Von Frank Bosse
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMK) nimmt Physik zur Kenntnis. Ein Rückgrat jeder modernen Volkswirtschaft ist die stabile Verfügbarkeit von Energie. Daran wird in Deutschland schon viele Jahre gearbeitet, weil die Zunahme von EE („erneuerbare“ Energie vor allem aus Sonne und Windkraft) recht große Schwankungen in der Bereitstellung erzeugen. Das sei exemplarisch an dem 4-Wochenzeitraum 27.7.2024-25.8.2024 gezeigt. Das Interesse galt dem Zusammenhang zwischen Handelsbilanz und Strompreis. Es ist lange bekannt, dass sowohl Sonneneinstrahlung (für Photovoltaik) als auch Windgeschwindigkeiten in den Nachbarländern von Deutschland sehr ähnlich sind. Produziert Deutschland viel EE tun das die Nachbarn auch und vice versa:
Abb.1. Die Korrelation der Sonneneinstrahlung im August zwischen Deutschland und dem Rest von Europa.
Abb.2: Das gleiche für die Windgeschwindigkeit. Die Abbildungen wurden mit dem KNMI-Climate Explorer generiert.
Bei wenig EE braucht man also andere Erzeugungen. Frankreich und einige andere europäische Länder lösen das Problem durch Kernkraft bzw. lokal reichlich vorhandener Wasserkraft. Für Deutschland ist da leider Fehlanzeige. In Frankreich hingegen arbeiten 56 Kernkraftwerke und sorgen so für stabile und vor allem CO2-arme Erzeugung. In Deutschland verzichtet man auf Kernkraft. Das hat Folgen. Zum einen müssen fossile Träger ran wenn EE nicht liefern können, man erzeugt Strom durch Verbrennung von Kohlenstoff wie schon immer oder Deutschland importiert Strom, gern aus Frankreich. Das führt dazu, dass bis zu 590 g CO2/kWh erzeugt werden auch im Sommerzeitraum. Wir hatten hier über die Schleichfahrt bei den „CO2-Pfaden“ der Stromwirtschaft berichtet. Zum anderen hat das Dilemma auch massive Auswirkungen auf den Strompreis.
Abb.3 Der Zusammenhang Handelsbilanz und Strompreis in Deutschland. Daten: stündliche Werte von „Agora“.
Wird viel importiert, geht der Preis hoch: 120 Euro/MWh und mehr ist nicht außergewöhnlich. Produziert Deutschland selbst viel Strom ist er billig, oft ist der Preis sogar negativ. Weil den Strom schlicht keiner braucht. So unerbittlich ist der Markt. Wer das alles bezahlt? Schauen Sie in den Spiegel, Sie werden einen der Geldgeber erkennen. Ein Kaufmann, der seine Ware teuer einkauft und billig verkauft, wird sein Geschäft nicht lange betreiben. Deutschland ist ein schlechter Kaufmann.
Es hat sich nun bis zum zuständigen Ministerium herumgesprochen, dass dieses Problem auf der Erzeugungsseite kaum lösbar ist. Wenn das Angebot nicht zur Nachfrage passt, gibt es prinzipiell 2 Möglichkeiten: Entweder man passt das Angebot an und/oder die Nachfrage. Da das erstere sich mit dem eingeschlagenen „Energiewendeweg“ nicht verträgt, sinniert man nun über die zweite Möglichkeit. In einer hoch aktuellen Schrift des Ministeriums Ende Juli 2024 “Strommarktdesign der Zukunft” finden sich solche Sätze:
“Durch die Energiewende wird ein flexibler Verbrauch von Strom jedoch elementar. Dazu gehört sowohl das Hochfahren bei niedrigen Preisen als auch die Lastreduktion bei hohen Preisen.”
Wann gibt es niedrige Preise (also Hochfahren des Verbrauchs wünschenswert) und wann sollte eine Lastreduktion (bei hohen Preisen) erfolgen? Hier wieder der Zeitraum von oben, die letzten 30 Tage:
Abb.4: Strompreise und Erzeugung über den Tag, Quelle: Agora
Grob kann man erkennen, dass der Strom im Sommer zwischen 9 und 17 Uhr einen niedrigen Preis hat. Weil dann die Sonne scheint. Und zwar sehr ähnlich überall in Europa. Zu Importzeiten ist es bei den Nachbarn auch dunkel (vgl. Abb.1), also ist wenig sauberer Strom im Importvolumen. Außer aus Frankreich, dort gibt es CO2-sauberen Kernkraftstrom. Die ganze „Kunst“ besteht also darin, bei nicht passendem Marktangebot die Marktnachfrage zu steuern. Ob das realistisch ist? Großverbraucher halten von der Idee nicht viel. In einem Artikel der „Welt“ (Bezahlschranke) kommen verschiedene Industrievertreter zu Worte. Für die Chemieindustrie:
„Chemie-Anlagen sind in der Regel sehr kapitalintensiv und brauchen eine Auslastung von mindestens 80 Prozent, wenn sie wirtschaftlich sein sollen“
(Christof Günther, Geschäftsführer eines Chemieparks)
Für die Metallindustrie:
„Unsere Betriebe arbeiten bislang 24/7, also jeden Tag rund um die Uhr, und das hat einen guten Grund,“
(Volker Backs, Geschäftsführer eines Aluminium-Herstellers)
Für die Mittelstandsvereinigung BVMW:
“Wetter-Roulette ist völlig gaga. Maschinen und Anlagen brauchen 365 Tage im Jahr rund um die Uhr verlässlich und bezahlbar Strom.”
(Christoph Ahlhaus, Chef)
So darf man skeptisch bleiben, ob dieser Weg des „Lastmanagements“ große Erfolge zeitigen wird. Zeiten, in denen die “Last reduziert” wurde, nannte man im Nachkriegsdeutschland übrigens treffender “Sperrstunde”. Und ob die praktizierte Energiewende eine reale Chance hat auf dem Weg des Lösens des Klimaproblems, das eigentliche Ziel. Das hätte sie mit sehr vielen rein politischen Entscheidungen zum Klimaschutz in aller Welt gemein. Eine sehr neue Arbeit zeigt, dass die allermeisten kaum Ziele für das Klima erreichen. Politik für die Galerie und/oder Lobbygruppen, nur im Namen des Klimas?