Ein Satz heiße Ohren

In den 1970er und 1980er Jahren war die große Zeit des Berliner Synchronsprechers Rainer Brandt. Er gab Tony Curtis seine Stimme in der Serie “Die Zwei”, die in der deutschen Version bedeutend lustiger war als im Original. Brandt schrieb aber auch Synchron-Dialoge für andere Filme und er war bekannt für sein loses Mundwerk und seine kreativen Wortschöpfungen. Eine dieser Schöpfungen davon lautet: “Jemanden einen Satz heiße Ohren verpassen”. Gemeint waren Ohrfeigen. 

So ein Satz heiße Ohren hat der Bundesrechnungshof jetzt der Bundesregierung und auch der Bundesnetzagentur verpasst. Der Rechnungshof hat das gemacht, was seine Aufgabe ist, er hat gerechnet, und zwar ohne ideologische Brille. Sein Urteil zur Energiewende ist vernichtend. Der Rechnungshof sieht durch die Energiepolitik den Wohlstand gefährdet. FAZ

“Zu den Strompreisen heißt es, sie gehörten zu den höchsten in Europa, weitere Anstiege seien absehbar. So müssten bis 2045 mehr als 460 Milliarden Euro in die Netze fließen: „Das Wirtschaftsministerium berücksichtigt diese Systemkosten bisher nicht bei seiner Darstellung der Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien.“ Eine staatliche Bezuschussung lehnt die Behörde indes ab, „dadurch entsteht ein falsches Bild der tatsächlichen Kosten der Transformation“. Den Tier- und Umweltschützern sprechen die Finanzkontrolleure aus der Seele, wenn er darauf hinweisen, dass der Ausbau der Erneuerbaren zuweilen die Natur belaste, etwa durch Flächen- und Ressourcenverbrauch oder Eingriffe in die Biodiversität. Die Bundesregierung habe die Schutzstandards gesenkt, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, es aber unterlassen, ein wirksames „Ziel- und Monitoringsystem“ für die Umweltverträglichkeit aufzubauen. Insgesamt resümierte Scheller: „Die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende sind ungenügend und bergen daher gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele.“ Kurskorrekturen seien überfällig: „Die Risiken für die Energiewende und damit für unseren Wohlstand sind groß.“” 

Die Verteidigungslinie der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur ist interessant. Besonders Habeck reagiert wie ein Obsthändler, dem der Kunde sagt, die Tomaten seien zu weich und dieser entgegnet, die Finger des Kunden sind nur zu hart. T-Online

“Wirtschaftsminister Robert Habeck kann die Kritik des Bundesrechnungshofs an der vermeintlich schleppenden Energiewende nicht nachvollziehen. “Ich sage nicht, dass wir durch sind. Aber zu sagen, die Bundesregierung tut nicht genug, die Energiepreise runterzubringen, die Energiesicherung umzusetzen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, ist eine erstaunliche Wahrnehmung, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat”, sagte er bei einem Besuch in Washington.”  

Sein Ministerium hatte die Möglichkeit sich innerhalb des Berichtes zu den Analysen des Rechnungshofes zu äußern. T-Online: 

“Hinsichtlich der Stromgestehungs- bzw. Systemkosten führt das BMWK aus, der Bundesrechnungshof kritisiere, dass in der Fachöffentlichkeit ein falsches Bild der tatsächlichen Kosten der Transformation entstehe. Das BMWK stütze sich bei seiner Argumentation, dass eine kostengünstige Stromversorgung durch erneuerbare Energien zu gewährleisten sei, jedoch auf einen breiten wissenschaftlichen Konsens aus Energiesystemstudien.” 

Übersetzt heißt das: Agora, DIW, Wuppertal-Institut und Co. haben uns doch gesagt, was wir machen sollen, das wird schon stimmen. Und steigende Kosten werden einfach breiter verteilt, dann merkt das auch keiner sofort. Etwas, aber auch nur etwas, demütiger zeigt sich Klaus Müller von der Bundesnetzagentur. 

(Abbildung: Screenshot Twitter)  

Der Rechnungshof analysiert, dass der Umbau des Netzes von einem zentralen auf ein dezentrales Netz mit erheblichen Kosten und Risiken verbunden ist. Dem widerspricht Müller schlauerweise auch nicht. Stattdessen hantiert er mit Börsenstrompreisen, die mittlerweile aber den kleinsten Teil der Stromrechnung ausmachen. Richtig peinlich ist die rosarote Brille, die der Rechnungshof der Netzagentur runterreißt. Die Bundesnetzagentur geht von Best-Case-Szenarien aus, was aber gefährlich ist. Die Wut, ganz besonders der Grünen, auf den Rechnungshof ist offensichtlich. Vielleicht ist man auch auf sich selbst wütend, dass man diese Institution beim Installieren von eigenen Truppen schlicht vergessen hat? 

Wie es sich für eine ordentliche Wut gehört, werden auch prompt Verschwörungstheorien verbreitet. Diese lautet, dass die Frau des Präsidenten Scheller in der Vergangenheit für Gazprom gearbeitet hat. Was liegt näher als zu glauben, Frau Scheller hat ihrem Mann den Bericht diktiert, damit Gazprom irgendwann wieder Gas nach Deutschland liefern kann. Dass Russland jemals wieder nennenswerte Mengen Gas nach Deutschland liefern wird, ist nach Lage der Dinge sehr unwahrscheinlich. Daher läuft dieser Vorwurf auch ins Leere. 

Deutschland wird seinen teuren und risikoreichen Weg weitergehen. Die Überbringer schlechter Botschaften stören da nur. Im Mittelalter hat man diese einfach getötet. Heutzutage stellt man sie einfach ins Abseits. Mal sehen, wann es Herrn Scheller erwischt? Wer den gesamten Bericht lesen möchte, der kann hier heruntergeladen werden. Mit wenig Zeit reicht es auch die Seiten 6-9 zu lesen. 

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