„Wird das deutsche Klima nun trockener oder feuchter?“

Von Frank Bosse

Wird das deutsche Klima nun trockener oder feuchter?

Diese Frage stellt ein Artikel im „Spiegel“, hinter einer Bezahlschranke. Irgendwo im Text ist auch eine zutreffende Antwort:

Auf kurze Sicht hängt vieles von aktuellen Wetterlagen ab.“

Es wäre zu ergänzen: „kurze Sicht“ meint bei Würdigung aller Daten die letzten 45 Jahre, wenn es um Deutschland geht, wie die Überschrift meint. Im Text werden viele, im Einzelfall auch zutreffende Sachverhalte aufgezählt, ohne dabei zu berücksichtigen, wie das lokal und quantitativ wirkt. Begeben wir uns auf Spurensuche.

Zunächst kommt Janek Zimmer von „Kachelmannwetter“ (der wohl erste Ort im Internet, wenn es in Mitteleuropa um Meteorologie geht) zu Worte und er betont, dass eine wärmere Welt auch eine feuchtere Welt bedeutet. Ganz einfach, weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit enthält als kühlere. Das ist völlig richtig. Später wird es dann sehr gemischt mit dem Realitätsgehalt des Artikels. Mit Bezug auf den anthropogenen Klimawandel (in den Temperaturen ab ca. 1980 ablesbar) steht da:

Einige Trends zeichnen sich aber bereits ab. Messungen des DWD zeigen, dass die Niederschläge in Deutschland im Winter im langjährigen Mittel zugenommen haben. Das dürfte sich verfestigen.

Gezeigt wird dann eine Graphik der Winterniederschläge (nach Daten des Deutschen Wetterdienstes-DWD) ab 1881 mit einem leicht steigenden linearen Trend. Was hat das mit dem Klimawandel ab ca. 1980 zu tun? Die Probe aufs Exempel ist nicht schwierig: Man bestimme die linearen Trends jeweils bis heute (Winter 2023/24) von jedem Startjahr an (ab 1924 für die letzten 100 Jahre, vorher sind Daten oft eher unsicher) auf der Abszisse des Diagrammes für den Winter, man findet die Daten dafür hier:

Was verrät die Graphik? Der steigende Trend das Winterniederschlags kommt daher, dass es vor 1974 offensichtlich wenigerWinterNiederschlag gabin Deutschlands Winter als gegenwärtig, also vor jedem anthropogenen Erwärmungstrend. Seit den 80ern ist dagegen praktisch gar kein Trend auf den Daten. Signifikant auf dem 95% Prozentniveau des Ausschlusses von Zufall ist da sowieso gar nichts. 

Daher ist auch der (Klima) Rückschluss des sich „verfestigen Trends“ zu mehr Winterniederschlag in Deutschland völlig unangebracht, die Graphik oben zeigt, dass der zarte aufsteigende Langzeittrend im Gegenteil zurück ging mit dem einsetzenden Klimawandel. Alles andere würde auch jeder Logik von „wärmere Meeresoberflächen führt zu mehr Regen“ widersprechen. Der Sommerniederschlag für Deutschland weist praktisch einen Null-Langzeittrend aus:

Unsere „Ozeanwetterküche“ ist der extratropische Nordatlantik. Wie verhalten sich die SST (Sea Surface Temperatures) über das Jahr da?

Das Diagramm wurde mit dem KNMI Climate Exporer generiert. Der Unterschied zwischen Winter und Sommer beträgt ca. 7°C, das im Artikel auch zitierte Gesetz von Clausius Clapeyron sagt:

Mit jedem Grad Celsius Erwärmung kann die Atmosphäre ungefähr sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen…“

Wenn es so einfach wäre, so müsste es im Sommer fast 50% mehr regnen als im Winter, anders als der Schein-Trend zu mehr Niederschlag im Winter vermuten lässt? Das ist offensichtlich Unsinn, denn es sind im Mittel nur 20% mehr im Sommer. Im Spiegel-Artikel wird es jedoch noch fragwürdiger.  Der auch an dieser Stelle regelmäßig kritisierte „Helmholtz-Dürremonitor“ (zuletzt hier) kommt ins Spiel. Er ist der Ausgangspunkt da für regionale Feuchtebetrachtungen:

Doch es gibt Regionen, in denen der Untergrund immer noch zu trocken ist: gerade im Osten.“

Diese Abbildung findet sich im „Spiegel-Artikel“:

Wie üblich ein kurzer stichprobenartiger Check mit der Datenquelle des DWD, dem Bodenfeuchteviewer. Westlich vom Berlin zeigt das Bild oben eine „nutzbare Feldkapazität (nFK)“ von unter 15% an (rot) und was sagt der DWD zum Bodenfeuchteprofil von Ketzin, genau da gelegen?

Bis in 25 cm Bodentiefe sind da mehr als 50%.  Man kann dem „Dürremonitor“ noch immer nicht vertrauen. Lokale „Trockenheit“ ist also ebenfalls eher sehr unsicher. Schließlich kommt auch noch das PIK zu Worte und wir lesen das:

„Besonders schwierig vorherzusagen sei der Niederschlag auch durch den sogenannten Jetstream, meint der PIK-Hydrologe. Dieser funktioniere wie ein Motor, der in der Atmosphäre die Hoch- und Tiefdruckgebiete über Europa hinwegbewegt. Der Temperaturunterschied zwischen Äquator und Arktis treibe ihn an. Durch die Klimakrise werde der »Motor« jedoch schwächer, etwa weil sich die Arktis stärker erwärmt als die Tropen.“

Der Unsinn des durch die Erwärmung schwächeren Jetstream wird auch durch endlose Wiederholungen nicht wahrer. Der Temperaturunterschied zwischen „Äquator und Arktis“ wird nämlich in Höhe des Jetstream in 8-12 km über der Erde eher größer, anders als unmittelbar am Boden. Dort ist es dem Jetstream aber herzlich egal. Er wird wohl im Gegenteil tatsächlich etwas schneller, das zeigt neuere Forschung. Diese veraltete These des „schwachen Jetstreams durch Klimawandel“ gehört nicht mehr in populärwissenschaftliche Artikel, sie ist irreführend. Die Wahrheit und die „Take home Message“ des Artikels steht leider nicht an seinem Ende, sie ist es aber trotzdem:

„Ob es hierzulande in den kommenden Jahrzehnten insgesamt feuchter oder trockener wird, ist allerdings schwierig zu beantworten. »Wir vergleichen die Ergebnisse von Dutzenden Klimamodellen «, so Hattermann. Doch die Resultate zeigten kein einheitliches Bild für Deutschland, auch weil es in einem Übergangsbereich zwischen dem zunehmend trockeneren Mittelmeerraum und dem feuchteren Norden Europas liege.“

Man weiß in Wahrheit sehr wenig über Trends. Woran liegt das? Die Thermodynamik ist der einfache Teil, sie würde ein mehr an Niederschlag fordern. Nur sind die Quantitäten, die sie real einbringen kann, halt sehr, sehr gering im Vergleich zu den Einflüssen der Atmosphärendynamik, die so viele Zufälle einträgt und schier übermächtig unser Wetter in Deutschland beeinflusst. Und so kommt es, dass die „klimawandelbedingte Trockenheit“ zwischen 2018 und 2022 genauso Zufall war, wie das regenreiche letzte Jahr. Dass dieser als „Klimaauswirkung“ von einzelnen so in den Vordergrund gebracht wurde, ist sehr zu bedauern. Man hat sich dadurch unglaubwürdig gemacht, dass man Zufall als „Gesetz“ verkaufte, weil es so gerade mal passte. Hoffentlich eine Lehre!

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