„Erinnerungen an die Zukunft“ …der AMOC 

Von Frank Bosse

Dem einen oder anderen Leser wird der Buchtitel von Erich v. Däniken etwas sagen. Der Band wurde bereits 1968 veröffentlicht und machte lange Furor. Der Autor hatte eine Idee: In der Vergangenheit besuchte eine höhere Zivilisation die Erde und beeinflusste die Entwicklung bis heute nachhaltig. 
In dem Buch sammelte er Argumente für seine These. Er setzte sie als wahr voraus und stellte jegliche Beobachtung unter dieses Vorzeichen. Es las sich dadurch am Ende auf den ersten Blick sehr überzeugend, nur konnte Däniken mit seiner Vermutung nie die Wissenschaft beeindrucken. 
Die wägt ab, stellt nicht alles in den Dienst einer Ausgangsthese, sondern folgt eher dem Rat:  
„Kill your Darling“, also der Hinweis, eine vorgefertigte Lieblings-These versuchen zu widerlegen, statt immer wieder selektiv zu bestätigen und damit „am Leben zu halten“.  

Was hat das mit der Atlantischen Umwälzzirkulation, abgekürzt AMOC, zu tun? 

Wir hatten in der Vergangenheit schon recht häufig (vgl. hier ausführlich) darüber berichtet und den Streit in der Wissenschaft ob eines „Kollapses“ einer sich abschwächenden (oder nicht signifikant abschwächenden?) Atlantischen Zirkulation.  Aktuell hat der führende Protagonist der „Breakdown“-These in Deutschland einen langen Artikel in „Spektrum“ veröffentlicht, der ein wenig an Däniken erinnert: Er trägt alles vor, was seine These stützt, und erwähnt nicht, was dagegenspricht. Man kann ihn gegen eine kleine Gebühr herunterladen.  

Einige Bemerkungen. 

Auf S. 20 des Heftes bemüht Rahmstorf eine Abbildung: 

Sie zeigt Trends des Salzgehalts des Nordatlantiks bis hinab zu 1000 m Tiefe. Warum ist der wichtig? Die Salinität ist einer der entscheidenden Motoren der Zirkulation. Fällt sie oberflächennah, so deutet das in höheren Breiten auf eine langsamer laufende „Pumpe“ hin. Das dichte, dann kalte Oberflächenwasser sinkt nicht mehr so ab wie es das bei höherem Salzgehalt tun würde, das reduziert den gesamten (gigantischen) Wärmefluss von Süden nach Norden. Tatsächlich ist für Null-1000 m Tiefe ein fallender Trend ab 1980 genau da zu beobachten, wo er in der Abbildung liegt. 
Ein linearer Trend ist nicht allein „der Weisheit letzter Schluss“, daher hier das Verhalten über die Zeit von 1980 bis 2024 dort:  

 

Das Bild wurde mit dem KNMI Climate Explorer generiert.  

Da ist viel Variabilität und ein markanter „Dip“ zwischen 2012 und 2016, der macht den negativen Trend. Danach sieht der erstaunte Betrachter wieder eine Erholung des Salzgehaltes. Wie das, bei „fortschreitender Schwächung“ wie es Rahmstorf nahelegt, wenn er im Zusammenhang schreibt: 

„Weitere Hinweise auf eine schwächere AMOC ergeben sich aus den Veränderungen des Salzgehalts. Der nordöstliche subpolare Atlantik wird wahrscheinlich durch schmelzendes Eis und mehr Niederschläge »süßer«…“ ? 

Immerhin benutzt er mal eine Art Konjunktiv: “wahrscheinlich”. Mit dem Dip im Salzgehalt (er beträgt im Maximum nur ca. 0,1% (!) des Mittels) beschäftigten sich auch andere Arbeiten, z. B. diese. Sie folgert als Ursache auf eine temporäre Änderung des Ausflusses der Labrador-See und diskutiert vorher auch das „gemischte“ Bild in der Wissenschaft zur „AMOC-Schwächung“. Sie zitiert dafür u.a. eine Arbeit des Leadautors Mojib Latif aus 2022, die hervorhebt, dass die Schwankungen der AMOC seit 1900 im Rahmen der natürlichen Variabilität liegen und damit eine Entwarnung für sie gibt.   

Davon liest man im „Spektrum“ Artikel natürlich nichts. Weil es aus dem “wahrscheinlich” ein “unwahrscheinlich” macht?  

Stattdessen frönt Rahmstorf einer alten Leidenschaft: Der Verweis auf einen Thriller zur „plötzlichen AMOC-Katastrophe“. Ausführlich schreibt er:  

 „Ein weiteres Problem thematisiert sogar der Hollywood-Blockbuster »The Day After Tomorrow« von 2004, in dem der Wissenschaftler Jack Hall (Dennis Quaid) sagt: »Niemand hat berücksichtigt, wie viel Süßwasser durch das schmelzende Polareis in den Ozean geschüttet wird! Ich glaube, wir haben einen kritischen Punkt der Entsalzung erreicht.« Denn tatsächlich enthalten die meisten Klimamodelle bislang nicht die Veränderungen des Grönländischen Eisschilds – der seinen eigenen Kipppunkt hat – und vernachlässigen deshalb dessen zunehmenden Schmelzwassereintrag.“

Macht man so mit Wissenschaft im April 2025! Punkte, indem man auf ein Dialog-Zitat eines Filmes aus 2004!! verweist? Hat sich in der Modellentwicklung zwischenzeitlich nichts getan?  

Wir werden dazu auch bei Latif et al. (2022) fündig: 

„Eine hochauflösende Studie mit einem allgemeinen Ozeanzirkulationsmodell zeigt, dass der gegenwärtige Schmelzwasserantrieb durch das westgrönländische Eisschild nicht groß genug ist, um die Bildung von nordatlantischem Tiefenwasser und damit die AMOC-Stärke signifikant zu verringern.“ 

Da ist auch die Quelle, eine Studie aus 2019, verlinkt. Es gibt sehr wohl inzwischen hochauflösende Modelle, die nur nicht das für Rahmstorf erwünschte Resultat erbrachten, also werden sie auch nicht erwähnt von ihm.  

Stattdessen werden auf die Schreckens-Katastrophenszenarien mit einer Karte aus einem „offenen Brief“ an Politiker verwiesen, wir hatten davon berichtet.  Dort ist auch erläutert, dass eine Verringerung des Salzgehalts an der Oberfläche tatsächlich ein schlechtes Zeichen für die Zirkulation sein könnte. Nur wird so etwas nicht beobachtet. 

Es sei hier abgebrochen mit der „Würdigung“ des „Spektrum“- Artikels von Rahmstorf.  
Er hat eine These (mehr ist es bei einem tieferen Blick in die Wissenschafts-Literatur zum Thema nicht), die er zu bestätigen sucht, um seine politische Botschaft zu transportieren:  

“Die einzige Maßnahme, mit der wir das Risiko für die AMOC und andere Kipppunkte minimieren können, ist, schnellstmöglich aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen. Je früher wir die Netto-null-Emissionen erreichen, desto geringer ist das Risiko, dass verheerende Kipppunkte überschritten werden...” 

Däniken machte es nicht viel anders mit seiner These: “Wir Menschen haben die Zivilisation von Außerirdischen geerbt.” Wissenschaft war und ist beides nicht. Hier trifft Bjorn Stevens vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg wie so oft den Nagel auf den Kopf in einem “Welt” Interview über die starke Politisierung der Wissenschaft, dort von der “anderen” (gegenwärtige Trump- Administration) Seite:   

Wir sollten uns vor der Tendenz hüten, Wissen oder Unwissenheit in böser Absicht zu nutzen: unser Nichtwissen zu manipulieren, um falsche Zweifel an unserem Wissen zu säen. Ebenso sollten wir es vermeiden, so zu tun, als wüssten wir mehr, als wir tatsächlich wissen, in der Hoffnung, dass dies zum Handeln anregt.

Wie wäre es mal mit einem Trip für Stefan Rahmstorf aus Potsdam vom Klimafolgenforschungs-Institut nach Hamburg, um dort als Gastwissenschaftler zu arbeiten? So etwas könnte sehr lehrreich für ihn sein.  

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Wir wünschen allen Lesern Frohe Ostern !

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