Nachspiel

Für Journalisten sind es momentan spannende Zeiten, jedenfalls für einige. Außer dem Magazin Cicero hatte allerdings niemand so wirklich Interesse, die Entscheidungsfindung in Sachen endgültiger Ausstieg aus der Kernenergie aus Ministeriumssicht zu ergründen. Die betreffenden Ministerien wollten die Unterlagen nicht herausrücken, vermutlich aus gutem Grund. Jetzt ist die Cicero Story draußen und es gibt sehr unterschiedliche Berichterstattung dazu. Die Medien, die Minister Habeck demonstrativ verteidigen oder soll man besser sagen, die es in einer ersten Reaktion getan haben, sind etwas verstummt. Ob sie Lunte riechen?

Mittlerweile scheint eher ein eher vorsichtiger Ton zu herrschen. Für die Tagesschau scheint mittlerweile klar, dass die Sache für die betreffenden Minister Habeck und Lembke noch nicht vorbei ist. Eine Meldung gab es nicht zu den Cicero Vorwürfen, aber das Dementi der Regierung hat es immerhin in die Online-Ausgabe der Tagesschau am gleichen Tag geschafft. Kilian Pfeffer kommentierte es für die Tagesschau einen Tag später und man bekommt den Eindruck, dass hier niemand vorzeitig Entwarnung geben möchte. Die Tagesschau hielt es am Tag der Enthüllung der Cicero-Story wie geschrieben nicht mal für nötig, überhaupt darüber zu berichten, wie der Focus feststellt. Dabei ist der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung aus deutschen Gesetzen doch schon verschwunden.

“Jetzt endlich sind die Informationen veröffentlicht. Und die Hauptnachrichtensendungen der Öffentlich-Rechtlichen beschäftigen sich mit dem Thema: „AfD im Bundestag unter Druck“ oder mit der Energiewende, wie sie die Volksrepublik China mit bald 50 Prozent elektrifizierten Neuwagen vollzieht. Während in Deutschland der Strom aus der Steckdose kommt. Wie er hineinkommt, wenn – wie die Belege nahelegen – der Atomausstieg gegen die Analysen der Experten vollzogen wurde: Das ist kein Thema in den Hauptnachrichten von ARD und ZDF. In der abendlichen Tagesschau, wohl die wichtige Nachrichtensendung des Landes: Kein Wort zu den „Cicero“-Enthüllungen.”

Auch für den Spiegel, ansonsten ein Sturmgeschütz für die Ampel, ist es noch nicht vorbei. Der Spiegel hat es zudem geschafft, den Kern der Problematik tatsächlich zu benennen. Dieser ist nicht, ob genügend Kapazitäten zur Stromversorgung vorhanden sind, wenn man die letzten drei Kernkraftwerke abstellt. Es geht darum, was Experten aus zwei Ministerien dazu sagten und wie die Abteilungsleiter es umdeuteten und dann den Ministern mitteilten.

„Die Dokumente machen auch deutlich, wie schon weit unterhalb der Ministerebene politische Haltungen die Arbeit prägen. Nicht in allen Fällen lässt sich detailliert nachvollziehen, ob Beamte damit ihre Kompetenzen überschritten haben. In einigen Fällen drängt sich der Eindruck auf. Die Frage ist, ob sich Lemke und Habeck unzureichend informiert oder übergangen fühlen und entsprechende Konsequenzen ziehen.“

Dieses Thema ist also noch nicht ausgestanden, auch wenn es sich einige Politiker wünschen. Am Ende steht nämlich die Frage, ob und wie in Ministerien gearbeitet wird. Wie gearbeitet wird, das zeigt eine Anfrage bei “Frag den Staat”. Kurzform: Es ist der Regierung egal. Fragen werden schlicht ignoriert, obwohl die Regierung zur Auskunft verpflichtet ist.

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Es heißt immer so schön, Wind und Sonne sind Freiheitsenergien. Vielleicht ist ja auch die Freiheit gemeint, Anlage per Remote auszuschalten. China könnte das möglicherweise. n-tv beschäftigt sich mit dem Thema Bauteile aus China.

“Zeichnet sich bei bestimmten Bauteilen bereits ein Flaschenhals ab, der zum Problem werden könnte?

Wie in allen technischen Geräten gibt es Komponenten, die vornehmlich aus China kommen. Wir sollten zumindest einen Teil der Produktion zurück nach Europa holen. Ich möchte mir keine Welt vorstellen, in der China deutsche Windenergieanlagen vom Netz nehmen kann und unsere Energieversorgung kontrolliert.

Das würde funktionieren?

Jeder Hersteller hat potenziell Zugriff auf seine Windenergieanlagen. Diesen Zugriff müssen Hersteller auch haben, denn die Anlage muss gewartet oder bei Engpass oder Störung abgeriegelt werden. Wenn man sich vorstellt, dass in Deutschland nur chinesische Windenergieanlagen stehen, könnte China – plastisch gesagt – auf einen roten Knopf drücken und es wäre dunkel. Deswegen benötigen wir klare Regeln wie in der Telekommunikation: Diese darf China nicht dominieren und kontrollieren. Genauso sollte es auch im Bereich Cybersicherheit für Windenergieanlagen sein.”

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Schlappe für die Deutsche Umwelthilfe DUH. Sie hatte gegen eine Pipeline vor Rügen geklagt und nun verloren. Montelnews:

“Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass es vor der Zulassung des Vorhabens laut dem LNG-Beschleunigungsgesetz keine Umweltverträglichkeitsprüfung gebraucht habe. „Die beschleunigte Zulassung des ersten Seeabschnitts der OAL ist geeignet, einen relevanten Beitrag zu leisten, um die fortbestehende Krise der Gasversorgung infolge der Einstellung der russischen Gaslieferungen und der Zerstörung der Nord Stream Pipelines zu bewältigen“, schrieb das Gericht. Deutschland will sich mithilfe von LNG von Gaslieferungen über Pipelines unabhängig machen.”

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Lithium aus der Lüneburger Heide. Dort sollen sich interessante Mengen in heißem Tiefenwasser befinden. Die Zeit:

“In dem zunächst auf drei Wochen angelegten Erprobungsbetrieb werde man am Ende 40 bis 100 Gramm Lithium gewinnen, sagte Projektleiter André Stechern. „Das reicht für die Laboruntersuchung völlig.“ Das Potenzial, das sich mit größeren Anlagen gewinnen ließe, sei aber gewaltig, fügte Stechern hinzu. „Hier könnte man ungefähr 250 bis 500 Tonnen Lithiumcarbonat-Äquivalent pro Jahr gewinnen“, so der Wissenschaftler. „Das entspricht etwa der Menge, die benötigt wird für 5.000 bis 10.000 E-Auto-Batterien.””

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Martin Schlumpf berichtet am 22. April 2024 im Nebelspalter: 

Auch global gesehen liegen die Klimaseniorinnen falsch – Schlumpfs Grafik 109

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Klage der Klimaseniorinnen gegen die Schweiz hat hohe Wellen geschlagen. Alex Reichmuth hat vor kurzem hier im Nebelspalter gezeigt, dass die Behauptung der Seniorinnen, sie seien wegen zunehmender Hitze einem höheren Todesrisiko ausgesetzt, einer faktischen Begründung entbehrt (siehe hier). Ich werde im Folgenden den Faktencheck von Reichmuth, der für die Schweiz gültig ist, anhand globaler Zahlen ergänzen – mit weitgehend demselben Fazit.

Was wichtig ist:

– Die globale Zahl der Hitze- oder Kältekatastrophen ist seit 2000 leicht zurückgegangen.

– Dabei sind Kältewellen deutlich seltener geworden. Bei den Hitzewellen ist der Trend noch unklar.

– Die jährlichen Opferzahlen wegen solcher Extremtemperatur-Ereignisse sind mehr oder weniger stabil.

Zuerst gehe ich auf die Frage ein, ob Naturkatastrophen wegen extremer Temperaturen im weltweiten Kontext häufiger vorkommen. Die Antwort darauf findet sich in der belgische Datenbank EM-DAT der Universität Louvain, in der seit 1988 Informationen über alle Arten von Katastrophen gesammelt werden (siehe hier).

Weiterlesen im Nebelspalter. Auch verfügbar auf schlumpf-argumente.ch.

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Edward Armstrong auf The Conversation:

The Sahara Desert used to be a green savannah – new research explains why

Algeria’s Tassili N’Ajjer plateau is Africa’s largest national park. Among its vast sandstone formations is perhaps the world’s largest art museum. Over 15,000 etchings and paintings are exhibited there, some as much as 11,000 years old according to scientific dating techniques, representing a unique ethnological and climatological record of the region.

Curiously, however, these images do not depict the arid, barren landscape that is present in the Tassili N’Ajjer today. Instead, they portray a vibrant savannah inhabited by elephants, giraffes, rhinos and hippos. This rock art is an important record of the past environmental conditions that prevailed in the Sahara, the world’s largest hot desert.

These images depict a period approximately 6,000-11,000 years ago called the Green Sahara or North African Humid Period. There is widespread climatological evidence that during this period the Sahara supported wooded savannah ecosystems and numerous rivers and lakes in what are now Libya, Niger, Chad and Mali.

This greening of the Sahara didn’t happen once. Using marine and lake sediments, scientists have identified over 230 of these greenings occurring about every 21,000 years over the past eight million years. These greening events provided vegetated corridors which influenced species’ distribution and evolution, including the out-of-Africa migrations of ancient humans.

These dramatic greenings would have required a large-scale reorganisation of the atmospheric system to bring rains to this hyper arid region. But most climate models haven’t been able to simulate how dramatic these events were.

As a team of climate modellers and anthropologists, we have overcome this obstacle. We developed a climate model that more accurately simulates atmospheric circulation over the Sahara and the impacts of vegetation on rainfall.

We identified why north Africa greened approximately every 21,000 years over the past eight million years. It was caused by changes in the Earth’s orbital precession – the slight wobbling of the planet while rotating. This moves the Northern Hemisphere closer to the sun during the summer months.

This caused warmer summers in the Northern Hemisphere, and warmer air is able to hold more moisture. This intensified the strength of the West African Monsoon system and shifted the African rainbelt northwards. This increased Saharan rainfall, resulting in the spread of savannah and wooded grassland across the desert from the tropics to the Mediterranean, providing a vast habitat for plants and animals.

Our results demonstrate the sensitivity of the Sahara Desert to changes in past climate. They explain how this sensitivity affects rainfall across north Africa. This is important for understanding the implications of present-day climate change (driven by human activities). Warmer temperatures in the future may also enhance monsoon strength, with both local and global impacts.

Earth’s changing orbit

The fact that the wetter periods in north Africa have recurred every 21,000 years or so is a big clue about what causes them: variations in Earth’s orbit. Due to gravitational influences from the moon and other planets in our solar system, the orbit of the Earth around the sun is not constant. It has cyclic variations on multi-thousand year timescales. These orbital cycles are termed Milankovitch cycles; they influence the amount of energy the Earth receives from the sun.

On 100,000-year cycles, the shape of Earth’s orbit (or eccentricity) shifts between circular and oval, and on 41,000 year cycles the tilt of Earth’s axis varies (termed obliquity). Eccentricity and obliquity cycles are responsible for driving the ice ages of the past 2.4 million years.

The third Milankovitch cycle is precession. This concerns Earth’s wobble on its axis, which varies on a 21,000 year timescale. The similarity between the precession cycle and the timing of the humid periods indicates that precession is their dominant driver. Precession influences seasonal contrasts, increasing them in one hemisphere and reducing them in another. During warmer Northern Hemisphere summers, a consequent increase in north African summer rainfall would have initiated a humid phase, resulting in the spread of vegetation across the region.

Eccentricity and the ice sheets

In our study we also identified that the humid periods did not occur during the ice ages, when large glacial ice sheets covered much of the polar regions. This is because these vast ice sheets cooled the atmosphere. The cooling countered the influence of precession and suppressed the expansion of the African monsoon system.

The ice ages are driven by the eccentricity cycle, which determines how circular Earth’s orbit is around the sun. So our findings show that eccentricity indirectly influences the magnitude of the humid periods via its influence on the ice sheets. This highlights, for the first time, a major connection between these distant high latitude and tropical regions.

The Sahara acts as a gate. It controls the dispersal of species between north and sub-Saharan Africa, and in and out of the continent. The gate was open when the Sahara was green and closed when deserts prevailed. Our results reveal the sensitivity of this gate to Earth’s orbit around the sun. They also show that high latitude ice sheets may have restricted the dispersal of species during the glacial periods of the last 800,000 years.

Our ability to model the African humid periods helps us understand the alternation of humid and arid phases. This had major consequences for the dispersal and evolution of species, including humans, within and out of Africa. Furthermore, it provides a tool for understanding future greening in response to climate change and its environmental impact.

Refined models may, in the future, be able to identify how climate warming will influence rainfall and vegetation in the Sahara region, and the wider implications for society.

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