Dysfunktional, das beschreibt den deutschen Strommarkt am besten. In einem funktionierenden Markt gibt es eigentlich keine negativen Preise. Jeder Produzent würde seine Produktion umgehend einstellen, wenn er beim Absatz seiner Produkte Geld dazugeben müsste. Anders im deutschen Strommarkt. Kommen besondere Wetterbedingungen wie am letzten Donnerstag zusammen, dann wird die Dysfunktionalität deutlich sichtbar. Agarheute beschreibt, was passiert ist.
Für den Donnerstag (26.09) hat die Bundesnetzagentur eine Produktion von Windstrom Onshore von 644.321 MWh gemeldet. Zum Vergleich: Am Montag (23.09) dieser Woche bei relativ normalen Windverhältnissen waren es nur knapp 59.668 MWh. Das heißt: Mehr als eine Verzehnfachung des Anfalls an Windenergie in wenigen Tagen. Dieser enorme Mengenzuwachs lässt sich weder speichern noch exportieren. Auch die starke Drosselung der konventionellen Energieträger hat nur bedingt geholfen. Während am Montag noch 527.728 MWh aus Kohle und Gas kamen, wurden die konventionellen Kraftwerke am Donnerstag auf 324.927 MWh runterreguliert. Eine Drosselung der konventionellen Stromerzeugung um rund 40 % in wenigen Tagen.Die Folgen des Energie-Überschusses am Donnerstag ließen sich trotzdem nicht wegregulieren. Die Spotmarkpreise fielen für 11 Stunden ins Negative und für weitere 2 Stunden lagen sie exakt bei Null. Das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Und die nächsten Tage bringen weiterhin viel Wind und damit die gleichen Probleme – vor allem wenn auch noch die Sonne scheint.
Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien wird die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse erhöhen. So sieht es auch Agrarheute.
Nach Einschätzung von Prof. Manuel Frondel vom RWI-Leibniz-Institut ist deshalb eine schnelle Abschaffung der Ökostrom-Förderung nötig – und auch eine Reduzierung der Ausbaupläne. Er warnt, dass die geplante Verdreifachung der Photovoltaik und die Verdopplung der Windkraft an Land bis 2030 unbezahlbar sei und die Stromversorgungssicherheit gefährde.
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Verrückte Welt. Finanzminister Lindner kratzt die letzten Euros zusammen, um einen Haushalt hinzubekommen, gleichzeitig ist Deutschland der Zahlmeister der Welt in Sachen Klima, wie der Spiegel berichtet.
Deutschland hat im Jahr 2023 im Rahmen der internationalen Klimafinanzierung anderen Staaten insgesamt 9,9 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Das gehe aus Daten hervor, die die Bundesregierung am Freitag an die EU-Kommission gemeldet habe, teilten mehrere Ministerien in Berlin mit .Damit habe Deutschland seinen Beitrag geleistet, um das internationale Versprechen zu erfüllen, Entwicklungs- und Schwellenländer pro Jahr mit insgesamt 100 Milliarden Dollar bei Klimaschutz und -anpassung zu unterstützen. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sagte, Deutschland bleibe ein verlässlicher Partner. »Die Anpassung an den Klimawandel ist von zentraler Bedeutung.«Von den 9,9 Milliarden Euro entfallen 5,7 Milliarden auf Haushaltsmittel. 2022 kamen noch 6,4 Milliarden Euro aus dem Budget des Bundes. Hier spiegele sich die Kürzung im Etat des Entwicklungsministeriums wider, hieß es.
Und wer mal richtig schönes Geschwurbel hören will, der sollte sich das aktuelle Interview mit der Entwicklungshilfe-Ministerin Schulze in der ARD diesbezüglich anhören. Dort bringt Schulze es tatsächlich fertig, die Ausgabe Ihres Ministeriums mit dem deutschen Export in direkte Verbindung zu bringen. Nach dem Motto, nur wenn wir weiter fleißig Entwicklungshilfe zahlen, ist unser Export gesichert.
Hier sind die Top 20 größten Märkte für Deutschland in 2023 (Import und Export). Was Schulze versucht ist ein Hütchenspielertrick. Entwicklungsländer spielen allenfalls eine untergeordnete Rolle, wenn man mal davon absieht, dass Deutschland immer noch Entwicklungshilfe an China zahlt. Was in etwa ebenso verrückt ist.
Wer also dachte, dass Schulze im Abklingbecken Entwicklungshilfe weniger Schaden anrichtet als im Umweltministerium, der könnte sich täuschen. Auch dort wird das Geld rausgefeuert, als wenn es auf Bäumen wächst.
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Das nennt man wohl unbelehrbar. Nur kurze Zeit nachdem zwei Klimaaktivisten wegen der Beschädigung von Kunstwerken verurteilt wurden, erwischte es wieder Bilder des Malers Vincent van Gogh. AP:
Wenige Stunden nach der Urteilsverkündung gegen zwei Klima-Aktivistinnen wegen einer Suppenattacke auf ein weltberühmtes Gemälde von Vincent Van Gogh sind zwei Kunstwerke des Malers erneut attackiert worden. Nach Angaben der National Gallery in London schütteten drei Klimaaktivisten am Freitag „eine suppenähnliche Substanz“ auf die zwei gleichnamigen Gemälde „Sonnenblumen“ aus den Jahren 1888 und 1889. Drei Verdächtige seien festgenommen worden, hieß es weiter.
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Verändert der Klimawandel den Wein? Schenkt man einem Artikel bei Weather.com Glauben, dann könnte das so sein und auch in mehrfacher Hinsicht. Bestimmte Trauben könnten weiter nördlich angebaut werden.
Weinqualität ist sehr empfindlich gegenüber der Temperatur während der Traubenreife“, schreibt ein Forschungsteam der französischen Ingenieurhochschule Bordeaux Sciences Agro unter Leitung von Cornelis van Leeuwen in einer Überblicksstudie, die in der Zeitschrift „Nature Reviews Earth & Environment“ erschienen ist. Grund für die Temperaturabhängigkeit seien eine ganze Reihe von Faktoren. Diese beschreibt auch Ramón Mira de Orduña Heidinger von der ETH Zürich in einer Überblicksstudie in der Fachzeitschrift „Food Research International“. Die höheren Temperaturen führten zum Beispiel zu einem geringeren Apfelsäureanteil in den Trauben. Die Hitze drücke außerdem die Kaliumwerte und bringe so einen höheren pH-Wert hervor.
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Voltaire eigentlich François-Marie Arouet (1694-1778)
Die Wahrheit sollte sein wie ein Mantel, den du dem anderen hinhältst wenn er dazu bereit ist, damit er hineinschlüpfen kann.
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Martin Schlumpf berichtet am 23. September 2024 im Nebelspalter:
Brisanter neuer ETH-Bericht über Atomkraft – Schlumpfs Grafik 125
Das Bundesamt für Energie (BFE) betreibt ein Monitoring über die Entwicklung der Kernenergie. Im Rahmen dieses Programms hat das BFE im Frühling 2023 bei den entsprechenden Fachstellen unserer Hochschulen einen aktuellen Bericht in Auftrag gegeben. Im Juli 2024 haben Annalisa Manera, Professorin für Nukleare Sicherheit an der ETH Zürich und Andreas Pautz, Professor für Nuklearingenieurwesen an der ETH Lausanne und Leiter des Forschungsbereichs Nukleare Energie und Sicherheit am PSI (Paul-Scherrer-Institut) mit weiteren Mitarbeitern die Studie «Technology Monitoring of Nuclear Energy» abgeliefert (siehe hier).Was wichtig ist:
– Gemäss einer neuen ETH-Studie im Auftrag des Bundes sind weltweit 415 Kernkraftwerke in 32 Ländern in Betrieb, 57 neue Anlagen sind im Bau – 27 davon in China und 7 in Indien.
– Die durchschnittliche Bauzeit eines Reaktors der neuesten Generation beträgt 7,7 Jahre – in Japan wurde eine Anlage in weniger als vier Jahren gebaut.
– Die Stromgestehungskosten in einem neuen Kernkraftwerk liegen tendenziell tiefer als diejenigen bei Wind- und Solaranlagen. Bei den Erneuerbaren fallen zusätzlich aber noch Systemkosten ins Gewicht.
Es ist unverständlich, warum dieser neue wissenschaftliche Zustandsbericht über alle wichtigen Aspekte der Kerntechnologie vom BFE nicht prominent vorgestellt wurde: Weder in einer Medienkonferenz, noch in einer Medienmitteilung wurde auf das Erscheinen dieser Studie hingewiesen (Alex Reichmuth hat dies im «Nebelspalter» bereits thematisiert: siehe hier). Offensichtlich stossen die positiven Resultate des Berichts bei den Beamten des BFE nicht auf offenen Ohren.
Weiterlesen im Nebelspalter. Auch verfügbar auf schlumpf-argumente.ch.
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University of Hawaii at Manoa:
El Niño forecasts extended to 18 months with physics-based model
Across Asia, the Pacific Ocean, and the Americas, El Niño Southern Oscillation (ENSO) brings variations in winds, weather, and ocean temperature that can cause droughts, floods, crop failures, and food shortages. Recently, the world has experienced a major El Niño event in 2023–2024, dramatically impacting weather, climate, ecosystems, and economies globally.
By developing an innovative modeling approach, researchers from the School of Ocean and Earth Science and Technology (SOEST) at the University of Hawai’i at Mānoa are now able to forecast ENSO events up to 18 months ahead of time—significantly improving conventional climate model forecasting.
Their findings, which meld insights into the physics of the ocean and atmosphere with predictive accuracy, were published in Nature.
„We have developed a new conceptual model—the so-called extended nonlinear recharge oscillator (XRO) model—that significantly improves predictive skill of ENSO events at over one year in advance, better than global climate models and comparable to the most skillful AI forecasts,“ said Sen Zhao, lead author of the study and an assistant researcher in SOEST.
„Our model effectively incorporates the fundamental physics of ENSO and ENSO’s interactions with other climate patterns in the global oceans that vary from season to season.“
Scientists have been working for decades to improve ENSO predictions given its global environmental and socioeconomic impacts. Traditional operational forecasting models have struggled to successfully predict ENSO with lead times exceeding one year.
AI helps power new forecast
Recent advancements in artificial intelligence (AI) have pushed these boundaries, achieving accurate predictions up to 16–18 months in advance. However, the „black box“ nature of AI models has precluded attribution of this accuracy to specific physical processes.
Not being able to explain the source of the predictability in the AI models results in low confidence that these predictions will be successful for future events as the Earth continues to warm, changing the currents in the oceans and atmosphere.
„Unlike the ‚black box‘ nature of AI models, our XRO model offers a transparent view into the mechanisms of the equatorial Pacific recharge-discharge physics and its interactions with other climate patterns outside of tropical Pacific,“ explained Fei-Fei Jin, the corresponding author and professor of atmospheric sciences in SOEST.
„The initial states of the extratropical Pacific, tropical Indian Ocean, and Atlantic enhance ENSO predictability in distinct seasons. For the first time, we are able to robustly quantify their impact on ENSO predictability, thus deepening our knowledge of ENSO physics and its sources of predictability.“
Climate model shortcomings, improvements
„Our findings also identify shortcomings in the latest generation of climate models that lead to their failure in predicting ENSO accurately,“ said Malte Stuecker, assistant professor of oceanography in SOEST and study co-author.
„To improve ENSO predictions, climate models must correctly capture the key physics of ENSO and additionally, three compounding aspects of other climate patterns in the global oceans: accurate knowledge of the state of each of these climate patterns when the ENSO forecasts starts, the correct seasonally varying ‚ocean memory‘ of each of these climate patterns, and correct representations of how each of these other climate patterns affect ENSO in different seasons.“
„Different sources of predictability lead to distinct ENSO event evolutions,“ said Philip Thompson, associate professor of oceanography in SOEST and co-author of the study. „We are now able to provide skillful, long lead time predictions of this ‚ENSO diversity,‘ which is critical as different flavors of ENSO have very different impacts on global climate and individual communities.“
„In addition to El Niño, the new XRO model also improves predictability of other climate variabilities in tropical Indian and Atlantic Oceans, such as the Indian Ocean Dipole, which can significantly alter the local and global weather patterns beyond the impacts of El Niño,“ added Zhao.
Future directions
The implications of this research are far-reaching, offering prospects for more accurate and longer lead time ENSO predictions and global climate model improvements.
Though ENSO originates in the tropical Pacific, we can no longer think of it as a tropical Pacific Ocean problem only, either from a modeling and prediction perspective or from an observational perspective. The global tropics and the higher latitudes are integral to improving seasonal climate forecasts.
„By tracing model shortcomings and understanding these climate pattern interactions with our new conceptual XRO model, we can substantially refine our global climate models,“ remarked Stuecker.
„This paves the way for the next-generation of global climate models to incorporate these findings, improving our approach to predicting and mitigating the effects of climate variability and change. Such advancements are crucial for societal preparations and adaptations to climate-related hazards.“
The UH team of researchers was rounded out with contributing authors from Columbia University, NOAA, Korea, and China.
Fei-Fei Jin, Explainable El Niño predictability from climate mode interactions, Nature (2024). DOI: 10.1038/s41586-024-07534-6. www.nature.com/articles/s41586-024-07534-6