Von Frank Bosse
Hilfe, die Landmassen nehmen kaum noch CO2 auf! (?)
Man las solchen Meldungen in den letzten Tagen häufig. Der „Focus“ war nur einer von vielen Medien, der ein Preprint über die Kohlenstoffbilanz im Jahre 2023 zitierte, auch „Spektrum“ war dabei und schrieb am Ende:
„Es sei zwar zu früh, einen dauerhaften Kollaps der Kohlendioxidaufnahme an Land anzunehmen, die weiterhin hohen Temperaturen machten das Resultat jedoch alarmierend, schreibt das Team um Ciais in der Studie.“
Ganz tief drinnen im Text wird auch erwähnt, dass der El Nino in 2023 “einen Anteil” hat.
Offensichtlich wird insbesondere die Kohlenstoffaufnahme der Landsenken durch den Ablauf von El Nino und La Nina im tropischen Pazifik („ENSO“) beeinflusst. In allen Artikeln werden auch Waldbrände in Südamerika (Amazonas) erwähnt.
Wie kann das zusammenhängen?
Angesprochen werden (natürlich) nur erhöhte Temperaturen. Nur wie wirkt das auf tropische Wälder? Hier hilft eher die Betrachtung der Landniederschläge weiter.
Neben CO2 ist halt auch H2O beteiligt an der Photosynthese, die letztlich das „C“ in CO2 in organische Stoffe (zuerst Glukose) verstoffwechselt und damit CO2 in Pflanzen bindet und Sauerstoff “ausatmet”. Alles organische Leben auf unserem Planteten entstand so aus dem CO2 der Atmosphäre. Und das soll nun nicht mehr funktionieren??
Ein Blick auf den Zusammenhang zwischen ENSO und Niederschlag:
Quelle: Climate Explorer
Das Bild sei erläutert. Es zeigt die statistische Korrelation der Landflächen zwischen ENSO und Niederschlag seit 1950. Die Meerestemperaturen des Gebietes Nino3,4 bilden ENSO ab: Ist der Wert deutlich positiv so haben wir einen El Nino und höhere Meerestemperaturen im tropischen Ostpazifik, ist er negativ, dann herrscht La Nina. In 2023 hatten wir einen starken El Nino. Die bläulichen Flächen bedeuten einen positiven Zusammenhang, dort regnet es also stärker bei El Nino. Das ist nur an wenigen Stellen des Globus gegeben, z.B. im Süden der USA. Die meisten Flächen (vor allem der Tropen: Fernost-Asien, Ozeanien, Australien, Amazonas, südliches Afrika) sind rötlich, da regnete es also auch beim El Nino in 2023 weniger. Man beachte den besonders starken Effekt in der Amazonas-Region. Dort war es also deutlich trockener als im Mittel. Dass es dann zu mehr Bränden da kommt, entbehrt einer gewissen Logik nicht.
Darüber hinaus sehen wir In den meisten Gebieten der Tropen ein reduziertes Wasserangebot. Damit kann die Photosynthese nicht so effektiv arbeiten wie in ENSO-neutralen Jahren oder gar in La Nina-Phasen, in denen man da deutlich mehr Regen sieht als normal. Das liegt nicht so sehr an den angehobenen globalen Temperaturen bei El Nino, sondern viel mehr an geänderten Zirkulationsmustern.
Mit diesen Erkenntnissen im Hinterkopf erwartet man bei jedem El Nino eine reduzierte CO2-Aufnahme der Landmassen. Ist das so? Hier hilft der 6. Sachstandsbericht des IPCC (AR6) weiter. Dort ist der Zusammenhang beschrieben mit Hilfe der „Airborne fraction“, das ist der Teil CO2, der in einem bestimmten Jahr in der Atmosphäre verbleibt, also nicht durch Landvegetation und Ozeane aufgenommen wird:
Deutlich ist an den einzelnen jährlichen Messpunkten mit Fehlerbalken (grau) zu sehen, dass bei starken El Ninos (orange markiert) wie 1997/98 sehr viel CO2 in der Atmosphäre (damals nahe 80%!) verbleibt, bei La Nina Bedingungen (hellblau markiert) wie 2011 sind es nur ca. 30%.
Im langjährigen Mittel (gestrichelt) ist das Verhältnis recht konstant bei ca. 44%, die starken Fluktuationen kommen zum allergrößten Teil durch die wechselnde Effektivität der Photosynthese an Land infolge des variierenden Wasserangebotes. Das ist genau das, was die Niederschlagsabhängigkeit von ENSO im ersten Bild nahelegt.
Dass es 2023 nun genau so kam, ist wenig überraschend. Eigentlich kaum eine Überschrift wert, es bestätigt lang gesichertes Wissen.
Wir erwarten nun Ende 2024 den Übergang von ENSO zu La Nina-Bedingungen, dann werden die Landmassen wie sonst auch immer bisher auch wieder deutlich mehr CO2 verarbeiten zu Biomasse. Das ist die gute Nachricht.
Die schlechte ist, dass ein weiteres Mal der natürliche ENSO-Zyklus mit seinen bekannten Zusammenhängen zum Niederschlag besonders in den sehr Bio-aktiven Tropen benutzt wurde, um „Alarm“ zu schlagen und eine generelle Möglichkeit der starken Schwächung der CO2-Aufnahmefähigkeit von Landmassen zu suggerieren.
Auf dieser Website werden Sie bisher vergeblich das Wort „Alarmisten“ suchen. Leider ist man manchmal versucht, das Wort zu gebrauchen, wenn solche „alarmierenden“ Überschriften ohne Substanz im Raum stehen.