Die Spätantike Kleine Eiszeit

Fast jeder kennt die mittelalterliche Kleine Eiszeit. Die aus der Spätantike ist dagegen weitestgehend unbekannt.

Der Geschichts-Podcast „Geschichten aus der Geschichte“ behandelt diese Periode, die zum Teil dramatische Auswirkungen auf das Weltgeschehen hatte. Die Folge ist sehr hörenswert. 
Ganz besonders das Oströmische Reich litt unter den Wetterbedingungen und wenn man so will, war die Eiszeit der Anfang vom Ende des Reichs.
Es verlor wichtige Gebiete wie z. B. Ägypten oder den Nahen Osten. 

Die Spätantike Kleine Eiszeit war eine längere Phase ungewöhnlich kalten und instabilen Klimas, die ungefähr von 536 bis 660 nach Christus dauerte. Sie ereignete sich am Ende der Antike und zu Beginn des Frühmittelalters. In dieser Zeit veränderte sich nicht nur das Klima, sondern auch das Leben vieler Menschen in Europa, im Nahen Osten und Teilen Asiens. Heute weiß man, dass diese Klimaveränderung große Auswirkungen auf Landwirtschaft, Bevölkerung, Krankheiten und Politik hatte.

Der wichtigste Auslöser der Spätantiken Kleinen Eiszeit waren mehrere sehr starke Vulkanausbrüche. Besonders bedeutend waren Ausbrüche in den Jahren 536, 540 und 547 n. Chr. Bei solchen Ausbrüchen gelangen große Mengen Asche und Schwefelgase in die obere Atmosphäre. Dort bilden sie feine Partikel, sogenannte Aerosole, die das Sonnenlicht teilweise zurückwerfen.

Dadurch erreichte weniger Sonnenlicht die Erdoberfläche. Die Folge war eine deutliche Abkühlung der Temperaturen, vor allem auf der Nordhalbkugel. Forscher gehen davon aus, dass die Durchschnittstemperaturen in manchen Regionen um bis zu 2 Grad Celsius sanken. Für heutige Maßstäbe klingt das wenig, doch für vormoderne Gesellschaften hatte dies gravierende Folgen.

Zeitgenössische Autoren beschrieben diese Jahre als sehr ungewöhnlich. Sie berichteten von dunklen, trüben Sommern, kalten Wintern und schlechten Ernten. Der Historiker Prokopios schrieb, die Sonne habe ein ganzes Jahr lang kaum geschienen. Diese Berichte galten lange als übertrieben, werden heute aber durch naturwissenschaftliche Daten bestätigt.

Die Abkühlung wurde durch natürliche Prozesse weiter verstärkt. Schnee und Eis blieben länger liegen und reflektierten zusätzlich Sonnenlicht. Außerdem veränderten sich Wind- und Meeresströmungen, was das Klima noch unbeständiger machte. Statt gleichmäßig kalter Jahre kam es zu starken Schwankungen: sehr kalte Sommer wechselten sich mit etwas milderen Phasen ab.

Die Spätantike Kleine Eiszeit war keine kurze Katastrophe, sondern eine langanhaltende Klimaänderung. Baumringuntersuchungen zeigen, dass Bäume in dieser Zeit extrem langsam wuchsen – ein Zeichen für Kälte und ungünstige Wachstumsbedingungen. Besonders betroffen waren Regionen in Europa und Zentralasien, doch auch der Mittelmeerraum spürte die Folgen.

Die größten Auswirkungen hatte das Klima auf die Landwirtschaft. Durch kürzere Sommer, häufige Fröste und starke Regenfälle kam es immer wieder zu Ernteausfällen. Viele Menschen lebten damals direkt von dem, was sie anbauten. Fielen die Ernten aus, drohten Hungersnöte.

Vor allem Städte litten stark, da sie auf regelmäßige Getreidelieferungen angewiesen waren. Wenn Transportwege unterbrochen wurden oder es insgesamt zu wenig Nahrungsmittel gab, stiegen die Preise stark an. Arme Menschen konnten sich Lebensmittel oft nicht mehr leisten.

In diese Zeit fällt auch der Ausbruch der Justinianischen Pest ab dem Jahr 541 n. Chr.. Diese Seuche breitete sich schnell über große Teile des Mittelmeerraums aus und forderte Millionen Todesopfer. Geschwächte Menschen, die unter Hunger litten, waren besonders anfällig für Krankheiten.

Zudem könnten die klimatischen Veränderungen die Lebensräume von Ratten und anderen Tieren beeinflusst haben, die als Überträger der Pest dienten. Ratten näherten sich immer mehr den Siedlungen der Menschenn an, weil ihre angestammten Lebensräume weniger Nahrung boten und so konnte sich die Pest unter den Menschen gut verbreiten. 
Klima, Hunger und Krankheit verstärkten sich also gegenseitig. 

Auch die Politik blieb nicht unbeeinflusst. Das Byzantinisches Reich befand sich unter Kaiser Justinian I. eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Doch die Kombination aus Klimakrise, Pest und hohen Kriegskosten schwächte das Reich erheblich.

Andere Regionen erlebten ebenfalls Umbrüche. Historiker vermuten, dass die schlechten Lebensbedingungen Wanderbewegungen verstärkten, da Menschen nach besseren Böden und milderem Klima suchten. So könnte das Klima indirekt politische Veränderungen beschleunigt haben.

Die Spätantike Kleine Eiszeit war nicht der alleinige Grund für das Ende der Antike, aber sie war ein wichtiger verstärkender Faktor. Sie traf Gesellschaften, die ohnehin unter politischem Druck standen, und machte bestehende Probleme schlimmer. Viele antike Strukturen zerfielen, während sich neue Formen von Gesellschaft und Wirtschaft entwickelten.

Heute betrachten Forscher diese Zeit als Beispiel dafür, wie stark Natur und Mensch miteinander verbunden sind. Klimaveränderungen beeinflussen Gesellschaften, aber sie bestimmen nicht automatisch deren Schicksal.

Erforscht wird die Spätantike Kleine Eiszeit vor allem durch die Kombination von Geschichtswissenschaft und Naturwissenschaften. Wichtige Beiträge stammen von Forscher wie Ulf Büntgen und Michael Sigl, die historische Texte mit Baumringen und Eisbohrkernen verglichen haben. Zentrale Ergebnisse wurden unter anderem in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

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Reaktion von Jürgen Speer zur Leserpost zum Baumsterben im Harz:

Liebes Team,

als gelernter Land- und Forstwirt kann ich der Leserpost nicht ganz zustimmen. Es ist aus Sicht der Borkenkäferbekämpfung bzw. dessen Vorbeuge auch im Sommer sehr wichtig, befallene Fichten schnellst möglich zu fällen und abzutransportieren. Der Borkenkäfer nistest sich dann vorwiegend in die gefällten und nicht in noch gesunde Fichten ein und wird anschließend abtransportiert, bevor die nächste Generation ausfliegt. Holzfällung im Sommer dient somit dem Schutz des Waldes und zerstört ihn nicht. Wichtig ist ein schnelles Fällen der Fichten um die Ausbreitung zu verhindern, hier sind selbst die schlagkräftigen Maschinen oft nicht schnell genug. Der Borkenkäfer kann bis zu 3 km, nicht 20km, fliegen, nur in durch Wind sehr günstigen Bedingungen kann er weitere Strecken zurücklegen wobei die Populationsdichte sehr stark schrumpft und meist keine gefährliche Dichte mehr entsteht.

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Leserpost von Dr.-Ing. Bernd Fleischmann:

Hallo KlimaNachrichten-Team,

danke für den interessanten Bericht zum Meersspiegel in Tuvalu. Zwei Korrekturen zum ARD-Podcast wären angebracht gewesen:

ARD-Podcast: „Von 101 untersuchten Inseln Tuvalus sind 74 stabil geblieben oder gewachsen (teils um bis zu 3 % ihrer Fläche), trotz eines Meeresspiegelanstiegs von etwa 15 cm in den letzten Jahrzehnten.“

Das enthält zwei Fehler. Der erste Fehler ist offensichtlich, wenn man die Studie von Kench et al. liest, dort steht nämlich bereits im Abstract: „Results highlight a net increase in land area in Tuvalu of 73.5 ha (2.9%)“

Also nicht „teils um bis zu 3 %“, sondern in Summe um 2,9 %.

Der zweite Fehler ist schwerer zu finden, denn der ist bereits Kench et al. unterlaufen. Er hat nämlich bei seiner Analyse des Meeresspiegels nicht berücksichtigt, dass El Ninos wegen der Windumkehr zu starken Meeresspiegelabsenkungen im westlichen äquatorialen Pazifik führen, und dass vor dem starken El Nino 1983 (Absenkung um einen halben Meter = 500 mm) die Pegelmessung von Funafuti 5 Unterbrechungen in 4 Jahren hatte, also von zweifelhafter Qualität war. Die Autoren zeigen die Unterbrechungen auch in ihrer Grafik (Figure 3 in der Supplementary Note https://pacificdata.org/data/dataset/patterns-of-island-change-and-persistence-offer-alternate-adapt737e7a41-89d9-424b-85dc-112e52b8bcca):

Beginnt man mit dem Jahr 1984, ab dem die Datenqualität besser ist, ist der Anstieg nur etwa halb so hoch, in etwa die 2 mm, die seit 150 Jahren an fast allen Küsten zu finden sind, wo die Städte nicht ins weiche Flusssediment sinken (wie Djakarta), nicht von postglazialer Landhebung oder Plattentektonik betroffen sind. 

Zu Tuvalu erinnerte Manfred Knake auch an eine Spiegel-Geschichte von 2001:

EINE MELDUNG UND IHRE GESCHICHTE
Die Südsee-Ente Wie der Pazifikstaat Tuvalu unterging – beinahe
Von Uwe Buse 21.12.2001, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 52/2001

Es ist Freitag, als Stefan Schmidt, Honorarkonsul der Republik Tuvalu, die Tür seines Büros schließt, die Treppe hinunter geht, sich in seinen Wagen setzt und ihn auf die Autobahn Richtung Hamburg lenkt. Vor ihm liegt eine halbstündige Fahrt und ein Abend mit Ringelnatz im Theater. Die Karte für die Vorstellung ist ein Geschenk von Schmidts Schwester. Es verspricht ein heiterer Abend zu werden, ohne Aufregungen. Ein Abend, wie Schmidt ihn liebt .

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