an seiner Arbeit aus 2022 auseinander und konnte alle entkräften insofern, als seine Einschätzung der Empfindlichkeit Bestand hat, wie auch der Diskussionsverlauf zum Artikel zeigt, indem auch die “Opinion”-Autoren des Artikels aus 2024 ausführlich zu Worte kamen.  

1:0 für Lewis.  

Seine Kritik an der Methodik der Wahrscheinlichkeitsberechnung in S20 bleibt auch bestehen.  

Kürzer tat er das auch in einem begleitenden Blogpost.    

Aus seiner Zusammenfassung:  

„Die anhaltende Debatte über die Klimasensitivität spiegelt die inhärente Schwierigkeit des Problems und einige methodische Schwächen – insbesondere in Bezug auf statistische Aspekte – in der veröffentlichten Forschung wider, weniger eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit über die Realität des vom Menschen verursachten Klimawandels. Obwohl die Forschung zur Klimasensitivität in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleiben erhebliche Unsicherheiten bestehen. Debatten und Meinungsverschiedenheiten sind sinnvoll, sollten sich aber auf Beweise und deren Interpretation konzentrieren, nicht auf unbegründete Behauptungen.“ 

Was meint er damit? Immer wieder kann man sinngemäß so etwas lesen:  

„Ein Herr Lewis produziert ganz kleine Zahlen. So klitzeklein, die sieht man kaum. So ganz winzig. Geradezu mikroskopisch im Vergleich zum IPCC.“  

Solche Schreiberlinge unterstellen einen „meinungsbasierten Bias“, den es so schlicht nicht gibt! Dann ist der Schritt zu ideologisch geprägten Vorhalten wie „Verharmlosung des Klimawandels“ nicht weit. 

Die letzte Veröffentlichung von Lewis zeigt vielmehr eher, dass gar mancher zur Übertreibung neigt, wenn er nun offenbar illusorische „obere ECS-Bandbreiten“ verwendet, um Angst zu schüren. Die Forschung zur Empfindlichkeit des Klimas auf äußere Antriebe (Forcing) bleibt eine Herausforderung der Wissenschaft. Herausforderung heiß auch: Heraushalten von Ideologie und „Haltungen“. Es wäre wirklich sehr gut auch für den Ruf des Wissenschaftszweiges, wenn das ein Ergebnis der jüngsten Auseinandersetzung unter Gelehrten wäre.       

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