Bildungsversagen bei den Medien oder von Interessen und Ideologie geleitet?
Von Dr.-Ing. Ernst-Jürgen Niemann
Als Ingenieur, der in Forschung und Praxis auch über meteorologische Themen gearbeitet hat und dann 30 Jahre lang im Energiebereich, davon mehr als 10 Jahre lang mit der Planung, Ausschreibung, Vergabe, Bau- und Betriebsüberwachung von großen Windparks beschäftigt war, bin ich über das niedrige Niveau der Berichterstattung erschrocken, auf dem sehr häufig unqualifiziert oder einseitig in den Medien und in der Politik über Klimawandel oder Energiewende berichtet wird. Die Folgen des Klimawandels werden angstmachend übertrieben (z. B. weitere Verbreitung des apokalyptischen RCP 8.5 Scenarios, obwohl von IPCC 2021 und COP 28 als extrem unwahrscheinlich eingestuft) oder sogar unbegründet behauptet. Negative Aspekte der Energiewende werden weggelassen. Es erscheint fast so, als ob der Bürger durch konzertierte Indoktrination bei diesen Themen bei Laune gehalten werden soll. Einige typische Beispiele sind nachfolgend aufgelistet:
„Hurrikane (Cyclones) und Überschwemmungen werden wegen Klimawandel immer häufiger und stärker“: Bei jedem solchem Ereignis entfachen Journalisten, „Experten“, Meteorologen oder Politiker einen angstmachenden Sturm mit solchen Meldungen, für die es allerdings keinerlei Evidenz gibt. Selbst der IPCC („Weltklimarat“), der Klima-Risiken eher hoch einschätzt und auf dessen Vorhersagen die CO2 –Politik gründet, sieht aktuell keinerlei Hinweis bzw. Wahrscheinlichkeit für eine Zunahme von Stürmen und Überschwemmungen (IPCC Sachstandbericht AR6, Table12.12). Das wird fast regelmäßig ignoriert. Auch die Darstellung des Ahrtal-Hochwasser 2021 als Folge des Klimawandels ist so ein Beispiel für solche „Fake News“ (z. B. Sendung „mehr/wert“, BR, 20.11.2025). Dabei ist die Ahrtal-Hochwasserstatistik eher ein Beweis für die Unabhängigkeit solcher Hochwässer vom Klimawandel: In dem zu extremen Hochwässern neigendem Einzugsgebiet der Ahr hat es immer wieder, auf der Basis von Hochwassermarken nachgewiesen, vergleichbare oder größere Hochwasserereignisse gegeben wie z. B. Magdalenflut in 1342, im Jahr 1910 oder die große Flut im Jahr 1804. Letztere lag mit etwa 1100 m³/s ca. 25 % signifikant über dem Ahrtalhochwasser 2021!
„Wind-/Solarpark deckt Strombedarf von xx Haushalten“: Bei Ausbau oder Eröffnung von Wind- oder Solarparks gibt es immer wieder solche oder ähnliche Meldungen, die der Öffentlichkeit suggerieren, dass damit die Stromversorgung von weiteren Haushalten sichergestellt wird. Leider nein! Diese Haushalte würden im Falle eines Windparks selbst bei guten Windbedingungen wie in Norddeutschland mehr als 10 % der Zeit vollkommen im Dunklen sitzen und in mehr als 50 % der Zeit zu wenig Strom erhalten. Im Falle von Solarparks wäre das noch fataler, fehlt doch die Stromverfügbarkeit nachts komplett und ist auch tagsüber im Winter kaum verfügbar.
„Sonne und Strom schicken keine Rechnung“: Wenn Politiker, Klimaaktivisten oder Interessengruppen immer wieder solche Statements über die Medien verbreiten und die konkurrenzlose Preisgünstigkeit behaupten, gleichzeitig aber ihre Forderung nach weiterer staatlicher Förderung vorbringen, dann stimmt etwas nicht. Man müsste dann logischerweise die sofortige Abschaffung der Subventionen realisieren können! Ein typisches Beispiel von irreführendem Marketing mit verkürzter Logik für den Ausbau der Erneuerbaren, der die wahren Kosten verschleiert und die verursachten komplementären Kosten ignoriert.
„Mit dem Zubau von Erneuerbaren wird der Strompreis immer günstiger“: Diese sich immer wiederholenden Statements von interessierter Seite oder der Presse (z. B. FOCUS 25.11.2025) ist formal richtig, wenn man sich nur auf den Marktwert an der Börse bezieht. So fällt z. B. der Marktwert für Solar an der Börse in den maßgeblichen Sommermonaten mit hoher Erzeugungskapazität durch weiteren Zubau ständig (in 2023 ca. 5 ct/kWh, 2024 ca. 4 ct/kWh und 2025 fast nur noch knapp über 3 ct/kWh).
Der volkswirtschaftliche Grenznutzen von weiterem Zubau strebt also aktuell gegen NULL! Verantwortliche Politiker oder Journalisten müssten das doch thematisieren und vor den damit verbundenen Steigerungen der Garantiepreis-Subventionen warnen, die zu immer höherer Belastung des Staatshaushalts (EEG Subvention ca. 20 Mrd. €/Jahr) und der Verbraucher über die Netzentgelte führen! Es ist auch Fakt, dass sich der Haushaltsstrompreis mit dem Zubau von Erneuerbaren wegen der hohen Komplementärkosten stetig erhöht hat.
„Batterien sind preislich so günstig geworden, dass man auf Batteriespeicher anstelle von Gaskraftwerken setzen soll“: Die Kosten für Batteriegroßspeicher sind soweit gesunken, dass sie sich bei einem Ladezyklus pro Tag und einer Preisdifferenz von etwa 10 ct/kWh rechnen. Das im Sommerhalbjahr solarbedingt stattfindende Strombörsen-Jojo mit Preisunterschieden von bis zu etwa 20 ct/kWh im Tagesverlauf bietet dafür eine gute wirtschaftliche Basis (s. u. Beispiel 27. Mai- 6. Juni 2025, SMARD, Großhandelspreis Deutschland/Luxemburg). Entsprechend gibt es derzeit einen regelrechten Goldrausch nach Genehmigungen für solche Großspeicher.

Neben der Einschränkung, dass Batteriespeicher netzdienlich betrieben werden müssen, besteht die Gefahr, dass zu großer Zubau wirtschaftlich problematisch werden kann. Durch hohen Anteil von Batteriegroßspeichern würde der Tagesgang des Stromangebots immer mehr geglättet, was auch zu einer Glättung der Großhandelspreise führen würde. Die Großbatteriespeicher würden dann mangels Preisdifferenzen ihre Wirtschaftlichkeit selbst kannibalisieren. Die bei so großem Zubau dann systemrelevanten Batteriespeicher werden dann subventioniert werden müssen. Da sie keine mehrtägigen Dunkelflauten überbrücken können, ersetzen sie keine regelbaren Kraftwerke, wie z. B. Gaskraftwerke. Also würden dann nicht nur die Kosten für das Vorhalten schnell regelbarer Gaskraftwerke anfallen, sondern zusätzlich auch Kosten für die Subvention von Batteriespeichern, die über den Strompreis oder staatliche Subventionen aufgefangen werden müssen.
„Netzentgelte sind die Kosten für den Ausbau und Unterhaltung des Netzes“: Hinter dieser viel verbreiteten verkürzten Definition der Netzentgelte steckt eine komplexe, intransparente Kostenstruktur. Die Kosten für Ausbau und Instandhaltung des Netzes sind nur ein Teil. Wesentliche Kostenanteile der auf ca. 11 ct/kWh angewachsenen Netzentgelte für Haushalte sind laufende Kosten für notwendige Netzstabilisierungsmaßnahmen bedingt durch den Ausbau von Solar und Wind. Allein gut 4 ct/kWh fallen für Redispatch-Maßnahmen (Kompensation für notwendiges Abschalten bei zu viel Strom im Netz) an, also auf den Anteil der verursachenden, nicht regelbaren Erneuerbaren umgerechnet sind das etwa 6 ct/kWh. Dazu kommen noch Kosten für das Vorhalten von Regelenergie bzw. Reservekraftwerken. Rechnet man die staatlichen Subventionen der Erzeuger durch Preisgarantien (frühere EEG Umlage) dazu, dann ergeben sich weitere ca. 9 ct/kWh Kosten für Solar, Wind und Biogasstrom, die vom Steuerzahler übernommen werden. Unter Berücksichtigung der an der Börse bezahlten Preise dürften die den Erneuerbaren zuzuordnenden System-Erzeugungskosten damit bereits heute bei etwa 20 ct/kWh liegen! Mit dem weiteren Netzausbau (die hohen Amortisierungs- und Unterhaltungskosten für die HGÜ Leitungen werden durch dann geringere Redispatch-Kosten kaum kompensiert werden können) sowie dem Zubau von vorzuhaltender Regelenergie (Gaskraftwerke) werden die Netzentgelte/-kosten noch weiter steigen. Zu einer fundierten Berichterstattung über die Energiewende gehören auch solche kritischen Aspekte.
„Die Stromerzeugung in Deutschland bestand in 2024 zu 60 % aus Erneuerbaren Energien“: Immer wieder werden Erzeugungszahlen als Beweis für den Fortschritt bei der CO2 Einsparung (jüngst in Belem auch durch den Bundesumweltminister) genannt, obwohl hierfür nicht die Erzeugung, sondern der Verbrauch maßgeblich ist. An dem Stromverbrauch in Deutschland 2024 haben die Erneuerbaren nur einen Anteil von 54 % (lt. Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik am Umweltbundesamt). Die Differenz zur Erzeugung ergibt sich aus dem hohen Import von Strom von regelbaren Kraftwerken zu wind- und solarschwachen Zeiten und dem nicht abregelbaren Strom zu wind- und solarreichen Zeiten, der zu Dumpingpreisen oder sogar gegen Zahlung ins Ausland abgegeben werden muss. Der Importüberschuss beträgt per Saldo aktuell etwa 5,7 %.
„China geht voran beim Zubau Erneuerbarer“: Rechtzeitig vor dem UN Klimagipfel in Belem kam eine solche Meldung auf den Markt und wurden hier meist kritiklos über die Medien verbreitet. Die Message: Selbst China macht mehr als wir!. Das ist eine vollkommen irreführende Halbwahrheit! China als Vorbild? China hat inzwischen eine höhere Pro-Kopf CO2 Emission (8,35 t/a) als Deutschland (7,2 t/a). Der Ausbau der Stromversorgung wird dort vollkommen anders als in Deutschland nach wirtschaftlichen und Versorgungsunabhängigkeits-Kriterien betrieben. Bei gegenwärtig 60 % Stromversorgung durch Kohle wird diese in China weiter ausgebaut (allein 94,5 MW neue Kohlekraftwerkskapazität in 2024!!) und bis 2040 wird die Anzahl der Atomkraftwerke um 44 Anlagen verdoppelt! Solche Kraftwerke werden für mindestens 50 Jahre gebaut! Der Lastbedarf wird durch regelbare Kraftwerke gedeckt. Der parallele Zubau von Wind und Solar dient, wie auch ursprünglich in Deutschland, dem „Fuel Saving“. Dass durch dieses ökonomisch basierte Konzept, also Teilauslastung von Kohle- und Atomkraftwerken, wenn Erneuerbare verfügbar sind, auch begrenzt Einsparungen bei den CO2 Emission erreicht werden, ist logisch. Forschung und Erprobung im Wasserstoffsektor dienen in China eher der Vorbereitung auf den Weltmarkt für den Fall, dass im Wasserstoffsektor tatsächlich eine weltweite Nachfrage entsteht. Wer China als Vorbild sieht, der müsste doch konsequenterweise die Vorgehensweise „Kohle + Atom + komplementär Erneuerbare“ auch bei uns befürworten!
Dass Interessengruppen wie Verbände, Parteien, bestimmte NGOs oder sogar einzelne Forschungseinrichtungen, …. solche Halbwahrheiten oder Fehlinformationen aus Eigeninteresse verbreiten, ist nachvollziehbar. Umso wichtiger wäre es, dass die Medien, angefangen bei den ÖR, solche Informationen immer kritisch und kompetent hinterfragen. Dazu sollten dort idealerweise Fachjournalisten mit Physik-Kenntnissen vorhanden sein, um bei Stromversorgungsthemen z.B. zwischen Leistung (Last) und Energie zu unterscheiden und Grundlagen von Netzstabilitäts- und Netzsteuerungs-Anforderungen zu kennen oder bei Klimathemen etwas von Theoretische Meteorologie (Atmosphärenphysik) zu verstehen, um mit der Komplexität ihrer Themen halbwegs umgehen zu können. Qualitätskontrolle in den Medien wie in der Industrie wären angebracht.