Die verschwindenen Inseln (die nicht verschwinden wollen)

Die Logik ist eigentlich einleuchtend, der Meeresspiegel steigt, folglich müssen Inseln, die nur wenig höher liegen als der Meeresspiegel irgendwann überflutet werden.
So jedenfalls die Erzählung. Länder wie die Niederlande oder Bangladesch beweisen allerdings das Gegenteil.
Sei es durch Adaption (Deichbau) oder durch Aufschwemmung von Sedimenten durch Flüsse, die sich langsam ins Meer schieben. 

Wir hatten ja bereits im Januar über eine Dokumentation im ZDF des Journalisten Johannes Hano berichtet.
Er war im Pazifik unterwegs, unter anderem auf Tuvalu.
Die Dokumentation ist noch bis 28.12.2026 in der Mediathek des ZDF zu sehen und wir empfehlen diese ausdrücklich. 

Es geht um den Inselstaat Tuvalu. Er ist ein Synonym dafür, dass die kleinen Inseln in Kürze im Meer versinken. Hano war dann aber doch etwas überrascht, dass streunende Hunde als ein größeres Problem angesehen werden, weil diese die wenigen Flugzeuge, die die Inseln besuchen, zum Abbruch der Landeanflüge zwingen. 
Die Angst der Einheimischen ist das Einstellen der Flüge, weil die Landeabbrüche Geld kosten. 
Hano befragt Inselbewohner, ob sie Angst hätten vor dem Klimawandel, aber niemand der Befragten hat die. 
Ein ehemaliger Pastor dort führt das auf eine Art Gottvertrauen zurück. 
Der Einzige, der sich um das Klima sorgt, ist ein Minister, der auch gleich viel Geld von der Welt fordert. 
Hano kann nur wenige Stellen ausmachen, wo man von den bisherigen Millionen des Westens wenigstens etwas sieht.  
Große Beton Flächen wurden errichtet als Schutz gegen Küstenerosion. 
Mehr offenbar nicht.  
Zufällig trifft er einen deutschen Touristen auf der Insel und der bestätigt es Hano, der nicht fassen kann, was die Presse über die Inseln schreibt und was er selbst dort erlebt. Die Inseln gehen nicht unter und der junge deutsche Tourist meint lapidar, dass er das wohl auch nicht mehr erleben wird in seinem Leben.  

Im Jahre 2018 gab es eine Studie (Paul Kench, University of Auckland), die zu erstaunlichen Ergebnisse kam. Von 101 untersuchten Inseln Tuvalus sind 74 stabil geblieben oder gewachsen (teils um bis zu 3 % ihrer Fläche), trotz eines Meeresspiegelanstiegs von etwa 15 cm in den letzten Jahrzehnten. Die Erklärung: Korallen liefern Sedimente, die durch Strömungen und Stürme auf die Inseln gespült werden und die Fläche vergrößern.

Im Sommer 2024 machte die New York Times mit einer ähnlichen Story auf, es ging aber nicht in die Südsee sondern in den Indischen Ozean auf die Malediven.
So ganz kann die Regierung der Maledivien offensichtlich nicht davon ausgehen, dass die Inselgruppe in Kürze verschwindet.
Es werden Flughäfen gebaut und diese sollen vermutlich nicht ausschließlich dem Zweck dienen die Bevölkerung (etwa 500.000 Menschen) wegen der zu erwartenden Überflutung zu evakuieren.

Aktuell wird der Velana International Airport erweitert für dann 7 Millionen Passagiere jährlich und für das Ende des Jahres soll der Hanimaadhoo International Airport in Betrieb gehen.
In 2026 soll der Bau eines neuen Inlandflughafens auf dem Noonu-Atoll angefangen werden.

Das klingt nicht wirklich nach Zukunftsangst. 
Es hindert aber Staaten wie die Malediven nicht daran, dem Westen vorzuwerfen an seinem Untergang Schuld zu sein, mit entsprechenden Forderungen nach Geld. 
Dieses Spiel und die Umverteilung funktionieren erstaunlich gut. Und Deutschland ist ganz vorne dabei bei den Zahlern.

Sei es drum, der Artikel in der New York Times kommt zu ähnlichen Schlüssen, was die Größe von Inseln, in diesem Fall den Malediven angeht.

Aus dem übersetzten Artikel:

Und tatsächlich, als die Welt vor Jahrzehnten begann, auf die globale Erwärmung zu achten, wurden diese Inseln, die sich auf Korallenriffen in Clustern bilden, die als Atolle bezeichnet werden, schnell als einige der ersten Orte identifiziert, an denen der Klimawandel in ihrer Gesamtheit verwüsten könnte. Als die Eiskappen schmolzen und die Meere höher krochen, wurden diese Unfälle der geologischen Geschichte bestimmt korrigiert und die winzigen Inseln kehrten in die wässrige Vergessenheit zurück, wahrscheinlich in diesem Jahrhundert.
Dann, vor nicht allzu langer Zeit, begannen Forscher, Luftbilder zu durchforsten und fanden etwas Überraschendes. Sie betrachteten zuerst ein paar Dutzend Inseln, dann mehrere hundert und inzwischen fast 1.000. 

Sie fanden heraus, dass die Ränder der Inseln in den letzten Jahrzehnten in diese Richtung und das wackelt hatten, sich hier und dort erodierten. 
Im Großen und Ganzen war ihr Gebiet jedoch nicht geschrumpft. 
In einigen Fällen war es das Gegenteil: Sie wuchsen. Die Meere stiegen, und die Inseln dehnten sich mit ihnen aus.

Wissenschaftler haben einige, aber nicht alle Gründe dafür verstanden.
Aus diesem Grund versammelte sich kürzlich ein Team von ihnen auf den Malediven, auf einer Insel, die sie wochenlang mit Instrumenten, Sensoren und Kameras ausstatteten.

Der Artikel beschreibt sehr ausführlich, wie Wissenschaftler die Geschichte der Malediven rekonstruieren, inkl. Bohrkerne.

Als Fazit kommen sie zu dem Schluss, dass die Gleichung steigender Meeresspiegel = Untergang vieler Inseln etwas zu einfach ist.

Wenn die nahe Zukunft der Atolle in ihrer jüngsten Vergangenheit steht, dann können wir sie vorhersagen: Einige Inseln werden schrumpfen, andere werden wachsen. Viele werden stabil sein. Aber welchen dieser Orte die Menschen eigentlich zu Hause nennen wollen, ist die schwierigere Frage, eine Frage, mit der jedes Land in der einen oder anderen Form konfrontiert ist, eineFrage, die so ewig ist wie die Gezeiten.

Der Artikel ist sehr lesenswert, weil er zahlreiche Grafiken enthält.
Man bekommt ihn allerdings nur nach Registrierung, was etwas müheselig ist, weil die New York Times auf dem Weg dahin mehrfach Abonnements und Newsletter verkaufen möchte. 
Vor allem räumt er mit dem unseligen „Science Is Settled“- Argument auf. 
Wissenschaft ist immer nur der aktuelle Stand des Irrtums. 
Sie irrt sich empor. Die nicht untergehenden Inseln sind ein gutes Beispiel dafür. 

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