Deponie – Das Zeitparadoxon

Von Bruno Hublitz

Es ist trivial zu erwähnen, dass unsere heutige moderne Zivilisation verbunden ist mit der Produktion allmöglicher Abfälle. Das fängt an mit dem gewöhnlichen Hausmüll oder Abfälle aus der Industrie aber auch in der Energiewirtschaft fallen Abfälle an. Wie geht man mit den vielen vorhandenen und den noch zusätzlich geplanten PV-Modulen zukünftig um, wenn sie zu entsorgen sind, gleiche Frage auch für Rotorblätter von Windkraftanlagen? Für die Gesellschaft wird es brisanter wenn von den Abfällen größere Gefahren oder Schäden ausgehen können, etwa Abfälle aus der Chemie, Treibhausgase aus der fossilen Strom- und Wärmeversorgung (das große Thema im KlimaNachrichten-Blog), oder Nuklearabfälle. Letztere waren in den 1980er und 1990er Jahren mit die Spitzenreiter der öffentlichen Diskussionen und zugehöriger Proteste, Gorleben, usw.

In dieser Ausarbeitung wird zu Letzteren näher eingegangen. In den 2010er Jahren wurde politisch entschieden, bei der Erkundung für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aus der Kernenergienutzung bei Null mit einer weißen Landeskarte anzufangen. Die parlamentarische Festlegung erfolgte schließlich im Standortauswahlgesetz (StandAG) vom 5. Mai 2017 mit sehr vielen umfangreichen Einzelfestlegungen auf die hier nicht gänzlich eingegangen wird.

Das StandAG statuiert vier zentrale Ziele (1):

1. Es soll ein Standort mit bestmöglicher Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt werden.

2. Der Standort mit der bestmöglichen Sicherheit ist der Standort, der im Zuge eines vergleichenden Verfahrens bestimmt wird (komparatives Verfahren).

3. Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr 2031 angestrebt.

4. Vermeidung unzumutbarer Lasten und Verpflichtungen für zukünftige Generationen

Ergänzend sei erwähnt:

– Die Bildung der stattlichen Bundesgesellschaft für die Endlagerung (BGE), die die Suche nach einem Endlager durchführt und

– die Bildung des ebenso staatlichen Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) als Aufsichtsbehörde und Zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit.

– Das Endlager wird für 1 Million Jahre ausgelegt.

– Zu lagern sind rund 10 000 Tonnen Schwermetall und 8 000 Kokillen.

Sehr wichtig im Verfahren ist die Beteiligung der Öffentlichkeit, die eine zentrale Rolle spielt. Dazu wird in der momentan stattfindenden sog. Phase 1 (Auswahl möglicher Standortregionen) eine „Fachkonferenz Teilgebiete“ mit einem „Forum Teilgebiete“ installiert, bei der Bürger, Kommunalvertreter, Wissenschaftler, die Junge Generation und Vertreter gesellschaftlicher Organisationen teilnehmen. Das erste „Forum Teilgebiete“ fand bereits statt. Das nächste findet am 17./18. November 2023 in der Deutschen Akademie der Naturforscher e.V. Leopoldina, Halle (Saale) und online über Zoom statt. Für Interessierte hier der online-Zutritt:

https://www.endlagersuche-infoplattform.de/SharedDocs/Termine/Endlagersuche/DE/2023/1117_forum-endlagersuche.html

Weitere Infos siehe BASE.

Mit Beginn seiner Tätigkeit hatte die BGE u. a. die Aufgabe einen Rahmenterminplan für die Suche und Erkundung zu erstellen. Dieser wurde im Dezember 2022 der Öffentlichkeit präsentiert. Die Überraschung war sehr groß, wenn nicht gar schockierend, dass der Zeitpunkt zur Feststellung eines Standortes nicht wie vorgesehen in 2031 erfolgen würde, sondern sich das ganze Verfahren um mehrere Jahrzehnte nach hinten verschieben würde.

Professor Dr. Bruno Thomauske war eines der Mitglieder der in 2014 im Bundestag errichteten Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe„. Er war ein Warner, dass das politisch vorgegebene Jahr 2031 nicht erfüllt werden kann. Der nun vorliegende BGE-Rahmenterminplan bestätigte voll und ganz seine damalige Einschätzung. Im Mai 2023 hat er in (1) eine Kritik am ganzen Verfahren unter dem Titel „Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? „ veröffentlicht.

Sein Fazit:

„Die Verfasser des StandAG und die Endlager-Kommission haben ein Ideal postuliert. Das Verfahren sollte zu einem Standort mit bestmöglicher Sicherheit in ganz Deutschland führen, bezahlbar bleiben, Akzeptanz durch weitestgehende Partizipation gewährleisten, in einem überschaubaren Zeitrahmen realisierbar sein und dabei allein vom Staat bzw. staatlichen Institutionen durchgeführt werden. Im Ergebnis lässt sich bereits nach 5 Jahren Standortsuche feststellen, dass sämtliche dieser Ziele verfehlt werden. Das Verfahren muss in dieser Form als gescheitert bewertet werden. Das Verfahren ist somit an einem Kipppunkt angelangt, zu dem tiefgreifende Änderungen vorzunehmen sind, um die Endlagerfrage überhaupt einer Lösung zuführen zu können. Die Endlagerkommission hat diese Gefahr zwar nicht vollständig ausgeblendet, sie hat aber hierfür keinen Lösungsansatz vorgedacht. Dieses Versäumnis der Kommission muss jetzt in Form eines öffentlichen Diskurses nach- geholt werden.“

Bei dem am 17./18. November 2023 in Halle(Saale) stattfindenden Forum Teilgebiete wird auch Frau Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) teilnehmen. Es wird interessant werden, inwieweit sie auf Kritiken eingehen wird. Im Hinblick auf Zeitmaßstäbe seien zwei Anmerkungen/Hinweise erlaubt:

1.)        Bei der heurigen parlamentarischen Beratung des „Wärmepumpengesetztes“ sollte dieses unbedingt innerhalb weniger Wochen noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Dies ist ein Beispiel einer kurzen Zeitspanne. War sie so nötig?

2.)        Bei den Abfällen aus der Chemie sind diese gegenüber Nuklearabfällen nicht minder herausfordernd. Damit kein Missverständnis entsteht sei gleich gesagt, hier sollen nicht zwei „böse Buben“ gegeneinander ausgespielt werden. Beide haben ihre eigene Charakteristika. Tatsache ist jedoch, dass seit 51 Jahren in Hessen in Heringen (Werra) die Untertage-Deponie Herfa-Neurode betrieben wird, ein früheres Kalisalzbergwerk. In 50 Jahren wurden bereits ca. 3,5 Millionen Tonnen Sondermüll deponiert, etwa Arsen- oder Cyanid-Fässer, quecksilberbelastete Erde, Aluminium-Filterstäube. Und das nicht nur aus Deutschland sondern auch aus Europa und USA.

Untertage-Deponie Herfa-Neurode, Heringen (Werra),
Foto privat, Stand 29. Okt. 2023

Sogar Joschka Fischer, damaliger Umweltminister in Hessen, hat in den 1980er Jahren dazu bemerkt, dass die osthessische Untertage-Deponie als ein „Juwel“ für eine staatlich kontrollierte Lösung der Giftmüllfrage sei (4). Die Deponie hat noch Platz um weitere 60 Jahre Abfälle aufnehmen zu können. Sie ist ausgelegt für 10 000 Jahre. Auch zu Herfa-Neurode gibt es zwischenzeitlich kritische Stimmen (2),(3),(4). Wird die spätere Suche nach einer Nachfolgeanlage ähnlich dem StandAG erfolgen?

Herfa-Neurode und die zukünftige Atomdeponie könnten eine Gemeinsamkeit haben. Das Wirtzgestein von Herfa-Neurode ist Salz. Salz ist auch eine der drei Wirtsgesteinsvarianten – neben Ton und Granit – die für die Atomdeponie zur Auswahl stehen und zur Zeit untersucht werden.

Alles sehr ernste Themen. Wer bei alledem seinen Humor trotzdem nicht gänzlich verloren hat, dem sei vom Kabarettisten Vince Ebert das Buch empfohlen “ Lichtblick statt Blackout„, 2022 vom dtv-Verlag (Seiten 128 ff). Darin spricht auch er das Deponie-Thema im Zusammenhang mit Risikowahrnehmungen an.

(1)        atw Vol. 68 (2023) – Ausgabe 3
Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert?
Der Realitätsschock – Bruno Thomauske
Ist das Standortauswahlverfahren gescheitert? Auswahl von Endlagerstandorten für hochradioaktive wärmeentwickelnde Abfälle
https://kernd.de/wp-content/uploads/2023/05/Artikel_atw_03-2023_Ist_das_Standortauswahlverfahren_gescheitert_Der-Realitaetsschock_Prof_Thomauske.pdf

(2)        Tageschau vom 31. Mai 2023
Gift im Schacht
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/giftmuell-deponie-hessen-100.html

(3)        Hessenschau vom 16. Juli 2022
Millionen Tonnen gefährlicher Abfall in Untertage-Deponie – Vorsicht, Giftmüll!
https://www.hessenschau.de/wirtschaft/vorsicht-giftig-untertage-deponie-sammelt-seit-50-jahren-gefaehrliche-abfaelle,untertage-giftmuell-deponie-100.html

(4)        Deutschlandfunk vom 14. April 2019
Weltgrößte Untertage-Giftmüll-Deponie    –  Die dunkle Seite des „Monte Kali“
https://www.deutschlandfunk.de/weltgroesste-untertage-giftmuell-deponie-die-dunkle-seite-100.html

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