Von Frank Bosse
Man konnte es in den letzten Tagen lesen: „Europa drohen kältere Temperaturen“. Die Leser der Überschrift waren wohl verdutzt, seit 1980 haben sich die mittleren Temperaturen in Europa um ca. 2 °C erhöht und bei weiteren globalen Emissionen ist auch weitere Erwärmung zu erwarten?
Gleich zu Beginn des „Focus“- Textes wird klar, was da einbezogen wurde:
„Eine neue Studie warnt vor einem möglichen Zusammenbruch der Atlantikströmung.“
Was ist dran? Es geht, soviel ist klar, mal wieder um die „AMOC“ oder auch „Atlantische Umwälzzirkulation“. Aufmerksame Leser hier werden sich wahrscheinlich an diesen Beitrag erinnern. In ihm wurde dargelegt, dass es sehr viel Unsicherheit gibt, ob die AMOC schwächer wurde oder nicht, ob sie unter realistischen Projektionen zusammenbrechen kann und wenn ja wann oder auch nicht. Einen Beleg für einen drohenden „Kollaps“ gibt es bis heute nicht, nicht mal Anzeichen, wie auch hier beim Salzgehalt da gezeigt. Bringt diese Studie, auf der die Pressemitteilungen beruhen, da neue Erkenntnisse?
Das ist mit nein zu beantworten. Was soll sie dann?
Die Frage, der die Arbeit nachgeht, ist nicht, was die AMOC wirklich macht oder machen wird. Sie wurde in einem Klimamodell einfach mal so „abgeschaltet“, und zwar mit einem Süßwassereintrag im Norden zwischen Neufundland und Grönland, der sehr weit über das hinausgeht, was real zu erwarten ist. Das war gewissermaßen eine „Vorgabe“ in diesem Modellexperiment.
Dann wurde im Modell ermittelt, was das für Auswirkungen hat in Europa, wenn das realistische Klimaszenario bis 2100 (zusätzlicher Strahlungsantrieb insgesamt 4,5 W/m² dann, gegenwärtig sind es ca. 3W/m²) vorausgesetzt wird. Vor allem die Wintertemperaturen sollen dann in den Keller gehen.
In einem aufschlussreichen Beitrag bei „Carbon Brief“ ist auch eine interaktive Karte enthalten, darin gehen die Wintertemperaturen bei Hamburg auf -1,5°C im Mittel zurück. Der DWD meldet aktuell dort (1991-2020) +2,4°C, ein „Abschmieren“ um fast 4°C. Die Sommertemperaturen sind weniger betroffen: Statt der aktuellen 17,4°C sieht das Modell bei „AMOC aus“ da 15,7°C, nur 1,7°C kühler. Die Sommer-Winter Differenz nimmt also auch bei Hamburg um über 2°C zu. Das sind wohlgemerkt Mitteltemperaturen, bei „extremen“ Bedingungen werden da Winters -29,2°C gerechnet, gegen 34,5°C im Sommer. Tim Lenton, ein Forscher der Universität Exeter, formuliert es so für die Gegensätze:
„In extremen Jahren ist es wie aus einem Gefrierschrank in die Bratpfanne.“
Und spätestens genau da sollte, ja muss das Nachdenken einsetzen! Ist so eine Modellrechnung plausibel?
Gerne sei hier an einen sehr interessanten Beitrag von Peter Schewe erinnert. Er ist Modellierer, freilich nicht des Klimas, sondern der Baustatik. Die Ähnlichkeiten sind in der Tat gegeben. Es muss viel „parametriert“ werden bei (auch kleinteiligen) Eingangsgrößen, um das Modell überhaupt dazu zu bringen, wenigstens im „Großen und Ganzen“ (hier bei globalen-Temperaturmittelwerten) in überschaubaren Zeitskalen die Realität auch nur einigermaßen wiederzugeben. Wehe man überschreitet sie! So gehen In einer sehr guten Studie die Autoren der Frage nach, ob die „Muster der Erwärmung“ im tropischen Pazifik während der letzten Eiszeit in modernen Klima-Modellen realistisch erfasst werden können. Die Antwort:
„Our study indicates that state-of-the-art climate models are unable to produce the LGM tropical Pacific surface cooling pattern observed in proxy data.”
Das war auch hier schon Thema.
Die Probleme, die Klimamodelle haben, werden auch in dieser aktuellen Arbeit beschrieben. Wir hatten darüber ebenfalls berichtet.
Dort wird auch gezeigt, dass der Niederschlag auf der ganzen Welt nicht befriedigend vorhergesagt werden kann. Ein schneller Check für Deutschland 1980-2024 bestätigt das:

Die Korrelation zwischen Beobachtungen und dem Mittel der Modelle für den Niederschlag weist praktisch nirgendwo eine Korrelation „jenseits von Würfeln“ auf.
Doch zurück zur Modellarbeit über die Folgen eines „AMOC-Kollapses“. Es ist ein lokales Ereignis, ausgelöst durch eine Ozeanströmung. Meint irgendjemand im Ernst, dass so eine Projektion irgendetwas mit der realen Welt zu tun hat, da bei allen solchen Phänomenen die Modelle bekanntermaßen nichts Brauchbares ausgeben? Der Hauptautor offensichtlich, denn er formuliert:
„Van Westen says the findings are “highly relevant for society and policymakers”
Zusammenfassend: Die neue Studie “schaltet die AMOC ab“, ohne Rücksicht darauf, ob das überhaupt realistisch ist. Dann macht man sich mit einem Modell daran, ausgerechnet lokale Auswirkungen davon zu errechnen. Es ist allen ernsthaften Kennern der Materie bekannt, wie hoch spekulativ das ist.
So gesehen könnte sie glatt in die Forschungsarbeit am Max-Planck-Institut für Meteorologie der Autoren Shaw und Stevens der oben verlinkten Arbeit eingehen:
„Keine Studie ist nutzlos, sie kann immer noch als abschreckendes Beispiel dienen.“
Bestimmt nicht sollte sie Eingang finden in die aktuellen Entscheidungen von Politikern, die sollten auf Realitäten beruhen.
Die veröffentlichten „Schaubilder“ für die Klima-Erwartungen in Europa mit „ausgeschalteter AMOC“ haben so etwa also den wissenschaftlichen Wert von Illustrationen in einer Geisterbahn.