Heizung defekt? Rufen Sie Ihren Malermeister an! Das könnte in etwa die Denke des Deutschlandfunks gewesen sein. Natürlich ist Maler ein ehrenvoller Handwerksberuf aber die Spezialität eines Malers ist nicht die Reparatur einer defekten Waschmaschine, selbst, wenn der Maler in etwa wüsste, wie die funktioniert. Zum Thema Atomausstieg befragte der Deutschlandfunk konsequent keinen Experten für Kernenergie, sondern einen für Solarenergie. Bruno Burger vom Fraunhofer ISE. Eigentlich wäre es journalistische Pflicht auch immer eine Gegenmeinung einzuholen bzw. einen wirklichen Experten zu befragen. Das hat sich der Deutschlandfunk aber geschenkt. Der Maler ist schließlich auch Handwerker, der wird schon wissen, was an der Waschmaschine nicht stimmt. Warum wundert man sich bei den Öffentlich-Rechtlichen eigentlich über die Kritik? Solche Vorkommnisse sind ein gefundenes Fressen für die Kritiker.
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Ulrich Waas hat einen langen Meinungsartikel in der Berliner Zeitung zum Thema Ausstieg aus der Kernenergie. Er wäre ein guter Counterpart zu Bruno Burger gewesen, denn er verfügt über Fachwissen. Wäre… Mit Habeck und dem Ministerium geht Waaas hart ins Gericht.
“Mit Kohle wurden 2023 rund 118 Milliarden Kilowattstunden (kWh) produziert. Mit dem Weiterbetrieb der sechs AKW hätten davon mehr als 50 Milliarden kWh von den AKW übernommen werden können, entsprechend einer Verringerung der CO₂-Emissionen um mehr als 50 Millionen Tonnen. (Nur um ein Gefühl für die Menge zu vermitteln: Diese CO₂-Einsparung wäre gut das Zehnfache der Wirkung eines Tempolimits von 120 km/h gewesen.)
Die sechs AKW hätten in dem Zeitraum Strom zu Kosten von 2 bis 3 Cent/kWh produzieren können. Ähnlich niedrige Produktionskosten gab es nur bei Wasserkraftwerken, die aber ohnehin voll genutzt wurden. Alle anderen Stromerzeuger hatten höhere Produktionskosten, Braunkohleetwas teurer, Gas 2023 am teuersten (etwa Faktor 10). Somit ist klar, dass der Weiterbetrieb der AKW die Kosten der Stromerzeugung um Milliarden Euro verringert hätte.”
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Es kommen immer mehr interessante Details ans Licht bei den AKW-Files. Der Focus berichtet, dass es einem Mitarbeiter untersagt wurde, weiter in Sachen Nachschub von Brennelementen zu investigieren. Derjenige hatte die gute Idee in Frankreich nachzufragen, das war aber nicht gewünscht.
“”Denkbar ist natürlich auch, dass man mal bei den Franzosen nachfragt“, schlug der Experte vor. „Die sollten für ihre 58 Reaktoren doch für deren laufenden Betrieb auch eine gewisse Reserve an fertigen Brennelementen vorhalten.“ Diese müssten also nicht erst gefertigt werden, „vielleicht könnten wir die auch in den deutschen AKW einsetzen, und zwar kurzfristig, noch rechtzeitig vor dem kommenden Winter 22/23.“
Für eine Verfügbarkeit könnte auch sprechen, „dass derzeit ja mehrere französische Reaktoren außerplanmäßig in längerem Stillstand für Revisionen sind“, so der Mitarbeiter.
Er habe über diese Idee „bisher noch nicht mit anderen gesprochen“. Allerdings werde diese Frage „sicher hochkommen“, deshalb sollte sich das Wirtschaftsministerium „besser vorsorglich damit befassen“. Abschließend nannte der Experte geeignete Ansprechpartner wie die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit sowie Brennstoff-Hersteller.
Ein weiterer Nachklapp zu dem Theater um die Daten zum Ausstieg aus der Kernenergie. Das Wirtschaftsministerium sucht die Flucht nach vorne und will nun alle Daten an die gesamte Presse geben. Handelsblatt:
“Habeck sagte in der ZDF-Sendung, das Informationsfreiheitsgesetz sei in diesem Punkt für sein Haus nicht eindeutig gewesen. Das Gericht habe das klargestellt, „und dann bekommen alle die Akten“.
Der Wirtschaftsminister wies den Vorwurf zurück, er hätte die Entscheidung zum Atomausstieg anders getroffen, wenn er einen Aktenvermerk eines Referenten gelesen hätte, in dem dieser darüber reflektiert habe, Gas könne bei einem längeren Betrieb von Atomkraftwerken eingespart werden. Zwar habe er diesen Vermerk in der Tat nicht gesehen, aber genau diese Frage sei „rauf und runter“ mit allen im Ministerium und auch mit den Betreibern der Atomkraftwerke diskutiert worden. Deswegen sei der Vorwurf nicht richtig. Das könne man alles nachlesen in Briefen der Atomkraftwerksbetreiber an ihn und sein Ministerium von März 2022, in denen alle sagten, die Atomkraftwerke und die Brennelemente seien nicht mehr leistungsfähig am Ende des Jahres.”
Warum fragt sich der interessierte Beobachter lässt sich ein Ministerium lieber verklagen, statt ein Rechts-Gutachten in Auftrag zu geben? Das wäre doch viel einfacher gewesen.
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How long is a piece of string? Eine englische Redensart. Es meint, etwas kann so groß sein, wie man will oder meint. Die Kosten der Energiewende sind ein schönes Beispiel dafür. Der Tagesspiegel rechnet mit 721 Mrd. Euro.
“Den mit 49 Prozent größten Anteil an den errechneten Gesamtinvestitionen habe der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung allein mit 353 Milliarden Euro. Dahinter folgen der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze mit 281 Milliarden Euro. Deutlich geringere Summen werden für Investitionen ins Fernwärme-Netz (32 Milliarden Euro), in Erzeugungskapazitäten für grüne Gase, für Speicher und für das Wasserstoff-Kernnetzveranschlagt.”
Die FAZ geht von 1,2 Billionen Euro aus. In einem Bezahlartikel werden die Zahlen erklärt.
“Die Energiewende wird sehr teuer. Sie kommt voran, aber noch stehen nicht genügend Investoren parat, um den Megaumbau zu finanzieren. Das ist das Ergebnis des „Fortschrittsmonitors Energiewende 2024“, den das Beratungsunternehmen EY gemeinsam mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW erstellt hat. Die 76 Seiten starke Analyse, die der F.A.Z. exklusiv vorliegt, beziffert die Kosten zwischen 2023 und 2035 auf sage und schreibe 1214 Milliarden Euro, also mehr als 1,2 Billionen.”
Übrigens, die Antwort auf die Frage eingangs lautet: As long as you want.