Von Frank Bosse
Wir lesen oft, welche Fortschritte Solarenergie und Windkraft machen. Hilfreich ist auch ein Blick darauf, wo wir stehen in Deutschland. Meist werden „installierte Leistungen“ mit real verfügbaren vermischt, um die Erfolge herauszustellen. Das oberste Ziel allen Handelns ist ein Mehr an Klimaschutz, das vor allem durch CO2-Reduktion erreicht werden soll.
Um realistisch den Stand zu erfassen, kommt es darauf an, möglichst zeitlich hoch aufgelöst die Sachlage zu erfassen. Die Voraussetzung: In jedem Moment muss die Summe des Energieverbrauchs und die Summe der Erzeugung bilanzieren. Ein Blick auf Monate ist nur im Ansatz hilfreich, da sich auf solchen Zeitskalen viel ausmittelt was sich real nicht mitteln kann. Daher wurde das letzte Jahr (1. 11. 2023 bis 31.10. 2024) ausgewertet, das sind hier 366 Tage. Die Daten liefert „Agora“, man erhält diese Abbildung:
Natürlich kann man die Daten auch herunterladen und verarbeiten. Hier geht es zunächst um den „Emissionsfaktor“, er verrät, wieviel g CO2 /kWh anfallen. Die Daten geordnet in einem Histogramm:
Hier erkennt man große Schwankungen. Der Beitrag von Erneuerbaren Energien (EE) ist sehr unterschiedlich, so muss Kohlenstoffverbrennung oder/und Import immer wieder einspringen. Wo liegt der Vergleichswert von Europa? Fündig wird man hier und erfährt:
„Aufgrund der Reduktion der Kohleverstromung sank die spezifische CO2-Intensität 2020 im Stromsektor der EU27 um mehr als 10 % auf 226 g CO2 je kWh.“
Der aktuelle Mittelwert für Deutschland beträgt 314 g CO2 /kWh, was auf den ersten Blick nicht allzu weit über dem Europäischen Mittel aussieht. Aber Vorsicht: Das bekannte Sprichwort, wenn es um Mittelwerte allein geht: „Der See ist im Mittel 1m tief, die Kuh ist trotzdem ertrunken!“
Es stellt sich heraus, dass Deutschland beim CO2-Ausstoß den Europäischen Mittelwert an 298 Tagen (=81,4%) überschreitet, an 50 Tagen (=13,7%) produziert Deutschland mehr als doppelt so viel CO2 als der Mittelwert für ganz Europa beträgt. Das sind alarmierende Zahlen. Wo liegt das Verbesserungspotential? Eindeutig ist es dann zu heben, wenn Wind und Sonne nicht genügend zum Zuge kommen können. Denn im Prinzip liefern diese Energien ja ab, wenn es denn geht. Leider nur an 67 Tagen im letzten 12-Monatszeitraum lag Deutschlands CO2-Emissionsfaktor unter dem Mittel Europas.
Mehr davon kann also das Problem allein nicht lösen. Ähnlich sieht es beim Anteil CO2-arm produzierten Stromes aus: im Mittel sind es (immerhin) 45,9%, nur schwankt der Tageswert zwischen 88,6 (großartig, ähnlich dem Mittelwert von Frankreich!) und 9,0% (viel zu wenig).
Dem Klima ist es am Ende völlig egal, wo das CO2 herkommt und an welchen Tagen es in besonders großen (kleinen) Mengen entsteht, es wirkt immer kumulativ.
Die Energiewende wie bisher praktiziert kann dieses (wetterbedingte) Dilemma nicht lösen. Was benötigt wird zusätzlich ist CO2 arme Produktion von Strom, auch wenn EE kaum beitragen können oder genügend Speicher. Für ersteres gibt es technologische Lösungen: Kernkraft und Kohlendioxid Abscheidung (CCS), die genauso vom IPCC AR6 WGII empfohlen wurden. Wann und ob überhaupt irgendwann real genügend hohe Speicherkapazitäten zur Verfügung stehen, ist völlig offen. Die Klima-Uhr tickt jedoch unaufhaltsam.
So wäre der politische Wille, damit aufzuhören, die Realitäten und den Rat der Wissenschaft weiter zu ignorieren bei Entscheidungen ein erster, unbedingt notwendiger Schritt, hier für Abhilfe zu sorgen.
Eigentlich sollte es die Aufgabe der Politik sein, Realitäten wie die hier beschriebenen, offen ins Auge zu blicken und auf die Wissenschaft zu hören. Die gegenwärtige deutsche Politik weigert sich aber standhaft genau das zu tun und so kommen vergleichsweise viel zu schlechte CO2-Werte zu Stande. Das Gegenteil von Klimaschutz.