Ein Silvester-Schwank(e)

Karsten Schwanke und das liebe Klima- ein zu langer Silvesterschwank 

Vielleicht erinnern Sie sich noch. liebe Leser, als Karsten Schwanke dem staunenden Publikum im November 2018 erklärte, dass sich der Jetstream abschwächt mit dem Klimawandel?  
Ab Min 1:20 hier zu sehen.   
Seine (viel zu) einfache Erklärung damals: Die Arktis erwärmt sich stärker als die Tropen.  
Das trifft sogar zu, man nennt das Phänomen „arktische Verstärkung der Erwärmung“.  
Nur tritt die vor allem bodennah auf, der Jetstream befindet sich (daher der Name) jedoch in 8-12 km Höhe. Später wurde die These, die Schwanke da als „die Wahrheit“ präsentierte, von der Wissenschaft widerlegt. Es erschienen mehrere Studien, die feststellten, dass der Jetstream sich eher leicht intensiviert durch mehr Erwärmung in der Jet-Höhe der tropischen Troposphäre, vgl. diese Arbeit, insbesondere Fig. 3 darin.  
So ist Wissenschaft, sie irrt sich empor. Schwanke hatte sehr voreilig einen Zusammenhang konstruiert, den es so nicht gab. Hat er etwas daraus gelernt?  

Es ist zu befürchten: nein. In diesem aktuellen Video (seine Jahreszusammenfassung 2024 aus Sicht von Wetter und Klima) vom 19.12.2024 stellt er ein weiteres Mal sehr steile Thesen auf.  
Es sind deren viele, auf einige sei eingegangen.  

Zunächst zeigt er, dass die globalen Temperaturen in 2024 ein Rekordniveau erreichten.  
Das ist völlig zutreffend, die Daten, die er bei Min. 2:10 präsentiert, sind wie sie sind.  

Er erklärt dann, dass man annahm, 2023 wäre global so deutlich wärmer als die Vorjahre gewesen, weil es einen El Niño gab. Mit dieser Vermutung ist er wohl allein in der Fachwelt, weil schon lange bekannt ist, dass ein El Nino (sich vor allem im November und Dezember eines Jahres auswirkend, daher der Name „Christjunge“) sich mit ca. 3 Monaten Verspätung bei den globalen Temperaturen niederschlagen, also nicht in 2023 eine bedeutende Rolle spielte, sondern eher im aktuellen Jahr 2024.
Schwanke sollte sich wahrlich mehr informieren über die Themen, die er da vorträgt!  

Vielmehr steht die wissenschaftliche Fachwelt noch immer vor einem Rätsel über die genauen Ursachen der Erwärmung insbesondere der letzten 18 Monate ab Juni 2023.  
Warum das so ist, zeigt Schwanke sogar selbst bei Min. 2:45. 

Quelle: Screenshot ARD-Mediathek  

Er führt aus zu diesem Zeitraum:

„Normalerweise kommen neue Rekorde nur so ein paar Millimeter hier obendrauf, aber hier oben: Das ist das neue Niveau.“  

Und genau da steckt der Zweifel und das Rätsel!  
Denn der wärmende Antrieb durch Treibhausgase hat eben NICHT so einen Sprung gemacht und ein El Niño ist auch nur gut für ca. 1/10°C globalen Temperaturhub in einem Jahr, nicht jedoch für 0,4 °C Anstieg von 2022 zu 2024.
Es gibt verschiedene Thesen und Eingrenzungen der eigentlichen Ursachen.  
Diese aktuelle Arbeit stellt fest, dass es die „Verdunklung“ der Erde durch reduzierte Wolkenbedeckung war, wodurch die Sonneneinstrahlung recht plötzlich anstieg.  
Das wird von anderen Studien bestätigt, z. B. dieser.  

Was allerdings die Ursache wiederum dafür ist, können sie nicht beantworten. Klimamodelle helfen hier kaum.  

Wolkenveränderungen stellen immer ein „Feedback“ dar, eine Reaktion auf etwas anderes.  
Es gibt deren vieler Möglichkeiten dafür. Eine könnte allerdings sein, dass Wolken infolge von anthropogener Treibhausgas- Erwärmung so schlagartig viel weniger werden, bisher so nicht erwartet. 

Es könnte jedoch ebenso gut Variabilität z.B. durch Meeresströmungen sein, es könnte auch eine Auswirkung von sehr viel Wasserdampf in der Stratosphäre sein, der durch einen Vulkanausbruch unter Wasser im Jahre 2022 (das wäre zumindest zeitlich passend mit den üblichen Verzögerungen) dahin geschleudert wurde. Dann sollte es auch wieder etwas abkühlen in den Folgejahren. Das alles ist hoch aktueller Gegenstand der laufwenden Forschung und das Fabulieren von einem „neuen Niveau“ durch Schwanke mit anschließender Diskussion des „deutlichen Reißens des 1,5°C Zieles in 2024“ (als ein dekadisches Mittel!) ist nichts als eine These und die zu “der Wahrheit” zu stilisieren ist genauso verfrüht, wie seine „Weisheit“ des sich abschwächenden Jetstreams im Jahre 2018. 

Es sei hier nicht alles im Detail diskutiert von dem, was da im Video behauptet wird.  
Schwanke geht u. a. auf die Temperaturen in Deutschland ein, die (wie zu erwarten bei so einem globalen Hub) auch einen Rekord in 2024 erreichten samt der Aussage: 

Bei uns in erwärmt sich die Luft doppelt so schnell wie im globalen Mittel“ (Min. 6:20). 


Warum das physikalisch so sein muss, erklärte er sogar selbst vorher (Min. 5:00):  
In globalen Temperaturen sind zu 70% Ozean- Oberflächentemperaturen enthalten, die erwärmen sich langsamer (hier sei ihm auch verraten warum: Durch die unbegrenzte Verdunstung über den Meeren, sie kühlt) als das Land. Jahrelang benutzte Phrasen brechen halt immer wieder durch? 

Noch ein paar Anekdoten Schwankes in seinem „Rundumschlag“: Bei Min. 7:50 kommt er auf die Erwärmung der Arktis zu sprechen. Die erwärmt sich auch bekanntermaßen mehr als die globalen Temperaturen, s. o. beim Thema Jetstream. Was passierte da in den letzten Jahren?  

(Temperauren nördlich 70°N nach GISS, die Abbildung wurde mit dem KNMI-Climate Explorer generiert.)  

Ausgerechnet da sehen wir nach dem folgerichtigen Anstieg ab 2000 um 1,5°C ein Verharren der Erwärmung ab 2018, anders als der starke Hub global in 2023/24 hätte erwarten lassen. 

Ganz schlechtes Beispiel für Deinen Zweck des Alarmierens der Zuschauer Ende 2024, Karsten! 

Dann geht’s zum Südpol bei ihm und da besonders in die Westantarktis.  
Bei Min. 9:25 deutet er ein wenig theatralisch auf diese Gegend und die Schmelzrate da:

Quelle Screenshot ARD-Mediathek 

Blöd nur, dass auch hier die wissenschaftliche Literatur zum Thema bei Weitem kein einheitliches Bild vermittelt:
Diese aktuelle Arbeit stellt da nämlich eine deutliche und großflächige Verlangsamung des Eis- Ausdünnens nach 2017 fest. 

Auch nicht so ganz im Ziel, Karsten! 

Schließlich kommt er auf die Temperaturen der Ozeane zu sprechen und betont auch hier, wie warm sie in 2023/24 waren. Etwas anderes hätte der aufmerksame Zuschauer auch nicht vermutet bei den hohen globalen Temperaturen der letzten 18 Monate, s. o.  
Dann jedoch der Schlenker zu Überschwemmungen, er zählt eine ganze Reihe aus 2024 auf, auch die September-Flut in Mittel/Osteuropa durch eine Vb-Wetterlage, wir berichteten (Min 12:40).  
Seine These, nochmals untermauert mit einem Bild der Regenmenge in der Gegend von Valencia, Südspanien (Min. 13: 36): 

Quelle: Screenshot ARD-Mediathek 

Karsten Schwanke:

Und auch DAS ist der Klimawandel.“ 

Alles? Teilweise, wieviel?  
Wenn es auch nur vorrangig der Klimawandel wäre, erwartete man einen steigenden Trend seit ca. 1980 wie bei den Temperaturen auch.  
In der gezeigten Niederschlags-Graphik unten im Screenshot ist da aber keiner bis zu diesem Extremereignis in 2024.  
So etwas deutet stets auf einen sehr großen Einfluss der Atmosphärendynamik hin, die durch ihre Zufälligkeit selten, aber immer mal wieder so etwas hervorbringen kann.  
Womöglich fände man in längeren Datenreihen vor 1940 solch ein einzelnes Ereignis auch. Es wird hier selbstverständlich nicht angezweifelt, dass wärmere Luft mehr Feuchtigkeit halten kann, das sagt das Gesetz von Clausius – Clapeyron: 1°C wärmer führt zu 7% davon mehr.  
Was da jedoch gezeigt wird, ist ein Faktor von über 5 über dem bisherigen konstanten Niveau seit 1940!  
Das ist nicht mit dem Gesetz und dem Klimawandel zu erklären. Wer sich zum Thema September-Flut in Europa und der voreiligen Zuschreibungen zum Klimawandel näher informieren möchte, sei auf einen Artikel des Autors dieser Zeilen auf dem Blog der Klimawissenschaftlerin Judith Curry verwiesen mit dem Fazit: Auch „Attributierungsstudien“ können bei Starkregen falsch liegen. 

Alles an Irrtum wird dann allerdings zum Ende hin getoppt, wenn Karsten Schwanke zum Crescendo der Abstrusitäten voranschreitet.  
Bei Min. 14:45 bekommt er es fertig, das Mittel der Maximaltemperaturen in Deutschland, wie es Modelle in recht groben Gitterboxen angeben, einem einzelnen Stationswert aus 2018 gegenüberzustellen und meint, von da aus extrapolieren zu müssen mit ausholender, alarmierender Geste und zu folgern: In 2100 bekommen wir über 45°C Maximaltemperaturen.   
Das ist allerdings die totale Fehlleistung.  

Quelle: Screenshot ARD Mediathek 

Das soll es gewesen sein zu seinem Video. 

„Er hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht“ stünde in einem Zeugnis dafür. Der gute Rat an ihn: Publiziere nicht in einem öffentlichen Medium zu Themen, von denen Du zu wenig weißt, Klimawissenschaft ist offensichtlich zu komplex für Dich!  
Bleibe bei dem, was Du gelernt hast: Meteorologie. Sonst geht so etwas immer wieder gründlich schief, wie auch Dein über 16 Minuten lange Silvesterschwank in der ARD. Vermutlich 15 zu lang für einen guten!   

Damit die besten Wünsche für ein guten Rutsch und ein tolles 2025!  

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