Der Fall Maischberger: Auf einem Auge blind

Es wird nicht besser mit dem Faktencheck bei Sandra Maischberger, über den wir bereits berichteten. In der Sendung am 20.09.2023 waren Markus Blume von der CSU und Luisa Neubauer zu Gast sowie reichlich Fake-News. Die wurden aber dummerweise nicht entkräftet. Zunächst machte der Faktencheck etwas, was man einen Strohmann bauen nennt. Man entkräftet ”Argumente”, die gar nicht genannt wurden. Blume wurde alles Mögliche in den Mund gelegt, was dieser aber so weder sagte noch meinte. Aber viel schlimmer ist die offenbare Rücksichtnahme auf Luisa Neubauer. 

Man muss kein Mathegenie als Faktenchecker sein, um herauszufinden, dass Deutschland Strom aus Frankreich bezieht und dieser zu einem erheblichen Anteil aus Kernenergie stammt. Irgendwie drückte sich der Faktenchecker aber um eine klare Aussage herum, dass Neubauer Falschaussagen trifft. Offenbar wurde es dann selbst dem Faktenchecker zu heikel. Aber, statt eine Falschbehauptung so zu nennen, wurde eine neue Wortschöpfung erdacht: ”darf als falsch betrachtet werden”. Nein, es ist falsch. 

“Für den Monat Mai 2023 hat die Denkfabrik Agora Energiewende einen Energiemix der deutschen Importe errechnet. Dieser bestand demnach zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien, zu 23 Prozent aus Atomstrom und zu 6 Prozent aus Kohlekraft. Dass Deutschland überhaupt keinen französischen Atomstrom importiert, wie Luisa Neubauer in der Sendung sagte, ist aufgrund dieser Daten- und Analyselage nicht denkbar. Die Darstellung von Luisa Neubauer darf als falsch betrachtet werden.” 

Irgendwie wirkte Blume in der Sendung schlecht vorbereitet. Denn das Argument, dass Deutschland immer noch ein Netto-Exporteur ist, stimmt bis zum 2. Quartal, wenn auch nur hauchdünn. Blume hätte eher darauf eingehen sollen, dass wir die gleiche Ware (Strom) günstig verkaufen und teuer einkaufen. Außerdem muss man kein Prophet sein, um zu erkennen, dass sich der Saldo in Richtung Netto-Importeuer verändert im 2. Halbjahr. Bereits Ende August sah es schon anders aus. 

(Abbildung: Screenshot energycharts.info)  

Seit dem Atomausstieg wird mehr importiert als exportiert, zu ungünstigen Preisen. Er hätte auch spielend das Narrativ des teuren Atomstroms entkräften können. Denn, wenn es günstiger ist Strom zu importieren als ihn selbst heimisch zu erzeugen, wie kann es dann sein, dass bei den Importen ”teurer” Strom aus Kernenergie enthalten ist. Und wieso verstopft dieser Strom die deutschen Netze nicht? Eine vertane Chance, Luisa Neubauer zu stellen. Dass aber ein Faktencheck einen Faktencheck braucht, ist schon extrem absurd. 

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Grüne Planwirtschaft ist teuer. Ein Kommentar von Philipp Plickert von der FAZ über die Neuausrichtung der Klimapolitik im Vereinigten Königreich. 

“Es ist nicht so, dass Großbritannien wenig tut. Gegenüber 1990 hat das Land seine CO2-Emissionen schon um 46 Prozent reduziert, mehr als fast alle EU-Länder. Der größte Teil dieses Fortschritts stammt aus der Dekarbonisierung der Stromerzeugung. Kohlekraftwerke sind abgeschaltet worden. Sie wurden durch einen marktwirtschaftlichen Mechanismus mit höheren Zertifikatepreisen aus dem Strommix verdrängt. Anders als Deutschland, dessen Regierung gerne die Welt über die Energiewende belehrt, aber jetzt wieder mehr Kohle verfeuert, weil man Atomkraftwerke abgeschaltet hat, hält Großbritannien an der Kernkraft fest, weil sie für die Grundlast nötig ist und CO2-arm Strom produziert. Planwirtschaft ist teuer und ineffizient. Statt Vorgaben für ein Verbrenner-Aus und Wärmepumpenzwang wäre es besser, Verkehr und Heizen in den Emissionshandel einzubeziehen und Preissignale wirken zu lassen. Autofahrer, Hauseigentümer und Unternehmen hätten dann die Freiheit, selbst zu entscheiden auf welchem (technologischen) Weg sie ihre Emissionen senken. Damit könnte man die Ziele mit geringeren Kosten erreichen. Aber überall – in Großbritannien kaum weniger als in der EU – setzt die Politik auf grüne Planwirtschaft mit Verboten, Quoten, kleinteiligen technischen Vorgaben, Subventionen und Strafen. Eine ehrliche Debatte über Kosten und Nutzen dieses Großexperiments scheut man. Je teurer aber der Umbau wird, desto geringer ist die Chance, dass die Schwellenländer mitziehen, ohne die die Klimaziele nicht erreichbar sind.” 

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Griechische Wissenschaftler haben die Niederschläge in Griechenland untersucht. Sie fanden allerdings nicht, was sie vermuteten, sondern natürliche Variabilität. Aus dem übersetzten Abstract

“Im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Hochwasserrichtlinie in Griechenland wurde ein großer Satz von Niederschlagsdaten zusammengestellt, mit dem Hauptziel, Beziehungen zwischen Niederschlagsintensität, Zeitskala und Rendite für das gesamte Land zu konstruieren. Dieser Satz umfasste Bodenniederschlagsdaten sowie nicht-konventionelle Daten aus Reanalysen und Satelliten. Angesichts der europäischen Erklärung des Klimanotstands sowie der Einrichtung eines Ministeriums für Klimakrise in Griechenland wurde dieser Datensatz auch aus klimatischer Perspektive unter Verwendung der längsten Datensätze untersucht, um zu beurteilen, ob sie die Klimakrisendoktrin unterstützen oder nicht. Monte-Carlo-Simulationen wurden zusammen mit der stationären stochastischen Dynamik Hurst-Kolmogorov (HK) ebenfalls eingesetzt, um Daten mit theoretischen Erwartungen zu vergleichen. Es ist erwiesen, dass extreme Niederschläge den statistischen Erwartungen unter Stationarität entsprechen. Die einzigen bemerkenswerten klimatischen Ereignisse, die gefunden wurden, sind die Clustering (die die HK-Dynamik widerspiegelt) der Wasserfülle in den 1960er Jahren und den trockenen Jahren um 1990, gefolgt von einer Erholung von den Dürrebedingungen in den letzten Jahren.” 

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Etwas zum Aufregen: Dr Andreas Wittel, Nottingham Trent University:

Can degrowth save us and the planet?

In response to climate change and environmental breakdown, degrowth has become one of the key concepts in political ecology and related disciplines. Degrowth provides a critique of the ideology of growth measured as Gross Domestic Product (GDP) as a core objective for capitalist economies. It argues that degrowth is possible, desirable and necessary to halt further ecological destruction and to build socially just and ecologically sustainable societies.

It also discusses pathways to organize a future beyond growth. Therefore the term degrowth does not just refer to a set of theoretical concepts—it refers also to a movement of activists who engage with the implementation of these concepts on a local, regional, national and international level.

Over the last two decades, the concept has become so influential that it has entered the arena of policymakers. The conference Beyond Growth in May 2023 aimed to discuss and create policies for a sustainable future. It was held in the European Parliament in Brussels and actively supported by more than 20 MEPs. Unfortunately, in the UK a similar initiative has yet to emerge. Here degrowth is still limited to academic debates and to activist initiatives.

So far only two MPs, Caroline Lucas from the Green Party and Clive Lewis from the Labour Party, have publicly questioned the ideology of economic growth. The topic is also overwhelmingly ignored in mainstream British media. Considering the rapidly closing window of opportunity to avoid environmental breakdown, the silence on degrowth is unlikely to be continued for much longer. Degrowthers are convinced that degrowth must and will happen, either by design or by disaster.

Degrowth or post-growth is not a form of austerity, it is not about getting poorer. It is a concept to rethink our values and what matters in life. At the core of degrowth concepts are values such as well-being, care, self-organization, and conviviality. It is a compelling invitation to prioritize our relationships with each other and with nature over extreme individualism and our addiction to stuff and purely consumerist forms of entertainment. It is, as Kate Soper argues, about an alternative hedonism.

I would add, it is about reviving solidarity and the common good as an alternative to the neoliberal regime of the competitive market.

The concept of degrowth originated in France in the early 1970s. In 1972 the Club of Rome, an economic think tank, published a report on the limits to growth. This became the first significant study to make a point that economic growth is not endless. Early adopters of decroissance were scholars such as Nicholas Georgescou-Roegen, Andre Gorz, Ivan Illich, Erich Fromm and E.F. Schumacher.

While these scholars did not promote specific policies toward degrowth, they pioneered the concept by challenging the economic orthodoxy that economic growth has any intrinsic value. In 1972 Andre Gorz asked a crucial question: Is global equilibrium compatible with the capitalist economy, given that the material resources on our planet are not endless?

The question that Gorz raised in 1972 is indeed eye-opening. While there is growth in nature, there is no unlimited growth in nature. Trees can grow high, but eventually, they will stop growing. In nature, there are cycles of growth, stagnation and decay. The ideology of infinite growth, which is intrinsic to capitalism, has now become the biggest threat to life itself.

More growth means more energy consumption and more extraction of material resources. Why do we think that an economic system, any economic system, can produce growth forever? Degrowth means living within the Earth’s regenerative limits in socially equitable and collectively supportive ways.

Degrowth concepts not only question the ideology of unlimited economic growth, but they are also critical of the method with which economic growth is measured, namely via Gross Domestic Product (GDP). While the monetary measure of GDP has always been problematic as a method to determine economic progress, this is even more obvious in the accelerating ecological crisis and the accelerating crisis of global capitalism. Firstly, GDP does not take into account the widening gap of inequality.

Thus, a rise in GDP will only benefit the few while the living standards of the many get worse. Secondly, it does not take into account economic externalities. The profit of oil companies comes with a price that is not accounted for: the warming of the planet. The profit made due to the deforestation of the Amazon to secure our consumption of beef comes with a price: the warming of the planet.

The profit that water companies in the UK make because they don’t properly take care of sewage, comes also with a price and its color is brown. The exploitation of nature cannot be continued endlessly, and we are fast reaching the point where we must accept the regenerative limits of our planet.

As always in academia, degrowth is not a concept set in stone. It is an open term with different foci and interpretations. The is no unified vision of degrowth. However, in the face of our environmental emergency, there is a surge in the academic literature that is activist and interested in policies and strategies to move from growth to degrowth and to outline pathways beyond capitalism. This would require a democratization of the economy, where workers are in control and not shareholders.

It would require a profound redistribution of wealth to finance public services and a universal basic income. Such a redistribution of wealth cannot stop at a national level. International solidarity, in particular, support for the Global South is required for a transition beyond growth.

The comeback of degrowth from the early 1970s anticapitalist theories is not a mere academic exercise any longer, it is driven by the urgency of our predicament. Now degrowth is turning into a movement which is rapidly growing (pun intended). Ultimately this is a struggle against capital. The human species will have to respond to the thread of ecocide with rigor and purpose. There is hope that degrowth will still be applied by design and not only by disaster. This depends on how quickly the movement can assert influence and power.

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