Ein ganz heißer Wahlkampftipp von Christian Stöcker 

Von Frank Bosse

Wir berichteten unlängst darüber, dass die Sorge um das Klima bei weitem nicht mehr ganz vorne im Interesse der Einwohner von Deutschland liegt. Dort besprachen wir eine Studie der EIB, in der von 40% aller geschrieben wurde, die das Klima priorisieren. Eine andere sieht sogar nur 21% Klima als Top Thema, weit abgeschlagen hinter „Einwanderung“, „Inflation“, „Armut und soziale Ungleichheit“ und „Kriminalität und Gewalt“.  

Nun also ein Spiegel-Artikel (hinter der Bezahlscharanke) vom studierten Psychologen und späteren „Universalgelehrten“ Christian Stöcker, dem einzigen in Deutschland neben Harald Lesch, in dem er darüber schimpft, dass dies Parteien auch so berücksichtigen: 

„Im heraufziehenden deutschen Wahlkampf agieren die meisten Parteien so, als sei die Klimakrise ein Randthema.“ 

Er sieht (mal wieder) die Katastrophe heraufziehen: 

„Alles, was wir tun könnten, um uns selbst vor der Katastrophe zu schützen und das Energiesystem der Welt schneller in die richtige Richtung zu drehen, gilt weiten Teilen der politischen Landschaft hierzulande als »grün« und deshalb grundsätzlich abzulehnen. Das ist selbstmörderisch.“ 

 Sie sei diesmal wieder eine durch „stark reduzierte AMOC“ (für “Atlantic Meridional Overturning Circulation”), die schon sehr bald eintreten könne: 

„Wir reden von einem Zeitraum von wenigen Jahrzehnten, wenn es schlecht läuft.“ 

Woher nimmt er die düstere Ahnung in seinem Artikel?  

Zunächst gibt es da einen „Lichtblick“, er unterscheidet nämlich tatsächlich ein wenig den „Golfstrom“ von der „AMOC“: 

 „Hierzulande wird das, was sie für uns tut, oft mit dem nicht ganz akkuraten Begriff »Golfstrom« benannt: Die AMOC bringt auf einem Umweg über die Ostküste des amerikanischen Kontinents warmes Wasser aus Gebieten südlich des Äquators nach Nordeuropa. Im Nordatlantik kühlt sich das Wasser dann ab, sinkt in die Tiefe und strömt dort zurück nach Süden.“ 

Das ist tatsächlich schon annährend zutreffend, er wurde offensichtlich beraten, sehr wahrscheinlich durch Prof. Stefan Rahmstorf, der auch später im Spiegel-Artikel zitiert wird. Ganz zutreffend wäre es, wenn er den gewaltigen Unterschied zwischen beiden Meeresströmungen herausgearbeitet hätte, nämlich den völlig unterschiedlichen Antrieb der beiden Systeme, die dazu führend, dass der Golfstrom nicht versiegen kann. Wir berichteten zeitnah darüber und auch, dass Panik eher unangebracht ist.  

Unmittelbarer Anlass für Stöckers Artikel war eine weitere aktuelle Studie, die alarmierende Zeilen enthält. 

… that this circulation could be 33% weaker than its anthropogenically unperturbed state under 2 °C of global warming, which could be reached over the coming decade.“ 

Sie steht hinter einer Bezahlschranke bei “Nature Geoscience”, im Spiegel-Artikel ist jedoch ein Link zu der Vollversion enthalten als „epdf“. Ihn erhalten meist Autoren zur Weiterverteilung nur unter Wissenschaftskollegen wie Rahmstorf einer ist, wohl aber nicht Stöcker als Medienvertreter.    

Es ist eine Modellarbeit mit einem „Erdsystemmodell“, in dem die Bedingung für ein Erlahmen der AMOC vorgegeben wird: Eine Versüßung ihrer nördlichen Absinkzone östlich von Grönland insbesondere durch Schmelzwasser von Grönland her, aber auch andere Süßwassereinträge da. 
Wie in unserem Beitrag erläutert, könnte das tatsächlich das schlimme Ergebnis haben. Nur wie sieht es damit in der realen Welt aus? In Abb.1 der Studie ist es für den Modellansatz aufgezeigt, es sind die Trends des Salzgehaltes im Gebiet des Atlantiks. Sie seien nun verglichen mit den beobachteten Trends:  

Die Trends des Salzgehaltes 1980-2022 wie sie beobachtet werden (links), Quelle: “Climate Explorer”. Rechts das Modell („ESM”) mit der Unterschrift: „Mean salinity trends in the the top 300 m in the ESM-fw ensemble“ 

Erkennt der geneigte Leser Ähnlichkeiten? Den starken Abfall im östlichen Nordatlantik hat das Modell exklusiv, auch die Erhöhung im Südatlantik über die gesamte Breite des Ozeans ist in den realen Beobachtungen nicht zu erkennen. Genau dieser “Dipol” (Großflächig fallender Salzgehalt im Nordatlantik gegenüber großflächig steigendem im Südatlantik) wäre jedoch ein „Fingerprint“ einer sich stärker abschwächenden AMOC.  

Kommissar „Klima-Columbo“ müsste nun melden: „Der Fingerabdruck des Verdächtigen ist am realen Tatort nicht zu finden, die Ermittlungen sind vorläufig einzustellen.“ 

Leider unternahm Stöcker den Realitäts-Check der Modellarbeit nicht.  

Modelle haben es bekanntermaßen sehr, sehr schwer mit Ozeanströmungen. An einem anderen Beispiel wurde das erst unlängst (Oktober 2024) wieder aufgezeigt. Es geht da um den tropischen Pazifik und den Wechsel von El Nino und La Nina. Der ist seit den 80er Jahren bei weitem nicht symmetrisch, vielmehr überwiegen La Nina – Phasen, man spricht von einem „La Nina like Main State“. Ihn replizieren Modelle nicht und die Frage einer hochinteressanten Arbeit war u. a.:  
Ist das eine vorübergehende Abweichung oder sind die gegenwärtigen Modelle nicht in der Lage, so etwas Fundamentales für das gesamte Klimasystem abzubilden? Ein Systemfehler? Der „Main State“ beeinflusst nämlich recht bedeutend eine Schlüsselgröße für die weitere Entwicklung:  
Die Empfindlichkeit („Sensitivity“) des gesamten irdischen Klimas gegenüber einer CO2-Erhöhung, wie sie beobachtet wird. Bei „La Nina like“, wie gegenwärtig beobachtet, fällt sie deutlich.  

Zur Klärung dieser Frage schauten sich die Autoren die Verteilung von El Nino und La Nina in der letzten Eiszeit an. Eine sehr ausgeklügelte Auswertung historischer Proben als Stellvertreter („Proxy“) für Meerestemperaturen an der Oberfläche und in einiger Tiefe lieferte das Ergebnis: 
Damals herrschte ein „El Nino-like Main State“. Klimamodelle zeigten auch das nicht.  
Die Autoren folgerten u. a.: 

 „Our study indicates that state-of-the-art climate models are unable to produce the LGM tropical Pacific surface cooling pattern observed in proxy data.” 

Rückschluss unseres Kommissars “Klima-Columbo”: „Die Zeugenaussagen zur AMOC (auch eine bedeutende Ozeanströmung) sind ebenso unzuverlässig, weil mit einem Modell gewonnen“ 

Das alles wusste Stöcker beim Schreiben des bewussten „Klimaartikels“ wohl nicht.  
Stattdessen erteilt er „kluge Ratschläge“ und bezichtigte gar Politiker der „Verantwortungslosigkeit“, wenn sie die angeblichen Klima-Indizien nicht ernst nehmen:  

 „Das Ausmaß der Verantwortungslosigkeit, mit der deutsche Spitzenpolitiker und ihre Berater unterwegs sind, ist atemberaubend und inakzeptabel.“ 

Hier spielt ihm die Wirklichkeit jedoch übel mit. Seine Wünsche (und die anderer) für Klima als beherrschende Sorge und die Realität wollen nicht harmonieren!  

Könnte das Nachlassen des öffentlichen Interesses am Klimathema nicht viel mehr eine Folge der medialen “Dauerberieselung” mit “bevorstehende Katstrophen” sein? Sehr wahrscheinlich hat er so auch mit diesem Artikel dazu beigetragen, dass die “Klimaangst” weiter zurück geht. Hat doch auch was.          

Teilen: