Haltungsjournalismus

Ein erstaunlich kritisches Interview bei n-tv. Der TV-Sender hat ja selbst eine Rubrik Klimalabor und insofern dürften den Fragestellern vielleicht auch etwas die Ohren geklingelt haben, als sie die Antworten von Professor Stephan Russ-Mohl hörten. Er forscht schon lange zu Journalismus. Seiner Meinung nach ergreifen zu viele „zu viele ‚Haltungsjournalisten‘ Partei für Klimaschutz“.

“Aber wie macht man das denn? Der Klimawandel wird ärgerlicherweise gerne als „grünes“ Thema abgetan. Dabei ist es ein Wissenschaftsthema, in dem sich eine sehr große Mehrheit der Wissenschaft einig ist.

Das Kernproblem ist, dass die Wissenschaftskommunikation nicht richtig funktioniert. Anstrengungen gibt es viele. Alle Universitäten haben heute gut ausgestattete Pressestellen und bombardieren Redaktionen tagtäglich mit irgendwelchen Medienmitteilungen. In den Redaktionen selbst fehlt es aber an Wissenschaftsjournalisten, die diese Meldungen aufnehmen und halbwegs sachkompetent weiterverarbeiten. Und falls das wie in Ihrem Fall doch passiert, erreichen Sie vermutlich nicht das breite Publikum, sondern Hörerinnen und Hörer, die ein Stück weit in der Blase sitzen. Die Herausforderung besteht darin, die Leute außerhalb dieser Blase zu erreichen, die Verbrenner fahren, Fleisch essen und nicht daran denken, ihre Heizung auszuwechseln.

Und wie bringt man diese Blase zum Platzen? Sobald Begriffe wie Klima, CO2-Emissionen oder das 1,5-Grad-Ziel in der Überschrift stehen, schalten die Leute erfahrungsgemäß um oder ab.

Das sollte uns nicht allzu sehr verwundern, denn wir haben in der Öffentlichkeit so etwas wie eine Aufmerksamkeitskonjunktur. Ich kann mich daran erinnern, dass Wissenschaftler in meinem Fach anfangs diskutiert haben, warum es vollkommen unmöglich sein wird, das Klimaproblem zu einem journalistischen und politischen Thema zu machen: Es ist zu diffus und zu komplex und man muss die USA und China an einen Tisch holen, sonst kann man es nicht lösen. Alles andere ist Show der Grünen ohne Effekt. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns eher wundern, wie stark es gelungen ist, das Klimathema in die Öffentlichkeit zu bringen.”

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Der Verband der Versicherer hat seine Schadensbilanz für Unwetterschäden in 2023 veröffentlicht. Insgesamt erhöhten sich die Schäden durch Naturgefahren in 2023 um 1,7 Mrd. Euro auf insgesamt 5,7 Mrd. Euro.

“Sturm, Hagel und weitere Naturgefahren haben im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viele Schäden verursacht. „Die Kosten belaufen sich auf 5,7 Milliarden Euro. Das sind 1,7 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2022. Grund dafür sind vor allem schwere und teure Hagelschäden an Kraftfahrzeugen, die mit 2 Milliarden Euro zu Buche schlugen“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Ursache für die hohen Kosten sind die immens gestiegenen Ersatzteilpreise und die hohen Werkstattlöhne. Der Schadendurchschnitt für Sturm- und Hagelschäden in der Kraftfahrtversicherung kletterte auf 4.100 Euro, der dritthöchste Wert nach 1984 (4.700 Euro) und 2021 (4.300 Euro). Auf die Sachversicherung entfielen insgesamt 3,7 Milliarden Euro, davon 2,7 Milliarden Euro verursacht durch Sturm und Hagel und eine Milliarde Euro durch weitere Naturgefahren, wie etwa Überschwemmungen infolge von Starkregen. Insgesamt fällt die Naturgefahrenbilanz für 2023 um 800 Millionen Euro höher aus, als noch Ende 2023 angenommen.”

Die Medien berichten sehr unterschiedlich darüber. Die Süddeutsche  Zeitung nimmt Hamburg als Beispiel, wo es weniger Schäden gab.

“Die Summe der Unwetterschäden in Hamburg ist nach Angaben der Versicherungswirtschaft im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Wetterextreme wie Sturm, Hagel, Starkregen und Hochwasser sorgten 2023 für Schäden in Höhe von insgesamt 29 Millionen Euro nach 125 Millionen Euro im Jahr davor.”

Der Stern hat das Bundesland Hessen, dort gab es mehr Schäden.

In Hessen hat es im vergangenen Jahr deutlich mehr Schäden durch Sturm, Hagel, Hochwasser und Starkregen gegeben. Die Schadensumme für Unwetterschäden habe sich 2023 mit insgesamt rund 900 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr (2022: 130 Millionen Euro) fast versiebenfacht, teilte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Montag in Berlin mit.

Auch in Bayern gab es mehr Schäden, wie die Frankenpost berichtet. In den genannten Presseartikeln wird darauf hingewiesen, dass viele Immobilien zwar gegen bestimmte Naturgefahren versichert sind, Elementarschäden aber nur zum Teil. Versicherungen sind und bleiben halt auch ein Geschäft mit der Angst.

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Hinkley Point C wird gern als Beispiel genommen für die ausufernden Kosten der Kernenergie. Spectator.co.uk liefert einen interessanten Hintergrundbericht, warum die Kosten beim Bau aus dem Ruder gelaufen sind.

“EDF were forced to prove that their reactor design, already approved elsewhere, could meet the UK’s goals on safety. The UK’s Office for Nuclear Regulation, it turns out, often takes a different view to its French counterpart on whether a design is up to standard. In total, meeting the requirements of the Office for Nuclear Regulation led to a staggering 7,000 design modifications. The result is Hinkley Point C will use 25 per cent more concrete and 35 per cent more steel than it would otherwise. Hinkley Point C is so different from its counterparts in Flamanville and Olkiluoto that it shouldn’t be thought of as just another EPR-1750, but rather the first ‘UK EPR’. A brand new design. The consequence of that is many of the lessons EDF have learned the hard way on Flamanville 3 can’t always be applied to Hinkley Point C. We get to make entirely new mistakes of our own.”

Kurz gesagt, wären Reaktoren, die in Standardbauweise entstehen, deutlich günstiger als Wunschlösungen wie im Falle Hinkley Point C. In einem Diagramm sieht man die Unterschiede bei den Kosten sehr eindrücklich.

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Universität Utrecht:

A large percentage of European plastic sent to Vietnam ends up in nature

Despite strict EU regulations on plastic recycling, there is little oversight on plastic waste shipped from the EU to Vietnam. A large percentage of the exported European plastic cannot be recycled and gets dumped in nature. That is what new research led by Utrecht University’s Kaustubh Thapa has found.

Following the recycling path

About half of Europe’s plastic waste is exported to several countries in the Global South, including Vietnam. An Utrecht University research team ventured to Minh Khai Craft Village, the largest recycling hub in Vietnam, to follow the recycling path of European plastic.

Shifting responsibilities

“We observed people cooking, eating and living within the recycling facility, surrounded by the noxious fumes of melting plastic. Children play in this suffocating environment,” Kaustubh Thapa, lead researcher, recounts. According to the research, seven million litres of toxic wastewater is dumped into the waterways of the village daily. “Although such waste trade is profitable for some, shifting producer responsibility of waste management to villages like these causes harm to people, communities and the environment.”

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University of California – Berkeley:

Study finds global carbon markets overcredit cookstove greenhouse gas reductions by a factor of 10

The fastest growing type of offset on the global carbon market subsidizes the distribution of efficient cookstoves in developing countries to reduce greenhouse gas emissions, but a new study finds that the credits overestimate the stoves‘ carbon savings by a factor of 10.

The overestimation undermines efforts to counteract carbon emissions to slow climate change, since companies use these offsets to meet climate targets and to sell products labeled as „carbon neutral“ instead of making real reductions in greenhouse gas emissions. It also undermines trust in the carbon market, and therefore the market’s ability to support the long-term financing of efficient stoves.

The conclusions come from the first comprehensive, quantitative quality assessment of any type of offset project, in which researchers from the University of California, Berkeley, compared five methodologies for evaluating the emission reductions of cookstoves to published studies and their own independent analysis. The study is published in the journal Nature Sustainability.

„Clean cooking now figures very centrally on national decarbonization and sustainable development goal strategies, global funding cycles and the political agenda of national leaders,“ said Daniel Kammen, the James and Katherine Lau Distinguished Professor of Sustainability at UC Berkeley. „Integrating the science, human rights and economics of clean cooking is now critically linked to both social justice and climate strategies around the planet.“

This study, which was shared in preprint form last year, has received substantial attention from the cooking-health, carbon market, sustainable development and national climate action communities, he noted.

„Cookstove offset methodologies are currently being revised and if our recommendations are adopted could become a rare project type that offset buyers can trust,“ said Barbara Haya, an expert on offset quality and director of the Berkeley Carbon Trading Project in UC Berkeley’s Goldman School of Public Policy.

Cookstove offsets have become popular because roughly 2.4 billion people around the world cook with smoky solid fuels or kerosene, contributing to 2 to 3 million premature deaths annually and approximately 2% of global greenhouse gas (GHG) emissions. Providing efficient cookstoves now represents the fastest growing project type on the voluntary carbon market, with the second largest share of issued credits in the first ten months of 2023.

Estimated correctly, carbon offsets have the potential to support the free or subsidized distribution of efficient stoves that reduce time spent collecting firewood or the cost of purchasing fuel, said first author Annelise Gill-Wiehl, a UC Berkeley Ph.D. candidate in the Energy and Resources Group who has conducted extensive household energy fieldwork in East Africa. Furthermore, certain stoves can reduce smoke enough to save lives.

The UC Berkeley study not only documents the extent of the quality issues on the offset market, but also offers specific recommendations to align cookstove methodologies with current science and Sustainable Development Goal progress. A companion website provides guidance for buyers and developers on how to trade in quality credits that can substantially improve health.

The researchers specifically advise buyers to prioritize projects that distribute stoves that meet the World Health Organization’s health standards. The majority of stoves on the market do not, they found. The rigorous method the team developed for assessing offset quality could be used by offset program developers, program regulators and credit assessors to comprehensively assess offset quality and prevent over-crediting from all project types.

„Our results support a paradigm shift away from the majority of today’s improved stoves, which do not reduce smoke enough to see health benefits, towards clean fuels and stoves that can substantially support health and climate benefits with their transparent monitoring and low emission profiles,“ Gill-Wiehl said. „We find that low-quality carbon produces low-quality solutions.“

The study’s key findings include:

  • Based on the project’s sample, which covered 40% of cookstove credits, cookstoves were overcredited 9.2 times. Extrapolating to all cookstove offset credits from the five methodologies studied, the group found overcrediting by approximately 10.6 times.
  • Overcrediting is mostly from exaggerated estimates of stove adoption and use, underestimates of the continued use of the original stove and high estimates of the impact of fuel collection on forest biomass.
  • Gold Standard’s Metered methodology, which directly monitors fuel use and credits the cleanest stoves, is most aligned with the study’s estimates—it is only overvalued by a factor of 1.5—and has the largest potential for emissions abatement and for health benefit.
  • The assessment methods developed and demonstrated in this study can be used to comprehensively assess offset quality across all project types on the offset market.

Paper: Pervasive over-crediting from cookstove offset methodologies, Nature Sustainability (2024). DOI: 10.1038/s41893-023-01259-6 , https://www.nature.com/articles/s41893-023-01259-6

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